Titusbrief

Tit 2,12 S.Keller Tit. 2, 12: «... daß wir sollen verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste.»

Da war früher ein guter Bekannter, mit dem wir in unbekehrtem Zustand allerhand böse Streiche verübt hatten; nachher ist er von Stufe zu Stufe gesunken und hat das Gute noch mit hinunterzuziehen versucht. Ist es ein Wunder, daß wir ihm jetzt den Rücken kehren, seinen Gruß nicht erwidern und mit ihm nichts zu tun haben wollen? So müssen wir das ganze böse Gefolge energisch verleugnen: das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste. Aber auf ehrliche Weise! Nicht nur in Formen und im Verkehr vor den Leuten, sondern auch im geheimsten Gedankenstübchen unserer Seele. Die geheimen Beziehungen zu schlechten Leuten sind schlimmer als die offenbaren. Mancher meint, das Gebot des Apostels schon erfüllt zu haben, wenn er Theater und Konzerte meidet und ein ernsthaftes, feierliches Gesicht aufsetzt. Das ist äußerlich und wertlos, wenn die innere Herzensabkehr dem nicht entspricht. Der Herr will zuerst unser Herz und unsere Gesinnung ganz rein haben, dann wird das neue, unmittelbare, gottgewirkte Wesen sich schon seine äußeren Normen und Formen selber schaffen. Je peinlicher du auf innere Sauberkeit achtest, desto selbstverständlicher wird der neue Takt dich lehren, dich auch nach außen hin recht zu benehmen. Einen von beiden muß man dabei aber verleugnen: entweder Jesus oder die Weltart. "Beiden recht getan" geht nicht.

Da wir dich gewählt, Herr Jesu, komm du selbst zu uns und fülle unsere Seelen mit deinen Gedanken und Interessen, bis kein Raum mehr sei für die wüsten Träume und Triebe der Selbstsucht. Amen.





S.Keller Tit. 2, 12: «... und züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt.»

Am Eingang eines Seehafens sind drei Leuchtfeuer; nur wenn sie für den einfahrenden Schiffer in eins zusammenfließen, kann er bei Nacht die Einfahrt sicher wagen. So sind in unserem Text die Pflichten gegen uns selbst, gegen den Nächsten und gegen Gott diesen Leuchtfeuern gleich. Man kann nicht eines von ihnen verachten oder vernachlässigen, ohne daß man sich auch vom Segen der anderen entfernt. Wer gegen sich selbst züchtig - sich in Zucht haltend - lebt, der kann sich auch dem Nächsten gegenüber gerecht betragen, und nur, wenn diese beiden ersten Pflichten erfüllt werden, ist es möglich, daß man auch gottselig, d. h. in Beziehung zu Gott richtig wandelt. Wer sich darauf versteift, daß seine Fehler auf einem dieser Gebiete durch tüchtige Leistung auf einem andern wettgemacht würden, der irrt sich. Gottseligkeit gibt nicht die Erlaubnis zu persönlicher Zuchtlosigkeit oder zu ungerechter Behandlung des Nächsten, ebensowenig wie Bravheit im Umgang mit andern uns der Pflicht überhebt, gottgemäß zu leben. Die heilsame Gnade will uns durch ihren inneren Zug zu allen drei Pflichten tüchtig machen, und es liegt nicht an ihr die Schuld, wenn wir an irgendeinem dieser Punkte elend versagen. Weil wir einheitliche Persönlichkeiten sind, müssen wir in allem vorwärtsgehen.

Ach, da haben wir oft über uns seufzen müssen, Herr Jesu! Mach du uns treuer und brauchbarer. Wenn wir ermüden, so erinnere uns an deine Nähe und an deine Kraft, damit wir Leuchtfeuer werden für andere. Amen.