1Tim 1,16
C.Eichhorn
Das Selbstzeugnis des Paulus von Sünde und Gnade (II)
An mir vornehmlich erzeigte Jesus Christus alle Geduld zum
Vorbild denen, die an ihn glauben sollten zum ewigen Leben.
1. Tim. 1, 16
Die Barmherzigkeit, die dem Apostel widerfuhr, sollte nicht
nur ihm zugute kommen, sondern auch ein lehrreiches und
tröstliches Vorbild für alle Zukunft sein. Paulus war ein
Lästerer des Namens Jesu, ein Verfolger seiner Gemeinde,
einer, der die Schäflein Jesu grausam mißhandelte, und doch
hat ihn der Herr herumgeholt. - "Ich tat es unwissend, im
Unglauben." Dies sieht aus wie eine Entschuldigung, ist es
aber nicht, wenn wir genauer zusehen. Der Unglaube ist nach
der Heiligen Schrift stets etwas Verschuldetes. Es liegt
in ihm ein Widerstreben gegen die Wahrheit. "Ihr habt
nicht gewollt!" Dies Wort Jesu an die Leute in Jerusalem
gilt allen, die nicht glauben. Das Wort, das Luther mit
"unwissend" übersetzt hat, bedeutet überall, wo es im Neuen
Testament vorkommt, ein Nichtwissenwollen, ein Verkennen.
Paulus will seinen ehemaligen finsteren Zustand nicht
beschönigen, als habe er doch die Barmherzigkeit des
Herrn einigermaßen verdient. Nein, das Erbarmen ist völlig
grundlos. Unmöglich wird es nur dann, wenn einer schon im
vollen Glauben stand, die Wahrheit erkannte und doch wieder
zum Lästerer und Verfolger der Gläubigen wird. - Paulus
hatte reichlich Gelegenheit, die Wahrheit des Evangeliums zu
erfassen. Unter den armen Opfern, die durch seine Hände
gingen, waren zwar etliche, die ihren Glauben verleugneten
(Apg. 26, 11), aber auch nicht wenige, die ihn standhaft
bekannten bis in den Tod. Aber er hielt seine Ohren zu und
verhärtete sich gegen diese Zeugnisse. Er hörte und sah, wie
Stephanus, dieser herrliche Zeuge Jesu, aus dem Leben schied,
aber er verschloß die Augen gegen diese Lichtstrahlen. - So
hat es zu allen Zeiten Menschen gegeben, die den christlichen
Glauben direkt bekämpften, verfolgten und sich gegen alle
Eindrücke des Lichtes verschlossen zeigten. Auch solche
sollen wir noch nicht aufgeben. Der Herr nimmt auch Starke
zum Raube. Laßt uns auch für sie noch bitten, daß Gott sie
bekehren möchte! Er kann machen, daß die Lästerer der
Gläubigen kommen und Gott anbeten zu ihren Füßen. Er weiß
allein, wem er wehren muß, und wen er noch bekehren kann.
- Sodann ist das Beispiel des Paulus auch überaus tröstlich
für solche, die in gleichen Linien wie er wandelten. Wenn
ein verstockter Sünder doch noch zur Einsicht kommt, denkt
er wohl zunächst: Bei mir ist es zu spät, ich hab's zu arg
gemacht! Besonders ausgesprochene Feinde Christi, die andere
noch abwendig gemacht haben, können leicht an ihrer Rettung
verzweifeln. Des Paulus Beispiel kann für sie ermutigend
sein. Gab's für ihn noch Barmherzigkeit, so stößt der
Heiland auch dich nicht hinaus. Die Sünde mag noch so groß
sein, Gottes Gnade ist noch größer. Niemand verzweifle an
seiner Rettung! Wem Gott seine Verkehrtheit und
Verworfenheit aufdeckt, dem will er zum ewigen Leben
verhelfen. Glaube nur!
C.Eichhorn
Das Selbstzeugnis des Paulus von Sünde und Gnade (III)
Mir ist Barmherzigkeit widerfahren. 1. Tim. 1, 16
Nach menschlichen Gedanken hätte man erwarten sollen, daß ein
solcher Verstörer des Werkes Gottes wie Saulus weggeräumt
würde. Es hat wohl kein Christ damals auch nur von ferne
gedacht, daß ihr grimmigster Feind von den Armen der
göttlichen Barmherzigkeit umschlungen werde. Sie beteten
wohl darum, daß Gott ihm wehren und ihn lahmlegen wolle.
Hätte ihn ein Blitzstrahl niedergeschmettert, so hätte man
ein wohlverdientes Gottesgericht darin gesehen und Gottes
Gerechtigkeit angebetet. Stattdessen - widerfuhr ihm
Barmherzigkeit. Die Gnade war "überschwenglich" ihm
gegenüber. Sie überbot sich selbst. Der Heiland trat ihm
nicht vernichtend in den Weg, sondern mit der besorgten
Liebe: Saul, Saul, - Unglücklicher, was machst du? Nicht mit
scharfen Worten, sondern liebevoll ernst fragt er ihn. Er
wendet sich an sein Gewissen. Warum verfolgst du mich, hast
du einen Grund? - So ist Jesus noch heute. Wir sind von
Natur alle wider ihn. Denn wer nicht für mich ist, der ist
wider mich. Wir sind seine Feinde in unserm Weltsinn und
mit unserm Hochmut. Wir haben ihn für nichts geachtet, ihm
widerstrebt, seine Jünger nicht leiden können, gemieden und
geschmäht. Und nun geht er uns nach, klopft an die Tür des
Herzens, läßt nicht nach, bis wir uns endlich ergeben. O
welch ein Abgrund der Barmherzigkeit, der alle unsere Sünde
und Ungerechtigkeit verschlingt! Welch ein Meer der Liebe,
in dem alle unsere Übertretungen versenkt werden! - Dem
Saulus vergab die Barmherzigkeit und gab ihm einen neuen
Sinn. Statt seines blinden, ungläubigen Herzens bekam er
ein erleuchtetes Herz, das mit den Augen des Glaubens das
herrliche Gotteslicht fassen konnte. Statt des harten,
lieblosen Wesens bekam er einen liebreichen Sinn. Vorher
ein Schrecken für die Christen, liebte er sie und alle
Menschenseelen jetzt mit der aufopferndsten Liebe. - Welch
eine Wendung durch die Macht der Barmherzigkeit! Als er
an Timotheus schrieb, war seit seiner Bekehrung ein
Menschenalter verflossen. Zweimal nacheinander bekennt
er: "Mir ist Barmherzigkeit widerfahren." Sie ist ihm neu
und groß wie am ersten Tag. Er hat es dem Heiland nicht
vergessen, wie großmütig er mit ihm verfuhr. Der Herr hat
der Sünden des Saulus nicht mehr gedacht. Das ist göttlich.
Wir wollen immer wieder daran denken, was wir für blinde und
böse Menschen waren. Dann erstirbt der Dank für die große
Barmherzigkeit nie in unserer Seele. Rechte Gotteskinder
stehen immerfort im Hungern und Dürsten nach Jesu Gnade. Sie
werden ihres Heilandes nie überdrüssig. Das Evangelium ist
ihnen immer wieder neu und anziehend. Wehe, wenn es uns eine
langweilige Sache wird! Menschen mit ihren Schwächen kann
man manchmal satthaben, wenn man allzuoft mit ihnen verkehrt.
Aber den Heiland bekommen seine Jünger nie satt. Im Gegenteil!
Er wird ihnen von Tag zu Tag größer, anziehender und
unentbehrlicher.