1Kor 11,24
C.H.Spurgeon
,,Solches tut zu meinem Gedächtnis."
1 Kor. 11, 24.
Es scheint hieraus beinahe, als ob Christen könnten Christum
vergessen! Es wäre ja diese liebevolle Ermahnung nicht vonnöten
gewesen, wenn nicht die schreckliche Voraussetzung vorhanden
wäre, daß unser Gedächtnis uns untreu werden könnte. Und das ist
keine grundlose Voraussetzung; sie ist, leider! in unsrer
Erfahrung zu tief begründet, nicht als eine Möglichkeit, sondern
als eine beklagenswerte Wirklichkeit. Es scheint beinahe
unmöglich, daß diejenigen, die versöhnt worden sind durch das
Blut des geschlachteten Lammes, und geliebt mit einer ewigen
Liebe vom Sohne Gottes, sollten ihren gnädigen Heiland vergessen
können; aber, wie befremdend es auch dem Ohre klingt, so fällt
es, ach! zu deutlich in die Augen, als daß wir uns erlauben
könnten, das Verbrechen abzuleugnen.
,,Wie könnt' ich sein vergessen,
Der mein noch nie vergaß!"
Ihn vergessen, der sein teures Blut für unsre Sünden vergoß! Ihn
vergessen, der uns liebte bis in den Tod! Wär's möglich? Ja, es
ist nicht nur möglich, sondern das Gewissen bekennt, wie es bei
uns allen ein allzutrauriger Fehler ist, daß wir Ihn wie einen
fremden Wanderer nur gelegentlich einmal bei uns übernachten
lassen. Er, den wir zum bleibenden Inwohner unsres Gedächtnisses
machen sollten, ist nur ein flüchtiger Besucher darin. Das
Kreuz, bei dem das Gedächtnis aller Wahrscheinlichkeit nach
verweilen müßte, und wo die Gleichgüligkeit ein unbekannter
Fremdling bleiben sollte, wird entweiht von den Fußtritten
undankbarer Vergeßlichkeit. Bezeugt euch nicht euer Gewissen,
daß dem also ist? Müßt ihr nicht bekennen, daß ihr Jesum oft
vergeßt? Manches Geschöpf stiehlt euch das Herz, und ihr seid
Dessen uneingedenk, auf den all eure Zärtlichkeit gerichtet sein
sollte. Die oder jene irdische Beschäftigung nimmt eure Gedanken
in Anspruch, wo ihr eure Augen unverwandt solltet aufs Kreuz
lassen gerichtet sein. Es ist das unablässige Weltgetümmel, die
beständige Aufmerksamkeit aufs Vergängliche, was die Seele von
Christo abzieht. Während das Gedächtnis nur allzuwillig ein
giftiges Unkraut beherbergt, läßt es die Rose von Saron
verwelken. Wir wollen es uns zur Pflicht machen, ein himmlisches
Vergißmeinnicht für Jesum, unsern Freund, auf unsre Herzen zu
heften, und was wir auch sonst fahren lassen: Ihn wollen wir
festhalten.
W.MacDonald
»Dies ist mein Leib, der für euch ist.« 1. Korinther 11,24
Amy Carmichael führt vier Dinge an, die in der Bibel
zerbrochen werden und eine ganz bestimmte Wirkung haben:
Zerbrochene Krüge (s. Richter 7,19.20) - und das Licht darin
schien hell auf.
Ein zerbrochenes Fläschchen (Markus 14,3) - und das kostbare
Salböl wurde ausgegossen.
Fünf gebrochene Brote (Matthäus 14,19) - und die Hungrigen
wurden satt.
Ein gebrochener Leib (1. Korinther 11,24) - und die Welt
wurde erlöst.
Nun haben wir das Vorrecht, noch ein fünftes dieser Reihe
hinzuzufügen, nämlich unseren zerbrochenen Willen, und das
Ergebnis wird ein Leben sein, das von Frieden und Erfüllung
durchflutet ist.
Viele, die zum Kreuz gekommen sind, um dort ihr Heil zu
suchen, waren noch nie da, um auch ihren Willen zerbrechen zu
lassen. Sie mögen vielleicht eine sanfte, milde Art haben;
sie reden möglicherweise immer nur im Flüsterton; sie machen
nach außen hin vielleicht einen sehr frommen Eindruck; und
doch können sie einen eisernen Willen haben, der sie von dem
Besten, was Gott uns im Leben schenken kann, noch trennt.
Manchmal geschieht etwas Ähnliches mit jungen Leuten, die
ineinander verliebt sind und unbedingt heiraten wollen.
Eltern und Freunde, die aus ihrer Reife und Weisheit heraus
urteilen, können schon absehen, daß das nie gut gehen kann.
Doch das halsstarrige junge Paar lehnt jeden Ratschlag ab,
den es nicht hören will. Und derselbe unbeugsame Wille, der
sie erst zum Traualtar geführt hat, bringt sie schon bald vor
den Scheidungsrichter.
Wir haben das auch schon bei Christen beobachtet, die
entschlossen waren, in einen bestimmten Geschäftszweig
einzusteigen, obwohl sie offenbar keine Erfahrungen darin und
auch nicht das nötige Wissen dazu hatten. Gegen den Rat von
verständigen Bekannten stecken sie dann ihr eigenes Geld
und oft auch noch das, was sie von wohlmeinenden Freunden
geliehen haben, in diese Sache. Und das Unvermeidliche
passiert: Das Geschäft schlägt fehl, und die Gläubiger
schreiten ein, um wenigstens die Scherben noch aufzusammeln.
Es kommt auch vor, daß die verheerenden Auswirkungen eines
ungebrochenen Willens im christlichen Dienst sichtbar werden.
So reist ein Mann mit seiner Familie in ein Missionsgebiet
aus, nur um schon ein Jahr später wieder zurückzukehren, was
große Kosten für die aussendende Gemeinde verursacht. Da
werden erhebliche Geldmittel gutgläubiger Christen dazu
verwendet, ein Projekt zu finanzieren, das die Erfindung von
Menschen war, aber nicht die Idee Gottes, ein Plan, der sich
als völlig unergiebig herausstellt. Es verursacht Zank und
Verdruß, weil ein Mensch sich weigert, mit anderen gedeihlich
zusammenzuarbeiten; er will unbedingt seinen eigenen Willen
durchsetzen.
Wir alle haben es nötig, daß wir zerbrochen werden, daß wir
all unsere Hartnäckigkeit, unseren Starrsinn, unseren
Eigenwillen nehmen und ihn am Fuß des Kreuzes niederlegen.
Dieser eiserne Wille muß auf dem Altar geopfert werden. Wir
müssen alle mit Amy Carmichael sagen:
Du wurdest, o mein großer Herr, für mich zerbrochen,
Laß mich durch deine Liebe auch zerbrochen sein.