Gal 3,5
C.O.Rosenius
Der euch den Geist reicht . . tut Er es durch des Gesetzes
Werke oder durch die Predigt vom Glauben? Gal. 3, 5.
Viele reden, denken und träumen von der Heiligung und von dem
Geist, wissen aber nicht, worin sein Werk besteht; es ist
ihnen nur Traum und Ahnung, keine wirkliche Tatsache.
Dagegen sagt die Schrift eindeutig, worin sie besteht.
Paulus sagt: ,,Die Frucht des Geistes ist Liebe, Freude,
Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit."
Die erste Frucht des Geistes ist also die Liebe. Sie ist
auch die einzig richtige Quelle aller Heiligung und aller
guten Werke. Kann man jemals durch Vorsatz, Ernst, Gebote
oder Gesetze oder durch Kampf und Streit sich Liebe
verschaffen? Ist es nicht eine allgemeine Regel, daß niemand
über die Liebe befehlen kann? Was ich liebe, das liebe ich,
auch wenn Gott es verbietet. Wie soll ich dann aber Liebe
zu Gott empfangen? Jesus erklärt dies bei Luk. 7: ,,Diese
Liebe entsteht nur durch Gottes Vergeben der Sünden und durch
die Annahme dieser Barmherzigkeit Gottes. Wem viel vergeben
wird, der liebt viel, wem weniger vergeben wird, der
liebt weniger. Ein Mann hatte zwei Schuldner. Einer war
fünfhundert Groschen schuldig, der andere fünfzig. Da sie
aber nicht hatten zu bezahlen, schenkte er es beiden. Sage
an, welcher unter ihnen wird ihn am meisten lieben?" Als der
Pharisäer Simon erkannte, daß derjenige am meisten liebte,
dem am meisten geschenkt wurde, macht Jesus die Anwendung:
,,Du, Simon, hast so viel Frömmigkeit, daß du Mich nicht wie
die anderen Pharisäer verschmäht, sondern Mich sogar zu
deinem Tische geladen hast; aber diese Frau, diese große
Sünderin, netzt Meine Füße mit Tränen der Liebe und trocknet
sie mit den Haaren ihres Hauptes und kann nicht damit
aufhören, Meine Füße zu küssen. Du dagegen hast nicht einmal
Meinen Mund geküßt und Mir nicht einmal Wasser gegeben, Meine
Füße zu waschen. Obwohl sie eine große Sünden ist und du ein
großer Heiliger sein willst, so hat doch sie den Geist und
du hast ihn nicht.
Sie hat die Früchte des Geistes, aber du hast des Gesetzes
Werke. Also ist sie eine wahre Heilige und du ein falscher
Heiliger. - Kurz: Wem mehr vergeben wird, der liebt mehr.
Dies ist darum auch die einzige Weise, Liebe in den Herzen
der Kinder Adams zu entzünden, daß ,,Ich ihnen alles vergebe,
was sie getan haben; dann lieben sie Mich." Das war der Sinn
der Rede Jesu von der Entstehung der Liebe.
Ebenso ist es mit den übrigen Früchten des Geistes bewandt.
Der Apostel nannte ferner Freude und Frieden. Kann man durch
Gesetze und Gebote oder durch Zwang zur Freude gebracht,
wirklich froh gemacht werden? Nein, sich in Gott freuen,
sich über den Heiland freuen, dazu kann sich kein Mensch
zwingen. Einen wirklichen Frieden in Gott, eine innere
Freudigkeit des Herzens mit anderen Früchten des Geistes kann
kein Mensch sich selbst nehmen. Alles, was eigentlich das
Werk des Geistes ist, wird nur dadurch empfangen, daß ich,
während ich noch nicht heilig geworden bin, als ein Sünder
begnadigt und von der Liebe des Heilandes und von Seiner
Vergebung ergriffen werde, wie die Sünderin ergriffen wurde.
Dann erst empfange ich die Liebe und andere Früchte des
Geistes.
Aber hier denken viele: ,,Gewiß glaube ich an Jesus, wer
würde das nicht tun?! Wohl glaubt man, eher mangelt es am
Wandel." Diese beweisen mit ihrer Rede, daß sie nicht wissen,
was der Glaube an Christus besagen will. Sie meinen, daß sie
an Ihn glauben, wenn sie alles für wahr halten, was von Ihm
geschrieben steht, ja, wenn sie auch alles, was Er für uns
getan hat, für wohlgetan ansehen, so daß es nicht nötig ist,
mehr daran zu denken. Dagegen haben sie ihre ganze Sorge auf
sich selbst gerichtet und haben darin Trost, wenn alles wohl
und richtig mit dem Wandel geht. Wenn sie sich aber etwas
schwerer versündigt haben, fliehen sie zu ihrer Reue, ihrem
Gebet und ihrer Besserung, um dadurch Gnade und Frieden mit
Gott zu erhalten. Aber glauben sie da nicht an sich selbst,
auch wenn die Erkenntnis und das Bekenntnis dem Worte gemäß
sind? Wer wirklich an Jesus glaubt, hat seine ganze
Aufmerksamkeit auf Ihn gerichtet, hat seine Sorge und seine
Freude an Ihn geknüpft, blickt auf Ihn und hat seinen
alleinigen Trost in Ihm. Denn ein rechter Christ ist mit
sich und seiner eigenen Arbeit zuschanden geworden, hat darum
auch gelernt, dieselbe für Elend und Tand anzusehen und hat
jetzt alles in Christus, sowohl seine Gerechtigkeit als auch
seine Heiligung. Ein solcher bekennt: ,,Gewiß scheint es mir
auch, daß ich selbst mehr arbeiten und nicht so viel glauben
sollte, ja, ich fürchte zuweilen, daß ich zuviel glaube und
wieder unter das Gesetz müßte, um ernster und dadurch frömmer
zu werden. Wenn ich aber aufs neue meiner Erfahrung gedenke,
dann zeugt diese von demselben, was die Schrift sagt. Denn
solange ich mit des Gesetzes Werken umging, war ich in der
Tiefe meines Herzens kalt gegen Gott und hatte keine innere
Lust und Liebe zu Ihm und Seinen Wegen. Zudem verblieb ich
immer als Sklave unter gewissen Sünden und wurde inwendig
von einer verzehrenden Unruhe geplagt. Als ich hingegen den
Heiland kennenlernte und Seine Gnade sowie die Zusage der
Vergebung der Sünden glauben konnte, erhielt ich sofort eine
wunderbare Lust und Kraft zum Guten, einen warmen Geist, eine
Liebe und Lust, die alles leicht machte, so daß das, was mir
zuvor schwer war, jetzt gleichsam wie von selbst ging. -
Und alles dies geschieht noch immer. Wenn ich in einen
gesetzlichen Sinn gefangen werde, bin ich kalt und schwach.
Wenn ich dagegen Frieden in Christus erhalte, empfange ich
wieder neue Lust und Kraft zum Guten. So ist die Erfahrung
eines Christen, und sie stimmt mit der Schrift überein. Der
fromme Sinn und Geist, der nicht auf diesem von der Schrift
gelehrten Wege entsteht, ist nicht der wahre.