Galaterbrief

Gal 4,4 W.Nee Als die Erfüllung der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn, von einem Weibe geboren. Galater 4,4

Als Jesus geboren wurde, war Israel ein unterjochtes Volk. Die Größe des Königreiches lebte nur noch in der Erinnerung, und das Volk Gottes zahlte dem römischen Kaiser Tribut. Auf dem Kaiserthron saß Augustus, und Rom beherrschte die Welt. Und trotzdem war die Zeit, als Jesus geboren wurde, »erfüllt«. Es war alles bereitet. Die Botschaft von Christus, dem Erlöser, sollte zu allen Menschen dringen und nicht auf eine winzige Nation beschränkt bleiben. Deshalb ließ Gott zu, daß Rom die ganze Welt eroberte, und Jesus wurde im römischen Reich von Römern gekreuzigt.

Die römischen Verbindungen waren ausgezeichnet, auf dem Lande wie auch auf dem Meere. Juden konnten zu Pfingsten nach Jerusalem kommen, die Botschaft hören und sie mit nach Hause tragen, ohne feindliche Ländergrenzen überschreiten zu müssen. Weil Rom die Herrschaft besaß, konnten die Apostel ungehindert von einer Stadt zur anderen reisen und den Menschen überall von dem Erlöser sagen. Wie neutral und fair die weltlichen Behörden sich dabei verhielten, ersehen wir aus der Apostelgeschichte. In der Schrift wird Rom mit einem wilden Tier verglichen, aber Gott, der die Rachen von Löwen verschließt, hatte das Tier gezähmt und zu seinem Werkzeug gemacht. Er schließt zu, und kein Mensch kann öffnen; er macht auf, und kein Mensch kann zuschließen.





C.O.Rosenius Da die Zeit erfüllet ward, sandte Gott Seinen Sohn, geboren von einem Weibe und unter das Gesetz getan. Gal. 4, 4.

Beachte hier den hohen, ewigen Grund unserer Freiheit vom Gesetz! Gott sandte Seinen Sohn unter das Gesetz, ,,auf daß Er die, so unter dem Gesetz waren, erlöste." Darum preise Ihn ewiglich! Dieser trostreiche Inhalt unseres heutigen Spruches tritt so deutlich hervor, daß ein jeder ihn sehen muß.

Der Apostel hat mit vielem Nachdenken und tiefem Geist seine Worte verfaßt, so daß sie eine genaue Beachtung erfordern. Zuerst sagt er: ,,Da die Zeit erfüllet ward", nämlich ,,die Zeit, die vom Vater bestimmt war", in der die Vormundschaft des alten Testamentes ihr Ende und alle Weissagungen und Vorbilder in Erfüllung gehen sollten. Diese Worte richten unsere Augen also auf die lange, goldene Kette der göttlichen Verheißungen, der Vorbilder und Schilderungen des ganzen Alten Testamentes von der ersten Verheißung an, die am Tage des Sündenfalls gegeben wurde, nämlich ,,dem Weibessamen, der der Schlange den Kopf zertreten sollte". Sie richten unsere Augen auf alle jene göttlichen Weissagungen und Vorbilder in dem weitläufigen levitischen Gottesdienst, wo so viele tausende von Opfertieren und von Opferpriestern den großen Hohenpriester und das große Versöhnungsopfer vorbildeten. Wahrlich, ein unendlich starkes, ein tausendfaches Zeugnis von Gott, demgegenüber all unsere Gedanken, Meinungen, Gefühle und Widersprüche erbleichen und sich in nichts auflösen müssen. Wir verschwinden gänzlich gegenüber einem langen Zeitalter voll tausendfacher Vorbilder und Verheißungen von Gott.

Und was sagen uns nun alle jene Verheißungen und alle jene blutigen Opfertiere in dem vorbildenden Gottesdienst? Hebr. 10 lesen wir: ,,Das Gesetz hat den Schatten von den zukünftigen Gütern, nicht das Wesen der Güter selbst, und kann nicht, die da opfern, vollkommen machen - denn es ist unmöglich, durch Ochsen- und Bocksblut Sünden wegzunehmen. Darum, da Er (Christus) in die Welt kommt, spricht Er (zum Vater): Opfer und Gaben hast du nicht gewollt, den Leib aber hast Du Mir zubereitet. Siehe, Ich komme (im Buch steht von Mir geschrieben), daß Ich tue, Gott, Deinen Willen." So redet der Sohn Gottes, als Er in die Welt kommt: ,,Im Buch steht von Mir geschrieben. Das ganze Alte Testament handelt von Mir, daß Ich tue, Gott, Deinen Willen. Es waren nicht die Opfertiere, die Du, Vater, haben wolltest, nein, den Leib hast Du Mir zubereitet - es war Mein Leib, den sie alle vorbildeten; es ist Mein Leib, der das Opfer werden sollte, das Du, Gott, haben wolltest." - Gott, öffne uns die Herzen für einen solchen unaussprechlich herrlichen Text! Denn hier sehen wir den Grund unserer Freiheit vom Gesetz. Hier sehen wir die Erklärung der Worte: ,,Christus ist des Gesetzes Ende und das Lamm Gottes". Gott, öffne unsere Sinne und Herzen! - Von Seinem achten Tag an, an dem Er nach dem Gesetz beschnitten wurde, war Sein ganzes Leben nur Gesetzeserfüllung für uns.

Das Gesetz fordert so billig und so unausgesetzt, daß wir Gott lieben sollen von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt, von allen unseren Kräften, und unseren Nächsten wie uns selbst; aber keiner von uns erfüllte das. Da kam Christus und tat es für uns: Er liebte Gott von ganzem Herzen und von ganzer Seele. Es war Seine Speise, den Willen Seines Vaters zu tun; und Er liebte Seinen Nächsten wie sich selbst. Er ließ Sein Leben für die Brüder, ja, für Seine Feinde. Und der Apostel sagt ausdrücklich, daß dies alles für uns geschah, ja, es geschah, um die, so unter dem Gesetz waren, zu erlösen. Bedenkst du dies tief, dann wirst du zu deiner großen, seligen Verwunderung finden, daß wir nie das Gesetz zu halten brauchen, um dadurch die Gnade Gottes und die Seligkeit zu erlangen, sondern daß diese Sache aus der großen Barmherzigkeit Gottes auf einen anderen, auf unseren Mittler und Gesetzeserfüller gelegt worden ist. Denn ,,Also hat Gott die Welt geliebt, daß Er Seinen eingeborenen Sohn gab." Der Sündenfall war so grundzerstörend für all unsere Kräfte, daß in uns nicht das geringste gefunden wurde, was nicht vergiftet, nicht von Sünde und Bosheit erfüllt wäre, so daß nicht ein einziges Wesen des ganzen Menschengeschlechts das Gesetz des Herrn halten konnte. Alles, was in uns ist, streitet gegen dasselbe in all seinen Geboten, was auch diejenigen tief und bitter fühlen, die von der Heiligkeit Gottes berührt worden sind, so daß sie kämpfen und arbeiten, um das Gesetz zu erfüllen.

Da Gott nun wegen Seiner ewigen Wahrheit und Gerechtigkeit nicht einen Buchstaben noch Tüttel vom Gesetz erlassen konnte, weshalb alles Fleisch, wie wir täglich fühlen, unter einem ewigen Fluch lag, so faßte Er, getrieben von Seiner unwandelbar großen Barmherzigkeit und Liebe zu den Menschen, den gnadenreichen Ratschluß, Seinen eigenen Sohn zu senden, damit Er für uns das Gesetz erfüllte. Dies alles liegt in dem Spruch: ,,Da die Zeit erfüllt ward, sandte Gott Seinen Sohn, geboren von einem Weibe und unter das Gesetz getan, auf daß Er die, so unter dem Gesetz waren, erlöste." Und dies ist auch der Grund dafür, daß Gott nie auf uns blickt und uns nie nach Seinem Gesetz richtet, weil ,,nichts Verdammliches an denen ist, die in Christus sind", daß sie in Ihm vielmehr so ,,angenehm" sind vor Gott, als hätten sie nie eine einzige Sünde getan.

Lobe den Priester, den Höchsten, der selber gestorben, Der durch Sein Opfer die ewige Versöhnung erworben, Lobe Sein Blut. Es macht auf ewiglich gut, Was durch die Sünde verdorben.