Kolosserbrief

Kol 3,16 C.O.Rosenius Lasset das Wort Christi unter euch reichlich wohnen! Kol. 3, 16.

So geht es wirklich dort zu, wo das Leben in Christus gesund und warm ist. Und das soll es ja immer sein. Zu solcher Zeit ist die Ermahnung nicht nötig. Es kommen aber auch andere Zeiten. ,,Da der Bräutigam verzog, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein." Wenn die Zeit lang und einförmig und das Christentum eine alte, alltägliche Sache wird, wenn sich Trägheit, Kälte und Versäumnis sowohl für die eigene Sache als auch für die der Brüder einfinden, dann ist diese Ermahnung sehr wohl nötig. Solange noch etwas Öl in der Lampe ist, lieben die Gläubigen auch diese Ermahnung und unterscheiden sich dadurch von denen, die ,,fleischlich gesinnt" sind und darum gegen diese Lehre des Apostels streiten. Aber, obwohl der Geist bei den Gläubigen willig ist, ist doch das Fleisch so schwach und träge, daß sie nicht einmal nach dieser Ermahnung ,,tun können, was sie wollen", ja, daß diese auch nicht so befolgt wird, wie sie geliebt und erkannt wird. Das Wort Christi sollte in den Herzen und Häusern aller Christen reichlich wohnen. Aber es ist dort nur ganz dürftig vertreten. Das gegenseitige Lehren und Ermahnen hat bei vielen beinahe ganz aufgehört und die Psalmen und Lobgesänge und die vielen geistlichen Lieder sind dort entweder ganz verstummt oder werden nicht vor dem Herrn und im Herzen, sondern nur vor den Menschen und mit dem Mund gesungen. Wenn das Wort des Herrn Jesus reichlich unter uns wohnt, so ist dies das wahre ,,Universalmittel" gegen das geistliche Übel sowohl für die einzelnen Christen als auch für die christlichen Gemeinden, ja, für die ganze Kirche Christi auf Erden. Von welch großem Segen wäre es sowohl für einzelne Christen als auch für ihre ganze Umgebung, wenn das Wort Christi reichlich unter ihnen wohnte; zu welch großem Schaden und Verlust ist es dagegen, wenn dies nicht geschieht! - Wenn man das weiß und bedenkt, dann wird man von einer gewissen Angst und Niedergeschlagenheit betroffen, wenn man eine Betrachtung über diese Ermahnung beginnt und fühlt, daß kein Wort darüber zu stark geredet ist und daß ein Herz für eine Sache von solcher Wichtigkeit nicht offen genug stehen kann. Wer es fassen kann, der fasse es!

Wir wollen nun sehen, was der Apostel mit seiner Ermahnung meint. Er ermahnt und erinnert uns geradezu, was man gottlob zu solchen Zeiten und an solchen Stätten schauen darf, wo eine Geisteserweckung und ein evangelisches Glaubensleben entflammt ist, wo also die Pflanzung Gottes blüht.

Hier wohnt das Wort Christi reichlich in der Gemeinde. Dort macht ein Lesen, Reden, Singen, gegenseitiges Belehren und Ermahnen mit Freude und Vertraulichkeit und mit der Lust und dem Geschmack des Herzens sich geltend, und zwar zu allen Zeiten und an allen Stätten, so daß die Welt noch heute ebenso verwundert und erbittert, ja, voller Spott dasteht wie die Juden an jenem großen Tage der Pfingsten, an dem die Apostel mit neuen Zungen von den großen Taten Gottes zu reden anfingen, so daß jene sprachen: ,,Sie sind voll süßen Weines!" Aber da sieht man dann, was der Apostel meint, wenn er sagt: ,,Laßt das Wort Christi unter euch reichlich wohnen in aller Weisheit; lehrt und ermahnt euch selbst mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen, lieblichen Liedern."

Verblieben wir immer ebenso brennend im Geist, erkaltete die erste Liebe nie, dann wäre dies gerade das, wozu der Apostel hier ermahnt. Unser geistliches und ewiges Leben fordert, daß wir in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn Jesus Christus immer mehr wachsen und zunehmen sollen. Darum dürfen wir nie nachlässig werden und das Wort versäumen, sondern müssen stets mit Lesen, Reden, gegenseitigem Lehren und Ermahnen das heilige Feuer unterhalten und ausbreiten. Sonst geht es, wie Jesus zum Engel in Ephesus sagte: Wenn er nicht zu der ersten Liebe zurückkehre, würde der Herr den Leuchter von seiner Stätte wegstoßen. Dies ist also nicht eine jedem freistehende Sache, die man nach Belieben tun oder lassen kann, ohne das Leben zu verlieren. Wenn wir nicht im Fleisch und in dem ewigen Tod vollenden wollen, sind wir genötigt, das geistliche Leben unausgesetzt durch einen täglichen Umgang mit dem Wort Gottes zu unterhalten. Wie ein Kind mit Milch großgezogen wird, so muß auch der neue Mensch seine Milch haben, und diese ist ,,das Wort Christi."

Ein Christ muß darum beständig und fleißig mit der Bibel umgehen und daraus seine Seele nähren. Der Apostel sagt: ,,Lasset das Wort Christi unter euch wohnen", laßt es nicht wie einen Gast nur eine Zeitlang Herberge bei euch haben, sondern laßt es für immer bei euch wohnen! Das Wort Christi soll sich ganz mit unserem Innersten vereinigen, soll da beständig wohnen und regieren. Und zwar ,,reichlich", nicht nur gewisse kurze Stunden, sondern beständig, überall und in mannigfacher Weise. Solltest du keine Gelegenheit haben, es so viel zu hören oder zu lesen, so kannst du doch daran denken, etwas vom Wort Gottes reden oder singen. Der Herr befiehlt, daß wir das Wort mit Fleiß überall unseren Kindern einschärfen sollen, ,,wenn du in deinem Hause sitzt", sagt Er, ,,oder auf dem Wege gehst, wenn du dich niederlegst oder aufstehst." In derselben Weise sollen wir überall und immer auch uns selbst im Worte Christi üben, auch wenn unsere irdische Arbeit uns nicht gestattet, uns besonders damit zu beschäftigen.

Dein Wort ist unsers Herzens Trutz Und Deiner Kirche wahrer Schutz; Dabei erhalt uns, lieber Herr, Daß wir nichts andres suchen mehr.