Eph 5,14
C.Eichhorn
Der Weckruf aus dem Schlaf
Wache auf, der du schläfst! Eph. 5, 14
Schlaf ist der Zustand der Seele, ehe der Weckruf von oben
an sie gelangt. Der Schläfer verhält sich gleichgültig gegen
seine Umgebung. Er hört, er sieht, er empfindet nichts von
dem, was um ihn her vorgeht. Er hat keine Ahnung von der
Gefahr, die ihm droht. Es ist Feuer im Haus entstanden: der
Schläfer merkt nichts, bis der Rauch erstickend sein Gemach
erfüllt oder gar die Flamme ihn umzüngelt. Es ist ein Dieb
eingedrungen: der Schläfer ahnt nichts. Der Raubmörder ist
bereits an sein Lager getreten, um ihm den Todesstoß zu
versetzen: er schlummert sorglos fort. Ein Bild des
Menschen, der sich noch in der Gottesferne befindet! Er lebt
so gleichgültig und sorglos dahin, hat keine Ahnung von der
Gefahr, in der seine Seele schwebt. Er denkt nicht an das
Verderben, das ihm bevorsteht, bis es am Ende heißt: zu spät!
Im Schlaf träumt man. So auch im Seelenschlaf. Da träumt
man, es stehe nicht schlecht, man sei auf dem rechten Weg,
man komme auch schließlich an einen guten Ort. Man träumt
vom Himmel und ist auf dem Weg zur Hölle. Man bildet sich
ein, ein braver Mensch zu sein, der ein "gutes" Herz hat, und
ahnt nicht, daß man ein grundverdorbenes, schlechtes Herz in
sich trägt. Dann gibt es Menschen, die geflissentlich die
Seelen einschläfern und Schlafpulver eingeben. Sie beruhigen
den Sünder, anstatt ihn zu wecken. Sie trösten ihn mit
falschem Trost, bestärken ihn in seiner Eigenliebe,
Selbstgerechtigkeit und Leichtsinn. Sie sprechen nach dem
Mund und reden alle Bedenken wieder aus, die aus dem Gewissen
aufsteigen, das sich zu regen und wach zu werden beginnt.
Die geistlichen Schläfer bestärken sich gegenseitig. Der
schlafende Hirte wiegt die Herde noch mehr in den Schlummer
ein. - "Wache auf, der du schläfst!" Das ist der Weckruf des
göttlichen Wortes. Das lebendige Zeugnis der Wahrheit, das
die Sünde beim Namen nennt und ihre furchtbaren Folgen vor
Augen malt, weckt die Schläfer auf. Im Herzen regt sich eine
Sehnsucht nach Frieden, das Gewissen erwacht. Es wird
unruhig. Es ist nicht angenehm, wenn man so plötzlich aus
dem leiblichen Schlaf herausgerissen wird. Aber wenn Gefahr
droht, ist der Schläfer dankbar und fährt rasch empor. Wenn
eine Seele aus dem geistlichen Schlaf geweckt wird, empfindet
sie dies zunächst als eine unbequeme Störung. Viele sind
geradezu empört und erbost über jeden, der sie ans ihrer
falschen Sicherheit aufschreckt. Es ist bequemer, weiter zu
schlafen. Statt wirklich wach zu werden, drehen sie sich um
und schlafen fort. Toren, arme, verblendete Toren, die
beharrlich weiter schlafen, trotzdem der Weckruf ans Gewissen
dringt! Wohl dem, der sich wecken läßt und die Augen öffnet
für das Licht!
O hüte dich vor Sicherheit, denk nicht: Zur Buße ist noch
Zeit;
ich will erst fröhlich sein auf Erd'! Wenn ich des Lebens
müde werd', alsdann will ich bekehren mich, Gott wird wohl
mein erbarmen sich.
C.Eichhorn
Der Weckruf aus dem Tod
Stehe auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.
Eph. 5, 14
Der Schlaf des noch unbekehrten Menschen ist ein Todesschlaf.
Schlaf und Tod sind ja Brüder. Ein Toter ist für seine
bisherige Umgebung nicht mehr da. Von einem geistlich toten
Menschen hat Gott nichts, und er hat nichts von Gott. Wo der
Tod eingetreten ist, sind alle Beziehungen abgebrochen.
Solange man in Sünden tot ist, hat man kein Gefühl für die
Sünde. Man ist ferner taub für Gottes Wort und blind für
seine Herrlichkeit. So wenig ein Toter einen Laut von sich
gibt, so wenig hört man von geistlich Toten ein Bekenntnis
unseres hochgelobten Heilands. Geistlich Tote sind stumm.
Ihre Frömmigkeit besteht nur in einem toten Gewohnheitswesen.
- Stehe auf von den Toten, wenn der Weckruf von oben an dein
inneres Ohr schlägt! Die erste Lebensregung besteht in einem
Empfinden der inneren Erstorbenheit. Wer über seinen Zustand
unruhig wird und erschrickt, hat schon einen Lebensfunken in
sich. "Als von der Lieb' am Kreuzespfahl in meine
Sündennacht eindrang der erste Sonnenstrahl, bin ich für Gott
erwacht." Für Gott erwachen und nach ihm fragen, das heißt:
lebendig werden. - Doch ist ein Unterschied zwischen
Lebendigwerden und Aufstehen von den Toten. Gar oft ist in
der Seele schon ein Lebenskeim entstanden, aber es fehlt noch
der entscheidende Schritt, der zu vollem Leben führt. "Wir
sind vom Tod zum Leben übergegangen", sagt der Apostel. Wenn
sich der Mensch nicht aufrafft und einmal losreißt von der
Welt der Sünde und des Todes, so stirbt der Lebenskeim in
seiner Seele wieder ab. Viele werden erweckt, aber längst
nicht alle dringen zum Leben durch. Besonders hält viele
auch Menschenrücksicht und -furcht zurück. Solange einer
noch unter den Toten liegen bleibt, ahnen die Uneingeweihten
nicht, daß sich schon etwas vom neuen Leben angesponnen hat.
Nur das liebende Kennerauge nimmt es mit Freuden wahr. Wer
aber als Lebender herausgeht und fest auftritt, der fällt
auf, und vielen ist er ein Anstoß. - Darum wage es, stehe
auf, so wird dich Christus erleuchten; eigentlich: Er wird
über dir erstrahlen. Er läßt sein wundervolles Gnadenlicht
ergießen über deine Seele. Licht und Leben ist in der
Bibel eins. So wird denn Christus dich mit seinem Leben
durchfluten. Er tut es so gern. Er wartet sehnlich darauf,
deine Todesnacht durch sein Lebenslicht zu verscheuchen.
Dein Licht ist nahe. Fürchte dich nicht vor dem
Offenbarwerden deiner Finsternis! Beuge und schäme dich
vor Gott und, wo es sein muß, vor Menschen, aber wisse:
durchs Offenbarwerden wird deine Finsternis Licht! "Mache
dich auf, werde licht!"
O Herr, gib meiner Seele Leben, veränd're kräftig meinen Sinn!
Ich kann mir nichts, du alles geben; schau her, wie ich so elend bin,
so schwach und krank nach Leib und Seel'; ach, hilf mir, mein Immanuel!