Röm 14,23
C.O.Rosenius
Was nicht aus dem Glauben geht, das ist Sünde. Röm. 14, 23.
Der Glaube, das Gewissen, das innere gute Verhältnis zu Gott,
sieh da den zarten Augapfel, das Herz und die Lebensquelle
des neuen Menschen! Im geistlichen Leben sind viele Dinge
wichtig, wie z. B. Liebe, Demut, Aufrichtigkeit, gute
Werke; eins allein aber ist das Leben, eins ist das Herz
im Leibe! Das ist der Glaube, das Gewissen, das innere
Bewußtsein des Wohlgefallens Gottes.
Dazu gehören zwei Dinge: Erstens muß man durch das Evangelium
und die Gnade in Christus von dem gesetzlichen Sklavengeist
befreit sein, die Sündenvergebung und die Gewißheit derselben
erhalten haben und in einem evangelischen Kindschaftsgeist,
in einer vertraulichen Freundschaft mit Gott leben. Dies
ist die Quelle aller wahren Gottesfurcht, aller Liebe,
Lust und Kraft zum Guten. Wenn aber dieser vertrauliche
Kindschaftsgeist fehlt, dann ist alles, was Gott fordert,
schwierig und unmöglich, und alle Werke sind dann erzwungene
und unwillige Dienste eines Sklaven. Daraus folgt erstens,
daß diese Werke Gott nicht gefallen, denn Er will keinen
erzwungenen Dienst haben, und ,,die mit des Gesetzes Werken
umgehen, die sind unter dem Fluch"; zweitens folgt, daß ich
ohnmächtig bin, keine Kraft zum Guten erhalte, sondern, daß
die Sünde durch das Gesetz immer mächtiger wird. Wenn ich
dagegen die Versicherung der Freundschaft Gottes erhalten
habe, wenn mein Gott mir zugesagt hat: ,,Sei getrost, Mein
Sohn, deine Sünden sind dir vergeben", dann lebe ich auf,
dann brenne ich, dann sind Er und Sein Joch mir sanft und
Seine Last mir leicht. Wenn mein Gott mir zugesagt hat: ,,Du
bist Mein", dann gehe ich einher mit dem seligen Geheimnis
unvergleichlicher Art,- dann ,,dringt die Liebe Christi
mich", selig Ihm in allem zu dienen und nicht mehr mir
selbst zu leben, sondern Ihm, der für mich gestorben und
auferstanden ist. Sieh, da sind das Herz und das Leben in
aller wahren Gottesfurcht!
Zweitens muß ich bei diesem Glauben, bei diesem Bewußtsein
des Wohlgefallens Gottes wissen, daß der Wandel, die Werke,
die ich eigentlich mit Willen übe, Gott wohlgefällig sind.
Ich verrichte sie gerade darum, weil sie mit dem Wort und dem
Willen Gottes übereinstimmen. Was ich aus Schwachheit fehle,
das gehört zu den Sünden, die ich täglich ins ,,Vaterunser"
einschließe, wenn ich bete: ,,Vergib uns unsere Schuld", und
dafür glaube ich eine ewige und unaufhörliche Vergebung. Der
eigentliche Lebenswandel aber, den ich führe, das, was ich
mit Wissen und Willen als meine eigene Tat ausübe, muß mit
dem Wort übereinstimmen; denn es kann sich nicht mit dem
Glauben und einem guten Gewissen vereinigen, wenn ich es
nicht für gut und als mit Gottes Willen übereinstimmend
halte. Dieses Bewußtsein, das man den durch die Tat
bewiesenen Glauben nennen könnte, ist eigentlich der Glaube,
von dem der Apostel in Röm. 14. spricht, jenem Kapitel, das
mit unserem Spruch schließt: ,,Was nicht aus dem Glauben geht,
das ist Sünde." Alles, was nicht aus einem Herzen fließt, das
durch den rechtfertigenden Glauben an Christus begnadigt ist
und in Gottes Freundschaft lebt, sowie in dem Willen Gottes sein
Lebensgesetz hat und seine Werke in der Meinung tut, daß sie
mit dem Willen Gottes übereinstimmen, alles, was nicht aus
dieser Quelle fließt, das ist Sünde. Hier sehen wir, wie das
erste Gebot die Quelle und die Bedingung für die Erfüllung
aller übrigen Gebote ist. Die Hauptsache alles christlichen
Lebenswandels ist nämlich diese, daß Gott des Herzens Gott
sei und daß das Herz Gott über alle Dinge fürchte, liebe und
vertraue.
Nicht ohne Grund verwenden wir hierfür so viele Worte. Denn
nächst dem Hauptartikel von unserer Rechtfertigung durch den
Glauben ist der erste und wichtigste Lehrpunkt der, wie ein
recht christlicher Lebenswandel beschaffen ist oder worin
gute, Gott wohlgefällige Werke bestehen. Darum hat der
Teufel auch zu allen Zeiten vornehmlich all seine Macht
angewandt, um diese zwei Hauptpunkte zu verdrehen. Blicken
wir auf Christi Zeit, so finden wir, wie die Lehre gerade in
diesen zwei Punkten gefälscht war, und wie alles, was der
Herr lehrte, darauf hinausging, daß erstens kein Lebendiger
vor Gott gerecht sei, sondern, daß alle Gerechtigkeit vor
Gott nur in ,,Seinem Gang zum Vater" bestehe, und daß ferner
nicht äußere Werke ein Gott wohlgefälliges Leben ausmachen,
sondern, daß Gott das Herz haben will.
Wer nun wirklich mit Gott gut stehen, Seine Wege wandeln
und ein recht christliches Leben führen will, der prüfe sich
in diesem Punkt! Es ist erschrecklich, welche Heuchelei in
dieser Beziehung vorherrscht, indem man zwar ein christliches
Leben führen will, dabei aber ganz die Hauptsache und die
Bedingung desselben zu beachten vergißt, nämlich in der
Freundschaft Gottes und im Glauben an Sein Wohlgefallen zu
leben.
Laßt uns den Herrn nicht versuchen! Er sieht wohl, wie es
mit uns steht. ,,Seine Augen sehen nach dem Glauben." Was
hilft es dir, daß du dich mit Gottesfurcht und Christentum
abmühst, wenn der Herr schließlich doch alles als Heuchelei
und Sünde verwirft? Denn alles, ,,was nicht aus dem Glauben
geht, das ist Sünde".
Ach, prüfe mich, mein Gott, und sieh', wie ich es meine,
Ob ich mit Herzens Lust Dir diene, Dir alleine;
Ach sieh', ob ich vielleicht auf falschem Wege bin,
Und leit mich auf den Weg, der mich zu Dir bringt hin!