Galaterbrief

Gal 2,19 C.H.Spurgeon ,,Ich bin mit Christo gekreuzigt." Gal. 2, 19.

Der Herr Jesus Christus handelte in allem, was Er tat, als ein großer, öffentlicher Stellvertreter, und sein Tod am Kreuze war nach der Wirkung ein Sterben seines ganzen Volkes. Darum haben in Ihm alle seine Heiligen der Gerechtigkeit alle schuldige Genüge geleistet, und der göttlichen Rache für alle ihre Sünden die Sühne dargebracht. Der Apostel der Heiden fühlte sich selig in dem Gedanken, daß er als einer aus der auserwählten Schar Christi in Christo am Kreuze starb. Das war bei ihm kein bloßer Glaubenssatz, sondern er setzte sein ganzes Vertrauen darein und ruhte mit seiner Hoffnung darauf. Er glaubte, daß er durch das Verdienst des Todes Christi der göttlichen Gerechtigkeit volle Genüge geleistet und die Versöhnung mit Gott gefunden habe. Geliebte, wie ist es doch etwas Köstliches, wenn sich die Seele gleichsam aufs Kreuz Christi ausstrecken und sagen darf: ,,Ich bin tot, das Gesetz hat mich getötet, und darum bin ich nun von seiner Macht erlöst, weil ich in meinem Bürgen den Fluch getragen habe, und weil in der Person meines Stellvertreters alles, was das Gesetz an mir zu fordern hatte und wodurch ich der Verdammnis verfallen war, an mir erfüllt wurde, denn ,,ich bin mit Christo gekreuzigt." Aber der Apostel Paulus meinte mehr als das. Er glaubte nicht nur an Christi Tod und baute darauf, sondern er fühlte seines Todes Macht an ihm selber darin, daß zugleich seine alte sündliche Natur mit gekreuzigt ward. Wenn er die Lust der Sünde betrachtete, sprach er: ,,Ich kann sie nicht genießen, ich bin ihr abgestorben." Das ist die Erfahrung jedes wahren Christen. Wenn er Christum in sich aufgenommen hat, so ist er für diese Welt gänzlich abgestorben. Aber obgleich er weiß, daß er für diese Welt tot ist, kann er doch mit dem Apostel ausrufen: ,,Ich lebe aber." Er ist voller Leben für Gott und aus Gott. Des Christen Leben ist ein unvergleichliches Rätsel. Kein Weltkind kann es begreifen; sogar der Gläubige selber kann es nicht fassen. Tot, und doch lebendig! Mit Christo gekreuzigt, und dennoch zugleich auferstanden mit Christo zur Verneuerung des Lebens! Eins mit dem leidenden, blutenden Christus, und tot für Welt und Sünde, das sind köstliche Dinge. Ach, daß ich sie noch lebhafter und tiefer empfände!





S.Keller Gal. 2, 19: «Ich hin mit Christo gekreuzigt.»

Man kann von unweisen Eiferern oft die Mahnung hören: ,,Kreuzige dich selbst!" Manchen klingt das fromm. Es ist aber ein Mißverständnis: nicht wir sollen jetzt Martern für unseren Leib oder Qualen für unsere Seele ersinnen, sondern wir sollen eine Tatsache glauben. Als Christus gekreuzigt wurde, da ist mein sündiges, begehrendes Ich schon mitgerichtet und gekreuzigt worden. So wahr ich an das Leben Jesu in mir glaube, so wahr ist sein Tod mein Tod. Haltet euch dafür, daß ihr der Sünde gestorben seid. Im Glauben an diese Tatsache wird die Hilfe lebendig und zu einer Erfahrung meines Geistes: bei jeder klar bewußten Sündenversuchung glaube ich an den rechtmäßigen Tod meiner Sündenlust. Es ist, als ob ich im Zusammenhang mit Jesus sagen könnte: ,,Sünde sei stille! Du bist tot! Es ist abgemacht, daß du für jeden, der in Christo Jesu ist, tot bist." Wir müssen solche Freiheit von der Sünde im Glauben an das Kreuz nur ehrlich in Anspruch nehmen. Dann wird sich die Erfahrung davon einstellen, daß jene alte Tatsache eine täglich neue Kraft zu entwickeln imstande ist.

Herr Jesu, lehre deine Kinder, sich für der Sünde Abgestorbene zu halten, damit wir dir leben können. Stärke uns den Glauben an das, was in und durch dich schon geschehen ist, damit in der Kraft solchen Glaubens neue Siege erfochten werden können zu deiner Ehre. Amen.





C.O.Rosenius Ich bin mit Christus gekreuzigt. Gal. 2, 19.

Alles, was zum Fleisch gehört, ist nicht nur zum Tode verurteilt, sondern durch die Vereinigung mit Christus wirklich auch gekreuzigt. Jemand meint, bekehrt und gläubig zu sein, er hat auch wirklich angefangen, anders zu leben, er übt das Wort und einige christliche Werke, aber er lebt noch im Geiz oder in der Hoffart, in der Wollust oder im Haß. - Oder er weiß sogar, daß es Sünde ist, rühmt sich aber seiner Freiheit und fährt in seiner Schoßsünde fort; ja, er verteidigt sie und huldigt ihr. - Ein solcher betrügt sich selbst und belügt seine Seele, wenn er von seinem Glauben und inneren Frieden redet. Auch wenn jemand ein wahrer Christ geworden ist und wirklich im Geist angefangen hat, dabei aber nicht fortwährend die Kreuzigung des Fleisches übt, sondern aufs neue seinen Lüsten die Freiheit gegeben hat und aufs neue seiner Sünde huldigt und sie verteidigt, hat er im Fleisch vollendet. Der Glaube, der Friede mit Gott und ein gutes Gewissen können nicht neben einer einzigen freigeübten Sünde bestehen. ,,Wo ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben müssen; wo ihr aber durch den Geist des Fleisches Geschäfte tötet, so werdet ihr leben." Mit diesen Worten verkündet der Apostel ein bestimmtes Urteil. Er zeigt, daß die Tötung des Fleisches nicht eine Sache ist, die zu tun oder zu lassen in unserer Freiheit steht. Sofern wir das Leben behalten und nicht ewig verlorengehen wollen, müssen wir dieselbe unbedingt üben. Sobald wir zu Christus gekommen sind, müssen wir unverzüglich von dem alten Sündenleben Abschied nehmen und ein neues Leben nach Christus beginnen und dürfen uns nie mehr davon ab- und wieder dem Sündendienste zuwenden.

Es ist ganz merkwürdig zu betrachten, wie es sich bei einem Christen in Wirklichkeit beweist, daß der alte Mensch mit Christus gekreuzigt ist. Wie es ihm unter der Wanderung auch gehen mag, ob besser oder schlechter, so wird sein alter Mensch getötet werden, solange der Geist in ihm wohnt und arbeitet. Als Petrus seinem Meister getreu folgte, wurde der alte Jude täglich in ihm getötet, er wurde immer mehr von seinem früheren Wesen zur Ähnlichkeit mit seinem Herrn Christus verwandelt. Und als er einmal aus Vermessenheit aufgeblasen und daher der Sichtung des Satans überlassen wurde, als er fiel und seinen Heiland verleugnete, da weinte er bitterlich wie ein gezüchtigtes Kind; da wurden seine Eigenliebe und seine Vermessenheit getötet. Als er dann vor dem Rat in Jerusalem fest auf der Wahrheit bestand und Christus bekannte, wurde er gegeißelt; da starb er der Welt, da wurde auch das Fleisch getötet. Als er aber danach in Antiochien aus Menschenfurcht ,,heuchelte", erhielt er eine scharfe Bestrafung durch Paulus. - Wie es dem lieben Petrus auch erging, er wurde gezüchtigt und getötet.

Solange ein Christ rechtschaffen ist und seinem Heiland folgt, wird er getötet werden; denn es ist jetzt dahin gekommen, daß die Sünde seine größte Plage ist. - Bin ich reich und dadurch in der Versuchung, mir auf Erden ein Paradies zu bereiten, und fange ich an, das Fleisch zu nähren und weltlich zu leben, dann erhalte ich durch den Geist die stärksten Schläge, werde vor meinem Reichtum und Wohlleben bange und leide darunter mehr, als wenn ich arm wäre. Geht es nicht so, sondern fange ich an, dem Fleische zu huldigen und zu folgen, und mache ich mir gute Tage in der Sinnlichkeit, so führt dies zum eigentlichen Tod. Bin ich arm und leide ich an irdischem Mangel, halte mich aber an den Herrn, dann sterbe ich der Welt an jedem Tage. Bin ich im Geistlichen wirksam und begabt, habe ich Alter und Erfahrung in der Gnade, Licht und Gaben, mehr als die Brüder, und will ich daher Ehre und Ansehen genießen - wehe, das ist Gift! Das fühlt der Geist und mir wird jetzt bange wie vor der Hölle. Bin ich im Gebet und im Kampf gegen die Sünde treu und wachsam, will ich sowohl der Sünde als auch der Ehre entsagen, und will ich ernstlich der Geringste sein, - freue mich aber darüber und habe ein geheimes Vergnügen an meinem Ernste, - wehe, das ist die Hölle! Uns müßte angst und bange davor werden! Gebe ich mir dann aber im Gegenteil mehr Freiheit, fleischliche Freiheit, da ja alles Gute mich stolz machen kann, so daß ich nun versäume, zu wachen, zu beten und das zu wirken, was gut ist, dann gerate ich geradezu aus der Asche ins Feuer; dann fühle ich meine Schuld und mein Urteil ganz bestimmt! Und werde ich dann durch die Bestrafung aufrührerisch gegen das Evangelium, schlage ich allen Trost von mir und spreche: Ich bin kein Christ, ich darf keine Gnade annehmen; sieh, dann tobt das Fleisch wieder durch den Unglauben; dann erhalte ich keine Ruhe, bevor ich mich nicht zu einem demütigen Annehmen der Gnade, nämlich der Gnade als eitel Gnade züchtigen lasse. -So sehen wir, daß, wie es einem Christen auch geht, er getötet werden soll. Das heißt, mit Christus gekreuzigt sein.

Hier sagst du nun: ,,Was ist das? Soll ich denn von allen Seiten gestraft und gezüchtigt werden? Was soll ich denn tun? Soll ich in nichts Ruhe haben dürfen?" Die Antwort kann nur lauten: Ja, aber nur in einem einzigen Punkt - im Herrn! ,,Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn!" Wer Ruhe und Freude haben will, der habe sie im Herrn, in Seiner Gerechtigkeit, Güte und Treue. Alle anderen Freuden, allen anderen Ruhm bestraft der Geist sowie das offenbarte Wort. - Ja, so ist das gekreuzigte Leben. Bin ich ruhig am Kreuz, so leide und sterbe ich; bin ich aber nicht ruhig, sondern winde und krümme mich, dann leide ich um so mehr. Hier ist nichts besser, als dem Geist untertan zu sein, auf Jesus zu blicken und nach dem zu trachten, was droben ist! Das verleihe uns der Herr!





C.O.Rosenius Ich bin durch das Gesetz dem Gesetz gestorben. Gal. 2, 19.

Diese Worte enthalten das Geheimnis unserer Freiheit vom Gesetz. So heißt es auch in Röm. 7: ,,Also seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz getötet", ,,ihm abgestorben, das uns gefangenhielt." In dem gleichen Kapitel zeigt der Apostel, wie das zugeht und was es bedeutet, durch das Gesetz dem Gesetz getötet zu werden. Er sagt: ,,Ich lebte früher ohne Gesetz. Da aber das Gebot kam, ward die Sünde wieder lebendig; ich aber starb. Denn die Sünde nahm Ursache am Gebot und betrog mich durch dasselbe Gebot." Wenn du der Frage auf den Grund gehst, was solche Worte bedeuten, dann wirst du ein tröstliches Licht finden. Welchen Tod meint der Apostel hier, wenn er in diesem Zusammenhang sagt: ,,Ich aber starb", ,,starb durch das Gesetz"? Der Katechismus erwähnt dreierlei Tod: den leiblichen, den geistlichen und den ewigen. Hier aber wird noch ein vierter Tod genannt. Denn geistlich tot war der Apostel ja schon, bevor das Gebot kam. Was meint er nun hier mit dem Wort ,,starb"? Die es erfahren haben, die wissen es; und andere glauben es nicht.

Wenn das Gesetz den Menschen recht trifft und wenn die heiligen Augen Gottes anfangen, die Gedanken und Begierden seines Herzens zu verfolgen, dann stirbt er. Und je ernstlicher er angegriffen wird, desto eher stirbt er. Es war der alte Pharisäer Saulus, der getötet wurde, bevor aus ihm ein Paulus werden konnte. Jakobs Hüfte mußte in dem nächtlichen Kampf mit dem Unbekannten verrenkt werden, bevor er sagen konnte: ,,Ich habe Gott von Angesicht gesehen, und meine Seele ist genesen." Erst dann erhielt er einen neuen Namen; seit der Zeit ging er nicht mehr aufrecht. Nimm darum die Worte des Apostels, wie sie lauten, dann merkst du, wer da starb. Er sagt: ,,Ich starb." Es war sein Ich, sein selbstwirkendes, selbstgerechtes, selbstheiliges Ich, das im Streit mit der Sünde unter dem Gesetz zu Boden sank. Das Gesetz spornte den Streit mit unausgesetztem Treiben, mit Forderungen und Bemerkungen an; die tiefe Einbildung von der eigenen Kraft, die die Seele im alten Menschen ist, unterhielt eine zähe Hoffnung auf Erfolg in solchem Streit. Alles aber trug dazu bei, ihn nur um so mehr zu ermatten und zu töten, so daß er schreibt: ,,Die Sünde betrog mich und tötete mich durch dasselbe Gebot." Jetzt ist sie gebrochen, die alte Einbildung von der eigenen Kraft und vom Vermögen des Gesetzes, den Menschen fromm und heilig zu machen; jetzt liegt der Mensch da, verloren, hilflos, ohnmächtig, ja, ,,tot".

Wird nun aber Gottes ewiger Versöhnungsratschluß, wird Christus mit Seinem tätigen und leidenden Verdienst der ermatteten Seele erklärt, die nun an aller eigenen Arbeit, an ihrem Willen und Vermögen, an ihrem Gebet, ihrer Buße, ja, an allem, was in ihr ist, verzweifelt, dann zieht es sie zu Ihm hin, so wie sie ist, so lahm, so gebrechlich und aller Gnade Gottes so unwürdig, daß sie vor Scham zu Boden sinkt. Dann sinkt sie in die Arme des Bräutigams, ,,daß sie eines anderen sei, nämlich dessen, der von den Toten auferweckt ist." Siehe, dann erhält sie auf einmal die ganze Erfüllung des Gesetzes in Ihm, der ,,des Gesetzes Ende ist; wer an den glaubt, der ist gerecht". Jetzt lebt die Braut nur von Seiner Gerechtigkeit und von Seiner Fürsorge in allen Dingen und spricht: ,,Ich sitze unter dem Schatten, dessen ich begehre; die Liebe ist Sein Panier über mir." Eine solche Seele ist jetzt vom Gesetz befreit, wie der Apostel so ausdrücklich erklärt: ,,Also ist das Gesetz unser Zuchtmeister gewesen auf Christus, daß wir durch den Glauben gerecht würden. Nun aber der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter dem Zuchtmeister."

Zwar kommt die Einbildung von der eigenen Kraft noch tausendmal wieder - gewöhnlich unter der feineren Form, daß ich durch mein Gebet und durch die Kraft Gottes so und so viel sein und tun kann und soll - und verrät sich als adamitische Einbildung dadurch, daß ich, ich und nicht Christus, der Mittelpunkt aller meiner Gedanken werde. Aber dann werde ich wieder aufs neue erschöpft und getötet, bis ich wiederum zu den Füßen meines Heilandes hinsinken muß und Ihn mein Alles sein lasse. Und solange dieses fortfährt, daß ich beständig aufs neue zu Christus zurückgeführt werde, bin ich nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade.

Hieraus kannst du nun auch verstehen, wer die sind, die nicht unter der Gnade, sondern unter dem Gesetz sind. Es sind diejenigen, die dem Gesetz noch nicht getötet sind, sondern die ihre Hoffnung und ihre Zuversicht noch auf das Gesetz, auf ihre Arbeit, ihr Gebet behalten haben. Sie sind nicht so verloren und an ihrer Arbeit verzweifelt, daß sie genötigt werden, sich zu ergeben, sich auf bloße Gnade hin als verloren zu ergeben. Sie streben also mit Vorsatz und in voller Meinung durch die genannte Arbeit nach dem Sieg. Sind sie dabei über sich selbst niedergeschlagener, dann können sie ,,dem Reich Gottes ganz nahe sein". Es ist eben nur notwendig, daß sie an ihren Versuchen verzweifeln und dann einen Augenblick Jesus zu sehen bekommen, weiß und rot - d.h., daß Er ihnen in einer seligen Stunde verklärt wird. Folgen aber mit dieser Arbeit noch viel Trost und Selbstzufriedenheit, sind Glaube und Bekenntnis von Christus nur ein Teil der eigenen Gerechtigkeit, ist der Glaube nicht die Zuflucht eines notleidenden und verlorenen Sünders zum Versöhner, sondern ein neuer, schönerer Lappen auf dem alten Kleid, dann ist man der wahren Gnade entfernter.

Du kannst's nicht selber besser machen, Dein Selbstversprechen ist nur Sand; Verzag' an allen deinen Sachen Und wirf dich unter Seine Hand, Als völlig tot und völlig blind, Kurz, als ein ganz verlor'nes Kind.