Röm 12,9
S.Keller
Röm. 12, 9: «Die Liebe sei nicht erheuchelt ...»
Wenn ein Wort des christlichen Wortschatzes imstande ist,
blitzschnell eine Bußstimmung in mir auszulösen, so ist es
"Liebe". Wie viel erleben wir vom Herrn, wie wenig klingt
davon unser Umgang mit anderen wider! Darüber ist Freund und
Feind einig, daß der Haupterweis des neuen Lebens Liebe sein
müsse, und wenn sie nicht da ist, fühlt man sich versucht,
sie wenigstens vor andern zu markieren oder wenigstens mit
dem wenigen, was man davon hat, eine möglichst günstige
Schaufensterauslage herzustellen. Wie dünn wird das Metall,
wenn man eine sehr große Fläche mit einem kleinen Klümpchen
Gold überziehen will! Man lebt gleichsam über seine
Verhältnisse, indem man wenig hat und doch nach außen den
großen Christen spielen will, bei dem ein Überfluß an Liebe
vorhanden ist. Daher ist die Warnung des Apostels nicht
unberechtigt und trifft auch mich. War meine Liebe gegen
andere wirklich echt, daß sie das Arge, was jene an sich
hatten, haßte und ihre guten Seiten unerschütterlich
festhielt? War sie wirklich ein starker Trieb, ihren Seelen
voranzuhelfen, daß sie ihr Ziel erreichten oder wenigstens
wuchsen an Heilandsnähe?
Herr Jesu, du bist der Born der echten großen Liebe! Vergib
mir, daß ich dir so wenig ähnlich war und hilf mir, mehr
Liebe nehmen, damit ich sie umsetzen kann in Wort und Wesen
und du darüber Lob und Ehre erlangest, der so viel Liebe den
Menschen gibt. Amen.