Gal 4,16
W.MacDonald
»Bin ich also euer Feind geworden, weil ich euch die
Wahrheit sage?« Galater 4,16
Die Erfahrungen des Paulus mit den Christen in Galatien
erinnern uns daran, daß unsere Freunde uns oft plötzlich als
ihre Feinde betrachten, wenn wir ihnen offen die Wahrheit
sagen. Der Apostel hatte diese Leute mit dem Herrn bekannt
gemacht und sie im Glauben gefördert. Aber später, als
falsche Lehrer in ihre christlichen Versammlungen eindrangen,
mußte Paulus die Gläubigen warnen, daß sie dabei waren, um
der Gesetzlichkeit willen Jesus Christus aufzugeben. Und
das brachte sie schließlich dazu, ihrem Vater im Glauben
gegenüber feindlich gesinnt zu sein. Das gab es auch schon
zu Zeiten des Alten Testaments. Elia war immer ehrlich und
gerade heraus in seinen Botschaften für den König Ahab. Aber
eines Tages, als Ahab ihm begegnete, sagte der König: »Bist
du da, der Israel ins Unglück gebracht hat?« (1. Könige
18,18) Israel ins Unglück gebracht? Nun, Elia war doch einer
der besten Freunde, die Israel je gehabt hatte! Aber der
Dank für seine Treue war nun, daß er als Unglücksstifter
verschrien wurde. Micha war ein anderer furchtloser Prophet.
Als Josaphat sich erkundigte, ob es denn hier keinen
Propheten des Herrn gebe, den man befragen könnte, erwiderte
ihm der König von Israel: »Einen Mann gibt es noch, durch
den man den Herrn befragen könnte; aber ich hasse ihn, denn
er weissagt nichts Gutes über mich, sondern nur Böses; es
ist Micha, der Sohn des Jimla« (1. Könige 22,8). Der König
wollte die Wahrheit nicht hören, und er haßte den, der ihm
diese Wahrheit ins Gesicht sagte. Im Neuen Testament finden
wir Johannes den Täufer, der zum König Herodes sagte: »Es
ist dir nicht erlaubt, die Frau deines Bruders zu haben«
(Markus 6,18). Das entsprach der Wahrheit, aber solch
mutiger Umgang mit der Wahrheit führte schnell dazu, daß
Johannes hingerichtet wurde. Unser Herr Jesus rief auch den
Haß der ungläubigen Juden hervor. Und was war der Grund für
diesen Haß? Er hatte ihnen die Wahrheit gesagt. Er sprach
zu ihnen: »Jetzt aber sucht ihr mich zu töten, einen
Menschen, der die Wahrheit zu euch geredet hat« (Johannes
8,40). Thomas Jefferson hat einmal geschrieben: »Wenn man
jeder Bosheit ausweichen will, dann sollte man besser bei
der schläfrigen Routine der alltäglichen Pflichterfüllung
bleiben. Jede Frage hat zwei Seiten, und wenn man sich
entschieden für die eine Seite entschließt und daran mit
Erfolg arbeitet, werden diejenigen, die sich für die andere
Seite entschieden haben, einem natürlich feindlich gegenüber
stehen, umso mehr, je stärker sie die Erfolge des anderen
verspüren.« Die Wahrheit tut oft weh. Anstatt sich ihr zu
beugen, verfluchen die Menschen meist denjenigen, der sie
ausspricht. Doch ein wahrer Diener des Herrn hat schon genau
erkannt, was es ihn kosten kann. Er muß die Wahrheit sagen
oder sterben. Er weiß, daß die Schläge eines Freundes doch
dessen Treue zeigen, während die Küsse des Feindes trügerisch
sind (s. Sprüche 27,6).