1Kor 13,2
C.O.Rosenius
Wenn ich weissagen könnte und wüßte alle Geheimnisse und
alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, also daß ich Berge
versetzte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts.
1. Kor. 13, 2.
Es ist ein betrübender Anblick: Während eine gewisse
Selbstgerechtigkeit unsere Liebe und ihre Beweisung zum
Seligkeitsweg machen will, sehen wir auf der anderen Seite,
wie Christen, die die Hauptwahrweit gelernt haben, daß wir
ohne Verdienst, allein durch den Glauben an Christus gerecht
werden und durch diesen Glauben auch die neue himmlische
Liebe erhalten, nach einiger Zeit wieder anfangen, so kalt
und tot und nachlässig im Beweisen der Liebe werden, daß sie
jetzt nur ,,sich selbst" zu leben scheinen. Sie trösten sich
wegen dieses Mangels auch sehr leicht und führen an, daß wir
doch allein aus Gnaden durch den Glauben selig werden, so als
ob wir durch einen Glauben, der keine Liebe bewirkt, selig
würden. Vor allem gegen diesen unglücklichen Betrug sollen
wir oft und ernstlich bedenken, was das Wort des Herrn in
dieser Frage lehrt.
Wahr ist es: Wir werden gerecht allein aus Gottes Gnade
durch den Glauben an die Liebe, mit der Gott uns in Christus
geliebt hat, und nicht durch irgendeine Liebe bei uns. Es
ist aber nicht wahr, daß wir durch einen Glauben gerecht
werden, der keine Liebe bewirkt. Der Apostel sagt: ,,Wenn
ich allen Glauben hätte, also daß ich Berge versetzte, und
hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts." Luther sagt: ,,Es
ist ebenso unmöglich, daß der lebendige Glaube ohne Liebe
sein kann, wie daß das Feuer ohne Wärme sein kann." Wenn also
in der Schrift gelehrt wird, daß wir allein durch den Glauben
gerecht werden, dann ist nur der Glaube gemeint, der das Herz
lebendig und warm in der Liebe macht. Der Herr Jesus
spricht:
,,Dabei wird jedermann erkennen, daß ihr Meine Jünger seid,
so ihr Liebe untereinander habt." Und Johannes wiederholt in
seinem ersten Brief immer wieder, daß wir gerade durch die
Liebe ,,erkennen, daß wir aus der Wahrheit sind", wissen, daß
wir Gottes Kinder sind", daß wir ,,von Gott geboren sind".
Sind wir einmal zum Glauben gekommen, so sind wir auch dessen
eingedenk, daß wir damals eine neue, brennende Liebe in
unserem Herzen empfingen, nicht nur zu dem gnädigen Gott,
der uns alle unsere Sünden vergab, sondern auch zu unseren
Nächsten. Es war nicht nur eine ,,brüderliche Liebe" zu
allen, die wir dafür ansahen, daß sie an Jesus glauben und
Ihn lieben, sondern auch eine ,,allgemeine Liebe", so daß wir
mit inniger Fürsorge an die Errettung und die Seligkeit aller
Menschen dachten. Hat diese heilige Liebe nun aufgehört, wie
steht es dann um unseren Glauben? Mag unsere Vertröstung
auch noch so ruhig und stark, mag unsere geistige Erleuchtung
auch noch so groß sein, so ist unser Glaube jetzt doch nur
ein totes Abbild dessen, was er einst war, da er nun keine
Liebe bewirkt.
Bedenke auch, welche großen und preiswürdigen Werke der Herr
Christus bei dem Engel der Gemeinde zu Ephesus fand, und doch
hielt Er die Tatsache, daß die Gemeinde die erste Liebe
verlassen hatte, für ein so bedenkliches Zeichen, ja, für
einen solchen ,,Abfall", daß, wenn bei ihr keine Bekehrung
geschähe, ihr Leuchter von seiner Stätte gestoßen werden
würde. ,,Ich weiß deine Werke", spricht der Herr, ,,und
deine Arbeit und deine Geduld, und daß du die Bösen nicht
tragen kannst, und hast versucht die, so da sagen, sie seien
Apostel und sind es nicht, und hast sie als Lügner erfunden;
du verträgst und hast Geduld, und um Meines Namens willen
arbeitest du und bist nicht müde geworden. Aber Ich habe
wider dich, daß du die erste Liebe verläßt. Gedenke, wovon
du gefallen bist, und tue Buße und tue die ersten Werke. -
Wo aber nicht, werde Ich dir bald kommen und deinen Leuchter
wegstoßen von seiner Stätte, wo du nicht Buße tust."
Wir finden hier, daß die Liebe noch eine besondere
Sache im Herzen ist und verloren sein kann unter einer
so preiswürdigen Wirksamkeit und unter so kräftigen,
christlichen Werken wie diejenigen, die Jesus hier aufzählt -
wenn du nämlich nicht mehr wegen deiner Sünden zu Seinen
Füßen liegst, vielmehr dich selbst für gut hältst und darum
auch nicht in der Liebe zu den Brüdern entzündet wirst. -
Daß auch bei den prächtigsten Werken diese Liebe fehlen kann,
zeigt der Apostel, indem er sagt: ,,Wenn ich mit Menschen-
und mit Engelszungen redete, und hätte der Liebe nicht, so
wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und,
wenn ich weissagen könnte und wüßte alle Geheimnisse ...,
wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib
brennen (wie der Märtyrer auf dem Scheiterhaufen), und hätte
der Liebe nicht, so wäre es mir nichts nütze." - Gewiß sollte
dieses Verhältnis uns dazu erwecken, vor den Augen des Herrn
zu bedenken, wie es mit unserer Liebe bestellt ist. Wir
sehen aus den Worten Christi und der Apostel, daß, wie immer
wir auch sind, was immer wir auch glauben oder tun, ohne jene
wirkliche Liebe im Herzen zu haben, die durch den Glauben und
durch die Gnade geboren wird, alles, alles nur falsch und ein
Betrug ist, wie christlich und herrlich es auch sein mag.
Möchten wir unser ganzes Leben lang dies im Gedächtnis
behalten und immer wieder neu bedenken!
Die Welt, die blinde, soll eure Liebe sehn;
Sonst ist geschwinde das Ärgernis gescheh'n.
Daran soll man die Jünger erkennen,
Daß sie recht herzlich in Liebe brennen.
J.MacArthur
"Und wenn ich Weissagung habe ... aber keine Liebe, so bin
ich nichts" (1. Kor. 13,2).
Die Liebe motivierte Gott, sich mit einer gefallenen
Menschheit einzulassen. Das muss auch unser Motiv sein.
Das Wort Weissagung, wie es in unserem Vers gebraucht wird,
ist die Fähigkeit, öffentlich Gottes Wahrheit richtig und
autoritativ zu sagen. Das ist eine größere Gabe als das
Zungenreden, weil letztes als Zeichen für das ungläubige
Israel während des ersten Jahrhunderts gegeben war (1. Kor.
14,21-22), während die Weissagung die Gläubigen aller
Jahrhunderte unterweist und erbaut. Paulus sagt: "Wer aber
weissagt, redet zu den Menschen [zur] Erbauung und Tröstung
... Wer aber weissagt, erbaut die Gemeinde" (1. Kor.
14,3-4).
Weissagung hat zwei Aspekte: Offenbarung und Wiederholung.
Wenn die Propheten des Alten oder Neuen Testaments eine neue
Information von Gott erhielten, so war das Offenbarung. So
oft aber diese Information in Predigt und Lehre wiedergegeben
wurde, handelt es sich um Wiederholung. So verbinden zum
Beispiel die Predigten des Petrus und des Paulus neue
Offenbarungen mit den Wiederholungen alttestamentlicher
Wahrheiten. Das ist ein häufiges Element neutestamentlicher
Predigten.
Mit dem Abschluss des neutestamentlichen Kanons hörten die
direkten Offenbarungen Gottes auf. Alle Predigt und Lehre
besteht heute aus Wiederholung. Neutestamentliche Propheten
wachten gegenseitig darüber, dass sie sicher waren, die
Weissagung wirklich von Gott erhalten zu haben (1. Kor.
14,32). Heute ist die Schrift selbst der Standard, an dem
wir die Botschaft eines Menschen messen, wie der Prophet
Jesaja sagt: "Hin zur Weisung und zur Offenbarung! Wenn sie
nicht nach diesem Wort sprechen, dann gibt es für sie keine
Morgenröte" (8,20).
Paulus sagt in unserem Vers: "Wenn ich Weissagung habe und
alle Geheimnisse und alle Erkenntnis weiß und wenn ich allen
Glauben habe, so dass ich Berge versetze, aber keine Liebe
habe, so bin ich nichts." Im weitesten Sinne gilt dieser
Grundsatz für alle Gläubigen, weil wir alle Gottes Wort
verkünden. Du magst nicht ein Seminar leiten oder eine
Predigt halten; aber immer, wenn du jemand von Christus
erzählst oder biblische Grundsätze vertrittst, wiederholst du
göttliche Wahrheiten. Darum musst du immer "Wahrheit reden
in Liebe" (Eph. 4,15). Dann kann der Heilige Geist deinen
Worten Kraft verleihen, um anderen damit zu dienen.
J.MacArthur
"Wenn ich Weissagung habe ... aber keine Liebe, so bin ich
nichts" (1. Kor. 13,2).
Liebe ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Lernprozesses.
Ich habe das Vorrecht, jede Woche mit Hunderten von jungen
Leuten zusammen zu sein, die das Master's College besuchen.
Wenn ich ihren Fortschritt beobachte, sehe ich den Einfluss,
den gottesfürchtige Lehrer auf ihr Leben gehabt haben, und
ich bin überzeugt, dass Schüler am besten lernen, wenn sie
wissen: Unsere Lehrer kümmern sich wirklich um uns.
Stimmt das nicht für jede Beziehung? Reagierst du nicht
bereitwilliger auf solche, die dich lieben und die dein
Bestes wollen? Ganz sicher gilt das für den Dienst in der
Gemeinde. Denke an die Pastoren und Lehrer, die dir im
Lauf des Lebens am meisten bedeutet haben. Es sind
höchstwahrscheinlich die, die dir Liebe entgegengebracht
und dir in besonderer Weise gedient haben.
Seist du nun Pastor, Lehrer, Familienmitglied oder Freund;
immer, wenn du von Gottes wegen zu Menschen sprichst, musst
du es mit echter Liebe und ganzem Ernst tun. Das ist die
positive Seite der negativen Aussage des Paulus in unserem
Vers. Jeremia war ein solcher Mann. Er liebte sein Volk
Israel sehr und war tief betrübt über dessen Gottlosigkeit
und über das hereinbrechende Gericht. "O dass mein Haupt
Wasser wäre und mein Auge eine Tränenquelle", sagt er, "dann
wollte ich Tag und Nacht die Erschlagenen der Tochter meines
Volks beweinen!" (Jer. 8,23). Das entspricht dem Geist
eines liebenden Propheten, und so klagte Jeremia immer wieder
über die Sünde seines Volkes.
Lieblose Predigt und Lehre stellt Gott in ein falsches Licht
und behindert das Evangelium; liebende Verkündigung ist
gewinnend und erfolgreich. Das heißt nicht, alle Hörer
würden positiv reagieren, ganz im Gegenteil. Das Volk von
Juda hörte nicht auf Jeremia und zog sich ein schweres
Gericht zu. Genauso werden einige, zu denen du sprichst,
höflich deine Worte beiseite schieben, andere werden
feindselig reagieren. Aber alle, die im Glauben reagieren,
werden dein liebendes Bemühen um ihr geistliches Wohlbefinden
zu schätzen wissen.
J.MacArthur
"Wenn ich alle Geheimnisse und alle Kenntnis weiß ... aber
keine Liebe habe, so bin ich nichts" (1. Kor. 13,2).
Wahre Erkenntnis wird immer von der Liebe regiert.
Christen sollten niemals die Erkenntnis für
selbstverständlich halten. Die Gabe, von Christus etwas
lernen zu können und in Seiner Wahrheit zu wachsen, ist ein
unermesslicher Segen. Paulus betete darum, dass wir "mit der
Erkenntnis seines Willens erfüllt" werden "in aller Weisheit
und geistlichem Verständnis" (Kol. 1,9). Dadurch werden wir
fähig, einen Gott wohlgefälligen Weg zu gehen (Vers 10).
Aber die Erkenntnis muss von der Liebe regiert werden,
genauso, wie die Liebe von der Erkenntnis regiert werden
muss. In Philipper 1,9 sagt Paulus: "Um dieses bete ich,
dass eure Liebe noch mehr und mehr überreich werde in
Erkenntnis und aller Einsicht." In unserem Vers sagt er, dass
Erkenntnis ohne Liebe nichts sei. Hier handelt es sich also
um eine göttlich verordnete Balance, die du aufrechterhalten
musst, wenn du effektiv für den Herrn arbeiten willst.
In 1. Korinther 13,2 benutzt Paulus ein hypothetisches
Bild, um die Bedeutung der Liebe zu unterstreichen: "Wenn
ich ... alle Geheimnisse und alle Erkenntnis weiß ... aber
keine Liebe habe, bin ich nichts." Das griechische, mit
"Geheimnisse" übersetzte Wort in diesem Vers wird im ganzen
Neuen Testament für die rettende Wahrheit benutzt, die einst
verborgen war, jetzt aber offenbart wurde. Zum Beispiel
spricht die Schrift von dem Geheimnis, dass Gott im Fleisch
geoffenbart wurde (Kol. 2,2-3) oder von dem, dass Christus
in uns wohnt (Kol. 1,26-27) und von dem der Kirche als dem
Leib Christi (Eph. 3,3 - 6,9).
"Erkenntnis" bezieht sich in unserem Vers auf Tatsachen,
die durch Nachforschung festgestellt werden können. Es ist
unmöglich, jedes im Universum vorhandene Geheimnis oder
alle Fakten zu kennen; aber selbst wenn du das könntest,
so wäre das ohne Liebe nutzlos. Erkenntnis allein macht
nur arrogant, aber die Liebe erbaut (1. Kor. 8,1).
Erkenntnis und Liebe im Gleichgewicht zu halten, ist ein
Grundsatz, der deine täglichen Entscheidungen beeinflusst.
Wenn du dich zum Beispiel entscheiden musst, ob du zur
Bibelstunde gehst oder einem Nachbarn in einer dringenden
Notlage hilfst, solltest du lieber dem Nachbarn beistehen.
Du wirst noch Gelegenheit finden, die Bibel zu studieren;
aber die Chance, dem Nachbarn die Liebe Christi zu zeigen,
bietet sich vielleicht nicht so bald wieder.
J.MacArthur
"Wenn ich allen Glauben hätte, so dass ich Berge versetzte,
aber keine Liebe habe, so bin ich nichts" (1. Kor. 13,2).
Liebloser Glaube ist unnützer Glaube.
In Matthäus 17,19 kamen die Jünger zu Jesus und wollten
wissen, warum sie den dämonischen Geist nicht bei dem Kind
austreiben konnten. Der Herr erwiderte ihnen: "Wegen eures
Kleinglaubens; denn wahrlich, ich sage euch, wenn ihr Glauben
habt wie ein Senfkorn, so werdet ihr zu diesem Berg sagen:
Hebe dich weg von hier dorthin! Und er wird sich wegheben.
Und nichts wird euch unmöglich sein" (Vers 20). In Matthäus
21,21 wiederholt Er den gleichen Grundsatz - "Wahrlich, ich
sage euch: Wenn ihr Glauben habt und nicht zweifelt, so
werdet ... ihr auch zu diesem Berg sagen: Hebe dich empor
und wirf dich ins Meer! So wird es geschehen."
Diese Stellen haben vielen Menschen Schwierigkeiten bereitet,
weil sie niemals jemand gesehen haben, der einen Berg bewegt
hätte. Aber Jesus sprach in Bildern. Das Berge-Bewegen
brächte alle möglichen ökologischen Probleme und wäre ein
sinnloses Mirakel. Der Ausdruck "Berge versetzen können" war
damals ein bekannter Ausdruck und wurde gebraucht, wenn
jemand große Widerstände überwinden konnte. Jesus sprach von
denen, die die Gabe des Glaubens erhalten hatten - die durch
unerschütterliches Gebet den Arm Gottes bewegen können.
Die Gabe des Glaubens besteht in der Fähigkeit, daran
festzuhalten, dass Gott gemäß Seines Willens handeln wird,
ohne auf die Umstände zu blicken. Leute mit dieser Gabe sind
Gebetskämpfer und stehen auch dann noch felsenfest, wenn die
anderen ringsumher schon gestrauchelt sind. Sie sehen Gottes
Macht und wie Er Seine Absichten verwirklicht, und sie
vertrauen Ihm, auch wenn die anderen zweifeln.
Aber, sagt Paulus, selbst wenn du solchen Glauben hättest,
dir aber die Liebe fehlte, wärest du nichts. Das ist eine
harte Zurechtweisung, die aber die Betonung dahin legt, wohin
sie gehört - auf unsere Motive. Die Motive der Korinther
offenbarten sich in ihrer selbstischen Zurschaustellung ihrer
Gaben.
Was sind deine Motive? Denke daran, ohne Liebe spielt es
keine Rolle, welche Gaben du hast, wie eloquent du reden
kannst, was du weißt oder was du glaubst. Nur die Liebe
verleiht deinem Dienst für Christus einen Wert.