Eph 6,1
W.MacDonald
»Ihr Kinder, gehorchet euren Eltern im Herrn, denn das ist
recht. Ehre deinen Vater und deine Mutter, welches das erste
Gebot mit Verheißung ist, auf daß es dir wohlgehe und du
lange lebest auf der Erde.« Epheser 6,1-3
Einer der schwierigsten Bereiche, in denen Zerbrochenheit
praktiziert werden muß, scheint die Kind-Eltern-Beziehung zu
sein. Durch irgendeine seltsame Wendung der gefallenen
menschlichen Natur scheinen wir gerade diejenigen am
wenigsten zu lieben, die uns am nächsten stehen. Viele
gläubige Mädchen fechten wegen der Feindseligkeiten, die sie
ihrer Mutter gegenüber verspüren, einen ständigen Kampf mit
sich aus. Und ebenso viele Jungen benehmen sich die meiste
Zeit ihren Vätern gegenüber auch nicht gerade anständig.
Niemand bestreitet die Existenz einer Kluft zwischen den
Generationen; in Wahrheit ist es aber ein riesiger Abgrund.
Die Jüngeren beklagen sich, ihre Eltern verstünden sie nicht,
unterdrückten sie, gingen nicht mit der Zeit und gehörten
zum Establishment. Aber trotz alledem empfinden viele
Jugendliche Schuld und Beschämung darüber, daß sie scheinbar
nicht über diese Verhaltensweisen hinauswachsen und sich
ihren Familien gegenüber wie Christen verhalten können.
Ihnen ist klar, daß es eine enorme Niederlage bedeutet, wenn
sie mit Altersgenossen oder sogar mit anderen Erwachsenen so
freundlich und annehmbar umgehen können und zu Hause doch so
kalt und kurzangebunden sind. Sie hassen sich selbst, weil
sie ihren Eltern oft den Tod gewünscht haben, aber dies
einzugestehen ist eine bittere Medizin. Als Gott dem Volk
Israel zehn Grundgesetze gab, da war es kein Zufall, daß
eines davon gerade dieses schwierige und heikle Gebiet
innerhalb der mitmenschlichen Beziehungen berühren sollte.
»Ehre deinen Vater und deine Mutter, auf daß deine Tage
verlängert werden in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir
gibt« (2. Mose 20,12). Paulus greift dieses Gebot im Neuen
Testament wieder auf. Die Eltern zu ehren und ihnen zu
gehorchen heißt nicht nur, das zu tun, was sie sagen, sondern
sie zu achten, liebenswürdig mit ihnen umzugehen und, wo es
nötig wird, für sie zu sorgen. Paulus gibt dafür vier Gründe
an: Es ist recht - es ist zum Besten der jungen Menschen - es
ist biblisch - es bewirkt ein erfülltes Leben. Aber viele
Jungen und Mädchen sind fast völlig davon überzeugt, daß dies
vielleicht in anderen Fällen, jedoch nicht bei ihnen möglich
sei. Ihre Eltern seien zu herrschsüchtig, zu engstirnig.
Alles, was hier fehlt, ist Zerbrochenheit. Das bedeutet,
zum Vater oder zur Mutter oder zu beiden zu gehen und zu
sagen: »Hört mal, es tut mir leid, daß ich immer mit euch
gestritten habe. Ich habe euch noch nie für all das gedankt,
was ihr für mich getan habt, aber ich möchte das jetzt tun.
Bitte verzeiht mir, daß ich immer Mauern des Widerstandes
gegen euch aufgebaut habe. Mit Gottes Hilfe möchte ich, daß
die Dinge in Zukunft anders werden.« Nichts wird so sehr
dazu beitragen, die feindselige Haltung eines anderen zu
ändern, wie eine derartige Bitte um Verzeihung. Wenn man das
nächste Mal versucht ist, sich den Eltern gegenüber lieblos
zu verhalten, wird man sich schnell an die brennende Scham
des Zerbrochenwerdens erinnern, und das dient als wirksame
Abschreckung.