1. Thessalonicherbrief

1Thes 2,13 C.O.Rosenius Da ihr empfinget von uns das Wort göttlicher Predigt, nahmt ihr es auf, nicht als der Menschen Wort, sondern - wie es denn wahrhaftig ist - als Gottes Wort. 1. Thess. 2, 13.

Der Herr erbarme sich über die Finsternis unseres gefallenen Herzens und öffne unseren Sinn! Auch diejenigen, die nie daran zweifeln, daß das Wort Gottes Wort ist, können es oft doch nicht dafür halten, können es nicht lebendig glauben und bedenken, daß es wirklich das Wort des großen Gottes ist. Welch ein Tosen und Lärmen würde in der Welt entstehen, wenn man anfinge, das Wort Gottes für das Wort und Urteil des großen allmächtigen Schöpfers zu halten.

Welch ein Entsetzen, welch ein Laufen und Rennen, welch ein Forschen und Fragen nach dem Weg zur Seligkeit müßte Platz greifen, wenn man anfinge, das Wort Gottes wirklich für Gottes Wort zu halten! Welch eine Freude und Glaubenszuversicht, welch ein Jubeln und Lobsingen, welch ein Friede und welch eine Stärke in dem Herrn müßten aufbrechen, wenn alle erweckten und gläubigen Menschen das Wort Gottes recht für Gottes Wort halten könnten. Welch eine Wachsamkeit und Gottesfurcht, welch ein Beten und welch ein Fürchten vor jeder Abweichung müßten Raum gewinnen, wenn wir das Wort Gottes recht für Gottes Wort halten könnten!

Du, der du meinst, daß du es schon für Gottes Wort hältst, wie ist es möglich, daß du doch in den Sachen, von denen Gott geredet hat, so ungewiß sein kannst? Wie ist es möglich, daß du essen, trinken und schlafen kannst, während du noch nicht den Abschluß mit Gott gemacht und die Gewißheit der Vergebung deiner Sünden erhalten hast, die Gewißheit, daß du jede Stunde selig sterben kannst, wenn du das wirklich für Gottes Wort hältst, was in dem heiligen Buch von dem einzigen Weg zur Seligkeit, vom Jüngsten Gericht, vom Himmel und von der Hölle geschrieben steht? - Oder du, der du mühselig und beladen unter dem Joch der Knechtschaft einhergehst, der du aber das Zeugnis Gottes von Seinem Sohn hörst und der du glaubst, das es Gottes Wort ist, daß Er Seinen eingeborenen Sohn zu unserer Versöhnung dahingegeben hat - der du den Sohn Gottes so gnadenreich einladen hörst: ,,Kommet her zu Mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid" usw. -, wie ist es möglich, daß du immer noch in diesem kranken, sklavischen Sinn verharren kannst, wenn du alles wirklich für Gottes Wort hältst?

Die meisten Menschen halten das Wort Gottes nicht heilig und für wahr, nicht für Gottes Wort; das merkt man daran, daß es ihre Herzen nicht ergreift, rührt und einnimmt. Sie gehen nicht mit einer so tiefen Ehrfurcht damit um, die bald folgen würde, wenn ihr Herz wirklich glaubte und erkennte, daß es Gott ist, Gott, Herr des Himmels und der Erde, der in demselben mit ihnen redet. Wenn ein irdischer König mit uns redete, mit welcher gespannten Aufmerksamkeit und Ehrfurcht würden wir dann zuhören, so daß nicht eins seiner Worte uns entginge, vor allem, wenn wir sehr von ihm und seinem Worte abhingen. Wenn sein Wort zudem ein furchtbares Urteil enthielte, zum Beispiel unser eigenes Todesurteil, welches Entsetzen und welche Angst ergriffen dann unser Herz! Und warum das? Gewiß darum, weil es das entscheidende und letzte Wort des Königs ist. Wenn nun seine Worte aber eine gnadenvolle Zusage oder gar eine Freisprechung vom Tode enthielten, welche unaussprechliche Freude und welche Dankbarkeit durchströmten dann unser Herz! Und warum das? Zuerst darum, weil es der König war, der es sprach; ich kann darauf bauen. Zum anderen enthielten seine Worte ja die höchste Gnade und Gabe für mich. Ja, wenn ein König mit uns redete, selbst wenn er uns keine besonders große Gnade, auch kein furchtbares Urteil zuspräche, so würden wir dennoch seine Worte so zu ehren und zu bewahren wissen, daß wir sie vielleicht unser ganzes Leben lang in frischem Andenken behalten würden, nur darum, weil es die Worte eines Königs waren.

Sieh nun hier, was es zur Folge haben würde, wenn wir Gottes Wort wirklich für Gottes Wort hielten. Was ist wohl ein irdischer König im Vergleich mit dem Herrn und Schöpfer, dem König aller Könige! Kann nun das Wort eines irdischen Königs uns mit so großer Furcht oder Freude erfüllen, wieviel mehr sollten die Worte des allmächtigen Gottes unsere Herzen ergreifen und sie mit Furcht oder Freude erfüllen, wenn wir Sein Wort recht für das hielten, was es ist! Und können wir die Worte eines Königs so lieben, verehren und bewahren, auch wenn der Inhalt derselben ganz unbedeutend wäre, wieviel mehr sollten wir das Wort Gottes lieben, verehren und in unserem Herzen bewahren, wenn wir es wirklich für Gottes Wort hielten! Wenn wir hingegen gedankenlos und träumend mit Seinem Worte umgehen können und von dem Inhalt desselben weder erschreckt noch erquickt werden, sondern in aller Sicherheit und allem Unglauben unseren Weg fortsetzen, dann muß die Ursache sicherlich darin liegen, daß wir Gottes Wort nicht für das halten, was es ist, für das Wort des großen Gottes. Ja, dieses unsichere und zweifelnde Wesen, dieses Schwanken und Schweben zwischen Glauben und Unglauben, zwischen Furcht und Hoffnung, oder dieses kalte und laue weltliche Leben - ist das alles nicht ein Beweis dafür, daß du Gottes Wort nicht recht für Gottes Wort hältst? Möchten doch alle Christen diesen Punkt tief beachten! Denn hier ist der Grund aller geistlichen Schlaffheit und Halbheit im Glauben, in der Liebe und im Leben. Wir halten Gottes Wort nicht heilig, glauben und bedenken nicht, daß es Gottes Wort ist.

Des Herrn Wort ist ew'ges Wort! Ob auch des Himmels Bau zerfällt, In Staub verweht die ganze Welt, Des Herrn Wort steht ewig fest.





C.O.Rosenius Da ihr empfinget von uns das Wort göttlicher Predigt, nahmt ihr es auf, ... wie es in euch, den Glaubenden, auch wirkt. 1. Thess. 2, 13.

Alles, was Gott in Seinem Worte dem Menschen verkündigt hat, geht hauptsächlich darauf hinaus, uns zweierlei zu lehren: Erstens, wie wir Seine Gnade und die Vergebung unserer Sünden erlangen und Seine Kinder werden, zweitens, wie wir als Kinder Gottes hier auf Erden leben sollen, um unserm himmlischen Vater zu dienen und Seinen Willen zu tun. Wie dies aber die Hauptstücke sind, mit denen des Reich Gottes unter uns steht oder fällt, so sind sie auch die Punkte, die der Teufel zu allen Zeiten am meisten angreift und die er uns rauben will.

Als Jesus auftrat, strafte Er Sein Volk in zwei Hauptpunkten und lehrte es den rechten Weg. Er strafte nämlich erstens ihre falsche Rechtfertigung und ihre Selbstgerechtigkeit, und zweitens ihren falschen Gottesdienst, ihre selbsterwählten guten Werke, indem Er ihnen sagte, wie sie ,,die Minze und Raute und allerlei Kohl verzehnten, das schwerste aber im Gesetz - das Gericht, die Barmherzigkeit und den Glauben - dahinten ließen". Als die Reformation durch Luther erkämpft wurde, geschah es ebenfalls hauptsächlich durch die Aufrichtung und Hervorhebung zweier Lehrpunkte, die Luther unausgesetzt predigte, nämlich erstens die rechte vor Gott geltende Gerechtigkeit, die Gerechtigkeit Christi, die Gerechtigkeit des Glaubens, und zweitens, worin wahre gute Werke, wahrer Gottesdienst, heiliges und gottwohlgefälliges Leben bestehen, nämlich nur in dem, was Gott uns in Seinem Worte zu tun befohlen hat. Damit bekämpfte und strafte er erstens die päpstliche Rechtfertigungslehre, daß der Mensch gerecht werde in dem Grade, wie er heilig würde, und zweitens den falschen Begriff von einem heiligen, gottwohlgefälligen Leben, daß man nämlich ins Kloster gehen, unverheiratet leben, fasten, wachen, den Leib kasteien, Pilgerreisen machen sollte usw. Man hat deshalb richtig bemerkt, daß die Reformation durch die Bekämpfung zweier falscher Lehrpunkte zustandekam, während man andererseits der Reformation die Wiederherstellung zweier Hauptlehren zu verdanken hat, nämlich die jetzt erwähnten von der rechten Gerechtigkeit vor Gott und der rechen Heiligkeit des Lebenswandels.

Wie gesagt, dies sind auch die Punkte, die der Teufel zu allen Zeiten angegriffen und verdreht hat, und zwar so fein, so leise, so allmählich und gradweise, daß man es nicht gemerkt hat, bevor man schon vom Wege weggeführt war. So sind auch die Vernunft, das Gefühl und das Gutdünken diesen beiden Lehrpunkten feind. Nichts streitet mehr gegen die Vernunft und das Gefühl, als daß ich vor Gott gerecht und Ihm angenehm sei, wenn ich mich selbst voller Sünde sehe und zugleich fühle, daß ich nur durch eine mir zugerechnete Gerechtigkeit gerecht und angenehm sei. Ich kann auch unmöglich meinen, daß ich dem Herrn die wohlgefälligsten Werke tue und einen wahren, heiligen Gottesdienst übe, wenn ich innerhalb des Hauses und der Gemeinde nur solches tue, was entweder mein leiblicher, häuslicher und bürgerlicher Beruf oder die Not eines armen, elenden Menschen erfordert, nur dieselben Werke tue, die auch ein frommer Heide, ein ehrbarer Weltmensch tun kann. Ich kann auch nicht meinen, daß eine besondere Gefahr darin läge, den frommen Einflüsterungen zu folgen, die die eigene Stimme des Geistes Gottes in meinem Herzen zu sein scheinen und nur darauf hinausgehen, mich zu heiligeren Werken zu ermahnen. Es ist eine große Gefahr, solchen Einflüsterungen zu folgen, und es ist notwendig, zuerst das in der Schrift offenbarte Wort Gottes zu Rate zu ziehen. Das kann weder das Gefühl noch die Vernunft einsehen oder verstehen.

Daß aber sowohl der Teufel als auch die Vernunft uns mit aller Macht bezüglich des Lebenswandels vom Worte hinwegführen wollen, lernen wir vor allem durch die Erfahrung. Wie viele grobe Torheiten und große Schäden hat der Teufel dadurch in der Kirche Christi hervorgerufen, daß er in diesem Stück die Menschen vom Wort weggeführt hat! Der Schaden, der hierdurch entstanden ist und noch täglich entsteht, ist der, daß einige erweckte, suchende Menschen (welchen es zuweilen mit ihrer Gottesfurcht großer Ernst ist, so daß sie keine Mühe scheuen, wenn sie nur dem Herrn dienen können) zu allerlei eigenen Unternehmungen, Werken und Lebensweisen geführt wurden, zu denen sie teils durch die Vernunft, teils durch eine vermeintliche Stimme Gottes im Herzen getrieben waren, die aber weder das offenbarte Wort Gottes befohlen hat, noch dem notleidenden Nächsten Nutzen gebracht haben. Der andere Schaden ist der, den wir alle täglich erfahren müssen, daß nämlich, wenn wir auch die rechten guten Werke ausüben, dies doch mit Unlust, Trägheit und Versäumnis geschieht, sobald wir das Wort vergessen - vergessen, welche Werke das Wort von uns fordert. Wir würden sie mit größter Lust und größtem Fleiß üben, wenn wir fleißig aufs Wort blickten und sehen und bedenken würden, daß wir mit diesen einfachsten Berufswerken Gott dem Herrn dienten, vor Seinen Augen ständen und Seine Befehle ausrichteten.

Selig, selig sind die Seelen, Die sich sonst kein Licht erwählen, Als allein das Wort des Lebens. Diese glauben nicht vergebens, Weil sie Gottes Rat ergründen Und Sein Herz im Worte finden. O, ein unschätzbares Wissen! Andere Weisheit kann ich missen.