Gal 6,14
S.Keller
Gal. 6, 14: «Es sei aber ferne von mir rühmen, denn allein
von dem Kreuz unseres Herrn Jesu Christi.»
Mir ist beim Lesen der Briefe des Paulus oft der heimliche
Gedanke aufgestiegen, ob er nach seiner natürlichen Anlage
nicht nach Ruhm begierig gewesen sein muß. Einesteils weiß
er jetzt so gut über Demut zu reden, andererseits rühmt er
sich doch an verschiedenen Stellen; allerdings ist sein Ruhm
jetzt das Gegenteil von dem, was der Schüler Gamaliels einst
geträumt hatte. Durch die Gnade der Demütigungen ist er zur
Gnade der Demut gekommen. Darum rühmt er von sich nichts als
das Durchkreuzen seiner Pläne, Hoffnungen und Aussichten.
Solche Niederlagen führen zur Höhe. Das Kreuz Christi war
doch vor der Welt seine schmählichste Niederlage und seine
tiefste Erniedrigung. Wenn wir unser Herz und Leben vom
Kreuz zerschmettern lassen wie Paulus, dann machen wir,
von der Welt her angesehen, auch den Eindruck, den damals
Christi Kreuz auf die Fremden machte: Niederlage, Gericht,
Demütigung! Dennoch rühmen wir uns dieser Erfahrung. Denn
seit das alte Wesen unter dem Zeichen des Gerichts steht,
lebt das neue Wesen im Zeichen des Sieges und des Segens.
Die Triumphe der Welt verrauchen; der Triumph des Kreuzes
klingt fort durch alle Ewigkeit!
Herr Jesus, laß mich mit dir gekreuzigt sein, daß die
Selbstverliebtheit und der Ehrgeiz nicht mehr unter dem Kreuz
hervorkriechen können. Dann aber reiche mir dar die Kräfte
deines Sieges, daß ich mich deiner und deines Kreuzes freuen
und rühmen kann. Amen.
D.Rappard
Es sei ferne von mir rühmen, denn allein von dem
Kreuz unseres Herrn Jesu Christi, durch welchen mir
die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt.
Gal. 6,14.
Mancher rühmt sich seiner hohen Geburt, mancher seiner
Kraft, Gaben und Kenntnisse. Paulus wollte keinen
andern Ruhm als den des Kreuzes. Das war sein Ordensstern.
Was bedeutet es, sich des Kreuzes Christi rühmen? Es bedeutet
zunächst das Bekenntnis der eigenen S c h u l d. Der reine,
heilige Gottessohn hat ja das Kreuz nicht um seiner Missetat
willen erduldet, sondern um die Sünde der Welt zu sühnen.
Wenn ich mich nun des Kreuzes rühme, so gebe ich zu, daß ich
den Tod verdient habe, aber auch, daß ich durch Christi Tod
b e g n a d i g t worden bin.
Aber sich des Kreuzes Christi rühmen bedeutet noch mehr.
Es bedeutet, mit Christo s t e r b e n. Paulus sagt uns, er sei
mit Christo der Welt gekreuzigt und die Welt ihm. Sie hatte
keine Anziehung mehr für ihn; er wollte von ihren Reizungen
nichts mehr wissen.
So sollte es bei jeder Bekehrung sein. Rein ab, und
Christo an! Gekreuzigt! Das gibt Kraft und Sieg und Freude.
Kind Gottes, wenn es bei dir noch nicht zu solcher ganzen
Scheidung von der Welt i n dir und a u ß e r dir gekommen ist,
so schlage heute diesen Kreuzweg ein. Es ist der Weg des
L e b e n s.
Herr, lehre Du mich durch Deinen Geist, was
es ist, sich Deines Kreuzes in Wahrheit zu rühmen.
Laß mit Dir gekreuzigt sein, was Dein Reich
nicht kann ererben.