Römerbrief

Röm 11,29 C.O.Rosenius Gottes Gaben und Berufung können Ihn nicht gereuen. Röm. 11, 29.

Welch einen großen Trost enthalten diese Worte! Der Hauptgedanke des Textes ist dieser, daß eine zuvor von Gott gegebene Gnade und Auserwählung von Ihm weder bereut noch widerrufen werden kann. Nun haben auch wir eine sehr zeitige Berufung und Auserwählung als Grund unserer Seligkeitshoffnung. Auch uns sind herrliche und große Verheißungen gegeben. Laßt uns nun darauf anwenden: ,,Gottes Gaben und Berufung können Ihn nicht gereuen." ,,Er hat uns in Christus erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war."

Dieser Heilsrat Gottes muß ganz unerschütterlich und unabhängig von uns sein, weil der Herr denselben so zeitig faßte, daß kein Mensch dabei mitwirken konnte. Es geschah, ehe der Welt Grund gelegt war, als noch kein Tag erschienen war, als weder Sonne noch Mond vorhanden waren, als Gott der Herr im freien Ratschluß Seines eigenen, ewigen Wesens daran dachte, Welten zu erschaffen und auf Erden ein Geschlecht nach Seinem Bild zu Kindern und Erben aller Seiner Gaben zu erschaffen, ein Geschlecht, das Seine Werke und Seine Vollkommenheiten schauen und sich darüber freuen konnte. Damit wir nun Seine göttliche Barmherzigkeit und Gerechtigkeit kennenlernen sollten, beschloß Er, uns auf eine Probe zu stellen. Er sah aber voraus, daß wir durch den Neid und die List des gefallenen Engels verleitet, zu Fall gebracht und verdorben würden. Ja, Er sah alles Verderben und Elend voraus, das dem Sündenfall folgen würde. Da faßte Er den Heilsrat, uns Seinen eigenen, ewigen Sohn zum Mittler zu geben, der auf die Erde herabsteigen, sich in unser Fleisch kleiden und unsere Sache auf sich nehmen, ja, sich der Erfüllung des Gesetzes und des Erleidens der Strafe an unserer Statt unterziehen sollte. Ein jeder nun, der in seiner Sündennot zu Ihm hinflieht und sich im Glauben an Ihn hält, soll nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Dies war der eigene, freie Heilsrat, die ewige Gnadenwahl Gottes, worüber der Apostel sagt: ,,Gott erwählte uns in Christus, ehe der Welt Grund gelegt war, und Er hat uns verordnet zur Kindschaft gegen Sich selbst (für sich selbst) durch Jesus Christus, nach dem Wohlgefallen Seines Willens, zum Lob Seiner herrlichen Gnade." Diesen Ratschluß verkündigte Er schon am Tage des Sündenfalls, und Er ließ ferner durch viele Zeugen und durch Millionen von vorbildenden Opfern Seine Verheißung beständig wiederholen, bis sie in der Fülle der Zeit durch die Geburt, das Leiden, den Tod und die Auferstehung Jesu erfüllt wurde.

Alsdann bezeugte Johannes der Täufer: ,,Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt!" Dann zeugte der Herr selbst: ,,Mein Blut wird für euch vergossen zur Vergebung der Sünden." Dann zeugte eine große Evangelistenschar, daß allein in Ihm die Seligkeit und das Heil ist und daß Sein Blut uns von allen Sünden rein macht. Dieser Heilsrat ist also sehr zeitig gefaßt und reichlich verkündigt worden. Sollte der Herr nun Seine ewige Berufung und Gabe bereuen und zurücknehmen, die Gerechtigkeit bei uns zu suchen anfangen und mit uns nach unseren Sünden handeln? Ist der große Herr und Gott denn nicht getreu und unwandelbar in Seinem ewigen Ratschluß sowie in Seinen vielen und teuren Verheißungen? Sollte Er jemals das ändern, was Er selbst ,,nach dem Wohlgefallen Seines Willens" beschlossen und verkündigt hat? Solches denken wir nicht von dem großen Gott, außer, wenn unsere Sünde uns erschreckt; dann nämlich meinen wir, daß Gott mit uns nach unseren Sünden handeln würde. Möchten wir dann aber tief bedenken, daß Er Seinen Sohn gerade um unserer Sünden willen zu unserem Erretter und Heiland dahingab. Sollte Er jetzt auf unsere Sünden blicken und uns wegen derselben ungnädig sein können, uns, die wir bei all unserem Elend doch an den Sohn glauben und in Ihm allein unsere Errettung suchen? Sollte Er doch um der Sünde willen unser müde werden und uns verwerfen? Dann wäre Sein eigener, ewiger Heilsrat ja zunichtegemacht. Dies kann niemals geschehen. ,,Gottes Gaben und Berufung können Ihn nicht gereuen." Gelobt und ewiglich gepriesen sei Gott, der uns vor Grundlegung der Welt in Christus erwählt hat, indem Er beschloß, uns nur in Ihm gnädig zu sein. Sein ewiger Heilsrat wird Ihn nimmer gereuen! Dies ist das erste, was zu bedenken ist.

Ferner hat Er auch frühzeitig einen besonderen Bund mit einem jeden unter uns gemacht, als Er nämlich in der Taufe, die ,,der Bund eines guten Gewissens mit Gott ist", uns zu Seinen Kindern aufnahm und uns ,,in Christus kleidete", auf daß wir in Ihm gerecht und ,,ganz rein sein sollten. Sollte Gott wohl jemals diesen Bund umstoßen und nun anfangen, einen Gläubigen nach dem zu richten, was er in sich selbst ist? Wenn ich durch den Unglauben abgefallen bin, dann bin ich - ebenso wie ein ungläubiger Jude - eine vom Weinstock abgebrochene Rebe, und ich kann als solche nicht des Saftes und der Fruchtbarkeit des Stammes, der Gnade Christi, teilhaftig sein. Der Herr aber ,,gedenkt ewiglich an Seinen Bund"; Er will mir eine besondere Gnade zuteil werden lassen, um mich zurückzuführen. - Kurz, unsere Untreue kann die Treue Gottes nicht aufheben. Der Herr kann unmöglich Seinen Bund ändern oder erschüttern. ,,Gottes Gaben und Berufung können Ihn nicht gereuen."

Dies hat das eigene Wort Gottes verkündet, Es ist ja ein Ernst und nimmer ein Scherz: Der Bund der Gnade auf Christum sich gründet, Und nicht auf dich selber, verzagtes Herz.