1Kor 11,29
C.O.Rosenius
Welcher unwürdig ißt und trinkt, der ißt und trinkt sich
selbst das Gericht. 1. Kor. 11, 29.
Einer der schlimmsten Irrtümer bezüglich des Heiligen
Abendmahls ist dieser, daß jeder beliebige Mensch durch
eine sogenannte ,,christliche Vorbereitung" ein würdiger
Abendmahlsgast werden könnte, ohne Rücksicht darauf, ob
er ein wahrer Freund und Jünger Jesu ist, und daß auch
diejenigen, die sowohl vor als auch nach dem Abendmahl
ihr ganzes Leben hindurch den Unbekehrten angehören, durch
eine für den Augenblick gemachte Vorbereitung sich würdig
dem Abendmahlstisch des Herrn nahen könnten. Ach, ein
schrecklicher Irrtum, der jeden erleuchteten Christen mit
ernster Sorge erfüllt. - Wo findet man ein einziges Wort in
der Bibel, welches andeutet, daß auch diejenigen sich zum
Abendmahl des Herrn bereiten und dadurch würdig werden
sollen, die nicht zuvor zum Herrn bekehrt wurden, nicht Jesu
Freunde und Jünger sind und nicht täglich ihr ganzes Leben
lang von Christus und mit Christus leben? O, daß alle, die
Ohren haben, hören und alle, die eine Zunge haben, diesen
Irrtum ausrufen möchten! Oder ob Jesus sich durch eine
gelegentliche Vorbereitung, durch eine für den Augenblick
angenommene Frömmigkeit dazu bewegen läßt, dich für Seinen
Freund zu halten? Ob der Heilige sich betrügen läßt durch
eine erzwungene und selbstgemachte Frömmigkeit, Buße,
Sündenerkenntnis und Gebet, nach denen du gleich wieder
zu dem vorherigen nichtigen Leben zurückkehrst, wenn du
nur deinen jährlichen Abendmahlsbesuch nicht versäumst?
Gott erbarme sich und rüttele alle Lehrer und Prediger aus
dem Schlaf, die dies den Leuten nicht ehrlich sagen! Müßten
sie nicht mit kurzen, deutlichen und ehrlichen Worten die
Wahrheit aussprechen, daß es sich hier nur um eines handelt,
um ein würdiger Abendmahlsgast zu sein, nämlich, ob du ein
Freund und Jünger Jesu bist oder wenigstens in Unruhe darüber
bist und es für dein ganzes Leben lang zu werden suchst.
Durch eine gelegentliche Vorbereitung wird niemand ein
würdiger Abendmahlsgast, sondern nur durch eine ganze
Bekehrung, durch die man für sein ganzes Leben ein Freund
und Jünger Jesu wird. Bist du das, dann bist du ein würdiger
Abendmahlsgast; bist du es nicht, dann bist du unwürdig. Man
braucht sich nicht mit einer gelegentlichen Vorbereitung zu
beschweren, sondern man soll wissen, daß man unter allen
Umständen ,,sich selbst das Gericht ißt und trinkt". Auch
wenn man nicht nur einen Tag, sondern eine Woche, ja, einen
Monat lang an seiner Abendmahlsvorbereitung so eifrig
gearbeitet hat, daß man auf den Knien lag und in Tränen
ausbrach, man ist doch ein unwürdiger Gast und ißt und
trinkt sich selbst das Gericht, solange man nur eine
Abendmahlsvorbereitung machen, nicht aber für sein ganzes
Leben des Herrn Eigentum werden und unter Ihm in Seinem
Reiche bleiben und leben will. Darum handelt es sich.
Christus stiftete das hohe Mahl für Seine Freunde. Die
innige Vereinigung, die im Abendmahl zwischen Ihm und Seinen
Gläubigen stattfindet, ist dieselbe, von der Er an jenem
Abend, an dem Er das Abendmahl einsetzte, in Seinem Gebet
sprach: ,,Ich in ihnen, und Du in Mir, auf daß sie vollkommen
seien in eins, gleichwie Du, Vater, in Mir und Ich in Dir."
Und bezüglich dieses Gebetes fügte Er hinzu: ,,Ich bitte
nicht für die Welt, sondern für die, die Du Mir gegeben
hast." Wie wäre es möglich, daß Er solches für die Welt
bitten könnte? Wie wäre es möglich, daß Er die Welt Sein
Todesfest zu feiern, Seine Verächter Sein Fleisch zu
essen und Sein Blut zu trinken heißen könnte? Ach, es ist
schrecklich, wenn ein Mensch, der sein ganzes Leben lang
,,ohne Gott in der Welt" lebt und sich so gut ohne Ihn
durchhilft, einmal im Jahr Ihm in diesem heiligen Liebesmahl
Seiner Freunde unter die Augen treten und die innigste
Freundschaft mit Ihm an den Tag legen will, um gleich darauf
wieder zu demselben nichtigen Wesen und gottlosen Leben
zurückzukehren wie zuvor! Ist dies nicht ganz dasselbe wie
das, was Judas in Gethsemane tat, als er zu Jesus trat und
sprach: ,,Gegrüßet seist Du, Rabbi!" und Ihn dann küßte? (Mt
26:49) Wird der Herr nicht auch zu solchen Abendmahlsgästen
sprechen: ,,Warum bist du gekommen? Verrätst du des Menschen
Sohn mit einem Kuß?" Erbebst du nicht an deinem ganzen Leib
und deiner ganzen Seele davor, mit einem solchen Sinn Gott
unter die Augen zu treten? Begreifst du nicht, daß der
große, heilige Herr dann zu dir sprechen wird: ,,Du Heuchler!
Ich weiß deine Werke! Du bist nicht Mein Freund, sondern der
Welt Freund; warum bist du hierhergekommen, wo Meine Freunde
das Gedächtnis Meines Todes feiern? Ich weiß, daß du morgen
zu demselben Dienst der Welt und der Sünde zurückkehren
wirst, wie du es bisher getan hast! Weiche von Mir, du
Heuchler!" Solltest du nicht eine solche Antwort von dem
Heiligen erwarten, dessen ,,Augen wie Feuerflammen" sind,
du, der du nur eine Abendmahlsvorbereitung machst, während
du dich sonst dein ganzes Leben lang nicht daran kehrst,
Ihm anzugehören und Ihm zu folgen?
Wer seine Sünden immer heget,
Wen aller Gnade große Zahl
Noch nicht zur Neugeburt beweget,
Der lasse Jesu Abendmahl;
Es hilft doch seiner Seele nicht,
Er ißt sich selber das Gericht.