Galaterbrief

Gal 3,13 C.O.Rosenius Christus hat uns erlöst von dem Fluch des Gesetzes, da Er ward ein Fluch für uns. Gal. 3, 13.

Wenn diese Tatsache wirklich Raum in unsern Herzen fände, was würde das für ein Reichtum unaussprechlichen, ewigen und unerschütterlichen Trostes werden, so daß wir aller Höllenmacht trotzen und in all unserer Schwachheit triumphieren und uns im Herrn rühmen würden! Denn bedenke doch, welche Worte hier stehen und welches Bild wir schauen! Christus wurde ein Fluch! Daß Christus, Gottes eigener Sohn, ein Fluch wurde, ist eine wundersame und harte Rede, zugleich aber auch ein überaus starker und gewaltiger Trost, wenn man es recht erkennt. Beachte drum! Christus hat allen Fluch des Gesetzes getragen. Dieser aber war so groß, daß der Apostel sagt: Er wurde ein Fluch, ganz und gar eitel Fluch, Er wurde nicht nur mit viel Fluch belegt, sondern so damit überhäuft, daß er ganz und gar ein Fluch genannt werden konnte. - Es hört sich gar wundersam an, aber was ist es anderes, als was Johannes sagt: ,,Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt," - was wir ja so unendlich oft hören, lesen und singen. Jes. 53 steht: ,,Der Herr warf unser aller Sünde auf Ihn; Er trägt ihre Sünden" usw. Daß Christus ein Fluch wurde, ist darum ein Wort, das wir nie genug erwägen und bedenken können.

Das zweite höchst bedenkenswerte Wort ist dieses ,,für uns, für uns, für uns"!! Auf diesem kurzen ,,für uns" ruht die ganze Kraft des Spruches. Um Seiner selbst willen brauchte Christus gewiß nicht ein Fluch zu werden; denn Er war Seinem Wesen nach ganz heilig und unschuldig. Daß Er aber ein Fluch wurde, kam daher, daß Er unsere Schuld auf sich genommen hatte. Nach dem Gesetz sollte ein jeder Mörder an das Holz des Fluches gehängt werden; darum mußte auch Christus dem Gesetz gemäß daran hängen, denn Er hat die Schuld eines Sünders und Mörders auf sich genommen, - ja, nicht nur die eines, sondern die aller Sünder und Mörder insgesamt. Denn wir sind alle Sünder und Mörder vor Gott. Darum hat Er vor Gott das sein müssen, was wir sind, nämlich Sünder, Mörder und Missetäter, wie geschrieben steht: ,,Den, der von keiner Sünde wußte, hat Gott für uns zur Sünde gemacht."

Auf diese Weise wurde Christus der allergrößte Sünder vor Gott, desgleichen nicht auf Erden erschienen war. Denn, indem Er ein Opfer für die Sünden der ganzen Welt wurde, ist Er jetzt vor Gott nicht unschuldig und ohne Sünde, wie der Sohn Gottes in der Herrlichkeit, sondern Er ist ein Sünder, ,,eine kleine Zeit von Gott verlassen" (Ps. 8, 6). Er trägt auf Seinem Rücken die Sünde eines Paulus, der ein Gotteslästerer, Verfolger und Frevler war, eines Petrus, der Christus verleugnet hat, eines David, der ein Ehebrecher und Mörder war, ja, meine und deine und der ganzen Welt Sünde. Denn alle Sünden, die ich, du und wir allesamt getan haben und noch täglich tun, sind mit solcher Kraft und so göttlichem Ernst auf Christus, das Lamm Gottes, gelegt, als hätte Er selbst sie getan, - ja, so wirklich sind sie Christi eigene Sünden. Wahrlich, entweder müssen unsere Sünden Christi eigene Sünden sein, oder wir müssen ewig verloren gehen.

Christus hat so ganz und gar unsere Sünden auf sich genommen, als hätte Er selbst sie getan. Dagegen geschah alles das, was Er tat und litt, so ganz und gar an unserer Statt, als hätten wir es selbst getan; das meinte Paulus, als er sagte: ,,Den, der von keiner Sünde wußte, hat Gott für uns zur Sünde gemacht, auf daß wir Gottes Gerechtigkeit würden in Ihm." Und abermals in dem gleichen Kapitel: ,,Sintemal wir halten, daß, so Einer für alle gestorben ist, so sind sie alle gestorben." Daraus können wir sehen, was die Worte ,,für uns" enthalten, wenn er sagt: ,,Christus ward ein Fluch für uns." Christus hat aus unaussprechlicher Barmherzigkeit und kraft des Vaters ewigen Versöhnungsratschlusses einen höchst gnadenreichen Tausch mit uns gemacht. Was wir hatten, die Sünde, den Fluch und den Tod, das nahm Er auf sich; und was Er hatte, was uns aber fehlte, nämlich die Gerechtigkeit, das Leben und die Seligkeit, das schenkte Er uns. Es kostete den lieben Herrn ganz gewiß sehr viel Überwindung und Tränen, ja, Schweiß und Blut, als Er ein Fluch wurde; aber es mußte ja geschehen, und Er führte es herrlich hinaus.

Nun sagt der Apostel, daß Christus dadurch wirklich ,,uns erlöst hat vom Fluch des Gesetzes". Er sagt nicht: ,,Er wird uns erlösen", z. B. wenn wir recht fromm, gläubig und geheiligt geworden sind; nein, er sagt: ,,Er hat uns erlöst - an dem Tage und in den Stunden, da Er ward ein Fluch für uns." Hier haben wir die Erklärung dafür, weshalb auch die größten Sünder, wenn sie zu Jesus kamen, Gnade zu suchen und für ihr ganzes Leben Sein eigen zu werden, sogleich Gnade empfingen und so aufgenommen wurden, als gäbe es kein Gesetz, als hätten sie nie gesündigt. Und hier liegt auch die Ursache, weshalb wir alle durch ein solches Kommen zu Jesus sofort gerecht und selig werden, sobald wir die uns geschenkte ewige Gerechtigkeit, die bereitgestanden hat und noch bereitsteht und auf uns wartet, durch den Glauben annehmen wollen.

Das Wort, das Gott und bei Gott war, Ward Fleisch und trat an uns're Stelle, Nahm auf sich Zorn und Tod'sgefahr, Ja, schmeckte für uns Tod und Hölle! Und dadurch sind wir losgekauft Und insgesamt mit Gott versöhnet; Auch der, der selbst ins Unglück lauft, Der Christum flieht, ja, gar verhöhnet. Gott sieht uns anders an, Als Er zuvor getan, Seitdem Sein Sohn am Kreuz gehangen: Wer nun zu dem sich kehrt Und's Herz Ihm nicht verwehrt, Der soll's verheiß'ne Heil empfangen.