Römerbrief

Röm 12,11 C.Eichhorn Achtet auf die Gelegenheiten Schicket euch in die Zeit! Röm. 12, 11

Wir fallen leicht von einem Gegensatz in den andern. Bald sind wir saumselig und verdrossen, bald geraten wir in einen Übereifer und möchten alles im Sturm erzwingen. Eifer ist etwas Herrliches, wenn es ein frommer Eifer ist, den Gottes Geist entzündet hat. Aber doch gilt das Wort: Schicket euch in die Zeit! Richtet euch nach dem von Gott gegebenen Zeitpunkt! Stoßt nicht gewaltsam Türen ein, sondern achtet auf die Gelegenheiten, die Gott bietet! Mit fleischlichem Übereifer wirbelt man Staub auf, aber man erreicht herzlich wenig. Man läuft zu weit vor und rennt an. Wir müssen unsere Uhr nach der Uhr Gottes richten. Gewiß, wo es sich um Bekehrungen handelt, gilt es, niemals zu warten. Denn deine Bekehrung will Gott nicht morgen oder sonst irgendeinmal, sondern heute. Er will, daß du jetzt das Heil ergreifst. In diesem Punkt darf es nicht heißen: Die Zeit ist noch nicht da! Ich muß erst noch dies und das tun. Nein, das Werk der Bekehrung eilt. "Eile und rette deine Seele!" Wo es sich hingegen um Wirksamkeit nach außen handelt, da gilt es, auf die Umstände zu achten. Wenn wir etwas unternehmen, müssen wir warten, bis Gott das Signal gibt. Durch vorschnelles Zufahren und Drauflosgehen kann mehr geschadet als genützt werden. So sagt der Heiland zu seinen Brüdern, die noch nicht gläubig waren: "Meine Zeit ist noch nicht da! Eure Zeit ist allewege!" Der Herr Jesus richtete sich ganz genau nach dem Wink seines Vaters. Darum hat sich alles bei ihm gefügt und "begeben". Es war nie ein vergebliches Sturmlaufen. Geht man nach eigenem Kopf und Willen zu Werk, ist man Herr über den Zeitpunkt. Aber es fehlt dann nicht an vielen schmerzlichen Enttäuschungen. Es gibt auch einen frommen Eigensinn, dem Gott trotz alles Betens kein Gelingen schenkt. Im Apostel Paulus war ein brennender Eifer, die ganze Welt mit dem Evangelium zu erfüllen. Als er seine Aufgabe im Osten vollendet hatte, zog es ihn mächtig, nach Westen vorzudringen bis nach Rom und Spanien. Gleich nach seiner dritten Missionsreise wollte er diesen Plan verwirklichen. Doch Gott schob einen Riegel vor und verordnete ihm eine zweijährige Wartezeit in Cäsarea. Wir lesen nicht, daß sich Paulus in Ungeduld verzehrte. Er fügte sich in die göttliche Zeitbestimmung. Nachher kam er doch an das gewünschte Ziel, nur anders, als er gedacht hatte. Gott hat es manchmal nicht so eilig wie wir. Er muß oft unseren Eifer von so manchem Selbstischen reinigen, was ihm noch anhängt. Dann erst kann er volles Gelingen geben. Wenn wir zur rechten Zeit handeln, haben wir Gott zum Bundesgenossen. Wir erledigen unsere Aufgabe ohne Hast, Aufregung und Sturmlaufen. Es erfüllt sich: "Was er macht, das gerät wohl" (Ps. 1, 3).





W.MacDonald »... brennend im Geist.« Römer 12,11

Eins der Gesetze, die im Bereich der Physik gelten, heißt, daß alle Gegenstände dazu neigen, ihre Schwungkraft zu verlieren oder abzulaufen oder auszubrennen. Das ist natürlich nicht der wissenschaftliche Wortlaut des Gesetzes, aber es gibt ungefähr den Inhalt wieder.

Man sagt uns beispielsweise, daß die Sonne in einem unvorstellbaren Ausmaß verbrennt, und auch wenn sie noch lange Zeit so weitermachen kann, nimmt ihre Zeitspanne doch allmählich ab.

Lebende Körper altern, sterben und werden wieder zu Staub. Ein Pendel, das man mit der Hand in Bewegung gesetzt hat, wird allmählich langsamer und bleibt schließlich stehen. Wir ziehen eine Uhr auf und müssen das bald wieder von neuem tun. Heißes Wasser kühlt sich auf die Raumtemperatur ab. Metalle verlieren ihren Glanz und werden trübe. Farben verblassen. Nichts bleibt unendlich bestehen, und es gibt kein »Perpetuum mobile«. Veränderung und Verfall betreffen alle Dinge.

Auch die Welt selbst wird alt. Die Bibel sagt, wenn sie vom Himmel und von der Erde spricht: »Sie werden untergehen, du aber bleibst; und sie alle werden veralten wie ein Kleid, und wie einen Mantel wirst du sie zusammenrollen, und sie werden wie ein Kleid gewechselt werden. Du aber bist derselbe, und deine Jahre werden nicht aufhören« (Hebräer 1,11.12).

Leider scheint es im geistlichen Bereich ein ähnliches Gesetz zu geben. Das trifft auf einzelne Menschen, Gemeinden, Bewegungen und Institutionen gleichermaßen zu.

Selbst wenn ein Mensch sein christliches Leben strahlend beginnt, gibt es immer die Gefahr, daß der Eifer nachläßt, die Kraft sich vermindert und die geistliche Perspektive allmählich verblaßt. Wir werden schwach, selbstgefällig, kalt und alt.

Dasselbe kann man auch von Gemeinden sagen. Viele sind auf dem Höhepunkt einer großen Bewegung durch den Heiligen Geist entstanden. Das Feuer hat jahrelang hell weitergebrannt. Doch dann setzt der Verfall ein. Die Gemeinde verläßt ihre erste Liebe (s. Offenbarung 2,4). Die Flitterwochen sind vorbei. Der glühende Eifer der Evangelisation macht routinemäßigen Dienstleistungen Platz. Die Reinheit der Lehre wird vielleicht einer wertlosen Einigkeit geopfert. Und schließlich ist ein leeres Haus das schweigende Zeugnis dafür, daß alle Herrlichkeit dahin ist.

Bewegungen und Institutionen sind dem Verfall unterworfen. Sie fangen vielleicht an als mächtige evangelistische Dienste und setzen sich dann so sehr auf dem sozialen Sektor ein, daß das Evangelium weithin vernachlässigt wird. Oder sie beginnen mit der Begeisterung und der Spontaneität des Heiligen Geistes und fallen dann in kalte Rituale und Formalismen zurück. Wir müssen uns vor dem geistlichen Niedergang hüten, indem wir »brennend im Geist« bleiben.