2Kor 13,11
C.O.Rosenius
Habt einerlei Sinn! 2. Kor. 13, 11.
Der Apostel ermahnt hier zur Eintracht und Demut im
menschlichen Zusammenleben. Wenn nun aber jemand meinen
sollte, daß Eintracht und Demut in gewöhnlichen irdischen
Dingen für die Ermahnung eines Apostels und für die
Betrachtung erleuchteter Christen kein genügend wichtiger
Gegenstand sei, dann dürften wir im Leben bald etwas anderes
erfahren, wenn wir nämlich wegen mangelnder Demut und
Eintracht uns und andere in schwere Versuchungen führen und
über Jesu Namen Schmach bringen. Darum hat nicht einmal der
Herr Christus es für zu gering erachtet, in Seinen Predigten
von Demut und Fügsamkeit zu reden, indem Er z. B. in Seiner
Bergpredigt sagt: ,,Selig sind die Sanftmütigen, denn Sie
werden das Erdreich besitzen", oder wenn Er bei Luk. 14
lehrt, daß man bei Tische nicht nach dem ersten Platz
trachten dürfe. Wir sollen bedenken, daß das wahre
Christentum die Kinder Gottes in allen Dingen geschickt und
glücklich machen und Sie im Leben in die Tiefe führen will,
so daß wir uns nicht nur in hohen Betrachtungen aufhalten und
im Leben alles das vergessen sollen, was wir gelernt haben,
sondern daß wir im Gegenteil nachdenken müssen, ,,was
wahrhaftig ist, was ehrbar, was lieblich ist, was wohl
lautet."
Mit dieser Ermahnung will der Apostel sagen: Ein Christ soll
in seinem Lebenswandel nicht eigensinnig und selbstisch sein,
so daß er alles nach seinem eigenen Kopf haben will, sondern
er muß auch die Überlegungen, das Dafürhalten oder die Weise
anderer etwas gelten lassen, wenn sie nicht bestimmt gegen
das Wort und den Willen Gottes streiten. Der Apostel spricht
hier gegen eine sehr tiefe Neigung in unser aller Natur,
nämlich gegen den Eigensinn und die Selbstklugheit. Schon
bei kleinen Kindern finden wir, sobald sie zu reden anfangen,
die Neigung zu Streit und Eigensinn. Ferner sehen wir im
ganzen menschlichen Leben, wie es überall nach dem Sprichwort
geht: ,,Viele Köpfe, viele Sinne." Ein jeder meint, daß sein
Verstand und seine Weise immer am besten seien. Wenn wir
nun unserer Natur folgen und beständig für unser eigenes
Gutdünken streiten wollen, dann müssen ja daraus Streit und
Uneinigkeit folgen. Darum ist es eine besondere Gnade und
Weisheit, wenn ein Christ auch in diesem Fall sich belehren
läßt und sich zeitig daran gewöhnt, anderen nachzugeben und
lieber seiner eigenen Meinung und seinem Verstand zu
mißtrauen, als immer für dieselben zu streiten.
Dies ist die allgemeine Lehre, die der Apostel uns hier hat
geben wollen. Ist die geschilderte Neigung zum Eigensinn
aber so tief mit unserer Natur verwachsen, wie wir jetzt
gesehen haben, dann müssen wir darauf gefaßt sein, daß Sie
sich auch in geistlichen Dingen geltend machen will. Darum
ist es wohl wert, daß wir uns immer wieder die vielen
Ermahnungen zu geistlicher Eintracht einprägen, die wir
in den Briefen der Apostel finden. Von dieser geistlichen
Eintracht lehrt unser Apostel aber, daß, wenn wir auch nicht
in jeder Frage das gleiche Verständnis haben können - was
nicht leicht geschehen kann, solange ,,wir es stückweise
erkennen und unser Weissagen Stückwerk ist" - wir doch
,,fleißig sein müssen, zu halten die Einigkeit im Geist durch
das Band des Friedens", d. h. mit einem festen Band des
Friedens, der Friedfertigkeit und der Liebe die Einigkeit
festhalten, die der Geist bewirkt hat, zumal da wir doch alle
die größten und wichtigsten Dinge gleich und gemeinsam haben,
wir, die wir in Christus ,,ein Leib und ein Geist" sind.
Diese Einigkeit im Geist und in der Rede ist sehr wichtig.
Denn wer ein klareres Urteil als alle anderen zu haben wähnt
und wegen seines Verständnisses Unruhe und Zwiespalt unter
denen hervorruft, die in Christus schon selig und vereinigt
sind, richtet damit ein viel größeres Unheil an, als wenn er
sein Licht für sich behalten hätte. Aus Röm. 14 lernen wir:
Wenn es auch die Wahrheit wäre, für die du streitest, dies
aber in solcher Weise geschähe, daß du die Kinder Gottes aus
,,der Einfältigkeit in Christus verrücktest", du dann, wie
der Apostel sagt, ein solches Werk getan hast, daß du ,,die
verderbt hast, um welcher willen Christus gestorben ist", daß
also ,,über deiner Erkenntnis der schwache Bruder umkommt."
Die geistliche Eintracht und das Verbleiben der Gläubigen
in der Einfältigkeit in Christus sind darum so wichtige
Umstände, daß du lieber dein ganzes Leben lang schweigen und
,,deinen Glauben bei dir selbst vor Gott haben" solltest,
als diese zu zerstören. Die Gefahren der Zerstörung der
Eintracht sind weit größer und geheimnisvoller als wir
meinen; und dies ist die Ursache, weshalb die Apostel uns so
viele und ernste Ermahnungen in dieser Sache gegeben haben,
Ermahnungen wie diese: ,,Ich ermahne euch, liebe Brüder,
durch den Namen unseres Herrn Jesus Christus, daß ihr
allzumal einerlei Rede führt und laßt nicht Spaltungen unter
euch sein," oder wie jene andere: ,,Habt einerlei Sinn, seid
friedsam, so wird der Gott der Liebe und des Friedens mit
euch sein."
Herr, laß doch alle Ding,
In Lieb' allein geschehen,
Ich bitt' und flehe drum;
Erhör' mein armes Flehen.
Denn ich bin von Natur
Von aller Liebe leer;
Drum flöß ein Tröpflein ein
Aus Deinem Liebesmeer.