Kolosserbrief

Kol 4,10 A.Christlieb Der eigene Weg des Johannes Markus Kolosser 4, 10. 11. und Apostelgeschichte 13, 13 b

Der Irrweg des Johannes Markus kann uns einerseits zur Warnung vor allen selbstgewählten Wegen dienen, andererseits - wo wir auf einen solchen geraten sind - uns ermutigen, wieder auf die rechte Bahn umzukehren. Laßt uns dazu den Irrweg selbst, seine Folgen und die Umkehr von demselben anschauen.

1. Der Irrweg selbst.

Johannes Markus war von bewährten Gottesmännern, den Aposteln Barnabas und Paulus, auf die erste Missionsreise mitgenommen worden (Vers 5). Wenn keine zwingenden Gründe zur Ablehnung dieses Rufes vorlagen, so war es offenbar für ihn der gewiesene Weg, diesen von Gott beglaubigten Männern zu folgen und sich ihrer Aufforderung nicht zu entziehen. Er hatte seine Gehilfenstellung aus Gottes Hand annehmen können und dürfen. Wenn er aber diesen Weg als für ihn gewiesen und von Gott geführt ansehen mußte, so hatte er auch alle mit diesem Wege verbundenen Freuden und Leiden, Erquickungen und Widerwärtigkeiten aus Gottes Hand anzunehmen. Wenn Gott ihn in diesen Dienst gestellt hatte, so mußte Gott ihn auch von demselben entbinden.

Wie aber verhielt es sich mit dieser Umkehr? Kein göttlicher Fingerzeig, keine Weisung etwa durch Gottesknechte oder unzweideutige Gründe und Verhältnisse lagen vor. Im Gegenteil! Paulus war mit diesem Weg nicht einverstanden (Apostelgeschichte 15, 38). Johannes Markus mußte spüren, daß er diesen Gottesknecht betrübte und daß er demnach nicht in der Liebe wandelte (Epheser 5, 2; 1. Korinther 16, 14). Die Trennung von den Aposteln paßte gar nicht zu der bisherigen von Gott gewiesenen Bahn; sie war ein Verlassen derselben. Es ist immer höchst bedenklich, einen Weg einzuschlagen, der mit der früheren göttlichen Führung gar nicht in Einklang zu bringen ist, sondern zu ihr im Widerspruch steht (Psalm 119, 29. 104; Jona 1, 3).

Mannigfache Beweggründe mögen Johannes Markus zur Umkehr veranlaßt haben.

Pfarrer Schneller, ein Kenner jener Gegend, erzählt uns, daß der in Perge beginnende Weg nach Pisidien damals genau wie heute ein besonders gefährlicher und schwieriger Weg gewesen sei, der wegen allerlei Räuberunwesen gefürchtet wurde. Wie leicht konnte da einer, der diese Reise antreten sollte, von Furcht ergriffen werden!

Andere meinen, daß die bisherigen Missionserfolge Markus nicht genügt hätten. Er sei in seinen großen Erwartungen enttäuscht gewesen.

Wieder andere meinen, daß die überragende Persönlichkeit des Paulus für Markus etwas Drückendes gehabt habe. Auch mag die gerade in unserm Vers angedeutete zunehmende Führerstellung von Paulus und das damit verbundene Zurücktreten von Barnabas dem Neffen des letzteren nicht angenehm gewesen sein.

Auch kann die ihm zugefallene dienende Stellung mehr Selbstverleugnung erfordert haben, als Markus es sich anfänglich gedacht hatte. (Jeremia 2, 20 a).

Diese und noch andere Gründe können auf Johannes Markus bestimmend gewirkt oder mitgewirkt haben. Irgend etwas hat ihm jedenfalls nicht gepaßt und zu tragen gegeben. So läßt sich seine Rückkehr menschlich begreifen und erklären. Wie aber ist sie zu beurteilen?

Sind diese Gründe stichhaltig genug, das Verlassen eines Postens zu rechtfertigen? Dies muß verneint werden. Unser Weg ist nach der Schrift ein Kreuzesweg (Matthäus 10, 38; 16, 24; Hebräer 12, 1 b). - Gott hat auf den Pfad der Seinen allerlei Schwierigkeiten und Widerwärtigkeiten verordnet, die zum Sterben des eigenen Wesens, des eigenen Willens und der eigenen Natur nötig und heilsam sind. Diese Widerwärtigkeiten bilden für uns eine beständige Versuchung zur Kreuzesflucht (Hebräer 10, 36; 12, 1; Jakobus 1, 3. 4; Offenbarung 13, 10). Johannes Markus erlag dieser Versuchung, obgleich er die besten Ratgeber in der Person der Apostel um sich hatte. -

Hüten wir uns davor, Kreuzesflucht zur verborgenen Triebfeder beim Verlassen unseres Postens zu machen! Umgehungsversuche eines uns verordneten Sterbensweges bringen immer Schaden.