Röm 11,27
C.O.Rosenius
Dies Ist Mein Testament mit ihnen, wenn Ich ihre Sünden
wegnehmen werde. Röm. 11, 27.
Hier redet der große Gott. Höre, welch ein Wort! ,,Dies ist
Mein Testament mit ihnen" oder Mein Bund mit ihnen, ,,wenn
Ich ihre Sünden wegnehmen werde". Dies ist das Testament
Gottes. Ein Testament ist der unerschütterlichste Bund, wenn
es bestätigt ist und ,,durch den Tod dessen, der das
Testament gemacht hat, fest wird". Es ist dann sein letzter
Wille, von dem man hernach nichts abstreicht. ,,Man tut
auch nichts dazu", sagt der Apostel. Einen solchen
unerschütterlichen Bund hat Gott der Herr, wie Er selbst
sagt, mit dem abtrünnigen Volke Israel geschlossen.
Und worin besteht dieser Bund? Der Herr sagt:
,,Ich werde ihre Sünden wegnehmen." Bei Jer. 31 beschreibt
Er ihn nämlich so, daß er nicht ein solcher sein sollte wie
der vorige, den Er mit den Vätern schloß, als Er sie aus
Ägypten führte und sie an den Sinai kamen. Dieser Bund
sollte ein neuer, ein anderer Bund sein. Und der Unterschied
sollte besonders dieser sein: Während im ersten Bund das
Gesetz auf steinerne Tafeln für unwillige Herzen geschrieben
war, so daß ,,Er sie zwingen mußte", soll nun im neuen das
Gesetz in ihr Herz und in ihren Sinn geschrieben werden. Und
während im vorigen Bund die Sünden nicht vergeben, sondern
bestraft werden sollten, sollen im neuen ,,die Missetaten
vergeben und soll der Sünden nie mehr gedacht werden". Den
neuen Bund sollen also die Vergebung der Sünden und die
Umwandlung des Herzens auszeichnen. Er soll ein Gnadenbund,
ein Friedensbund und ein ewiger Bund sein!
Einen solchen Bund wollte Gott der Herr auch mit Seinem
abtrünnigen Volke Israel schließen: Wir sehen hier wieder die
unermeßliche Größe der Gnade Gottes! Nachdem, wie die ganze
Geschichte des Volkes Israel zeigt, seine Kinder sich so
gräßlich versündigt hatten, schließt Er noch einen solchen
Bund mit ihnen, daß Er selbst ihre Sünden wegnimmt. Gewiß
ließ Er zunächst Seinen gerechten Zorn über sie ergehen,
teils durch die Verstockung ihrer Herzen, teils durch alle
äußeren Strafen und Plagen, wie z. B. in der Zerstörung
Jerusalems und der Zerstreuung des Volkes. Dann aber will
Er ihnen nach alledem im neuen Bund wieder eine solche
verheißene Gnade erweisen, will ihnen wieder alles vergeben,
will ihre Sünden wegnehmen und nimmer ablassen, ihnen Gutes
zu tun. So ist Gott der Herr. Sei dessen eingedenk!
Alles dieses ist uns zur Lehre geschrieben. Wenn Gott, der
Herr ein solches Volk begnadigt und solche Sünden vergibt,
wie es diejenigen des Volkes Israel waren, wen würde Er dann
nicht begnadigen, welche Sünden würde Er dann nicht vergeben?
Die gräßlichsten, unwürdigsten Sünden sind gewiß diejenigen,
die wir begehen, nachdem wir eine so große Gnade empfangen
haben. Nichts erschreckt uns so sehr, als wenn wir uns sagen
müssen: ,,Ich wußte den Willen Gottes, ich habe so große
Gnade empfangen, trotzdem aber habe ich so gesündigt."
Sieh nun hier! Gerade so war es mit dem Volk Israel bewandt.
Obwohl ihre Sünden so gräßlich groß waren, will der Herr
ihnen dennoch alles vergeben, wenn sie nur ,,nicht im
Unglauben bleiben wollten." Er ,,will ihre Sünden wegnehmen",
sie im Versöhnungsblut reinwaschen und ihnen alles Gute tun.
Ist hier nicht bewiesen und bekräftigt, was Er in Jes. 1,18
spricht: ,,Kommt und laßt uns miteinander rechten. Wenn eure
Sünde gleich blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden;
und wenn sie gleich ist wie Rosinfarbe, soll sie doch wie
Wolle werden?"
Laßt uns die Worte nochmals beachten! ,,Ich werde ihre
Sünden wegnehmen." Er, gegen den wir gesündigt haben, will
selbst die Sünden wegnehmen. Wir meinen gewöhnlich, daß wir
uns erst von ihnen befreien müßten, bevor Gott uns gnädig
sein könnte. Aber hier sagt der Herr, wie überall in Seinem
Worte, daß Er sie wegnehmen will. Und die Wegnahme der
Sünden ist eine doppelte. Erstens tilgt Er die Schuld der
Sünden durch die Versöhnung und die Vergebung für immer, so
daß sie uns nicht mehr verdammen werden, weil wir in einem
Gnadenreiche sein sollen. Das heißt, alle Sünden, die noch
in unserem Fleische sind und leider oft ausbrechen, sollen
uns nie zugerechnet werden, sondern vor den Augen Gottes so
sein, als ob sie keine Sünden, sondern nur Krankheiten und
Leiden wären, über die Er uns trösten, ja, derentwegen Er
Mitleid mit uns haben will. - Zweitens wird Er auch die
Herrschaft der Sünden tilgen, so daß sie uns nicht mehr
regieren sollen, weil wir einen ganz anderen Weg durch das
Leben gehen werden, als ihn die Welt geht. Der Herr wird
mit Seinem Geist und mit Seiner Züchtigung die Sünde in
uns töten und unser ganzes Wesen heiligen.
Laßt uns bedenken, daß der Herr selbst es tun wird. Wir
meinen gewöhnlich, wenn Gott uns auch um Christi willen
unsere Sünden vergibt, müsse es doch unsere Sache sein, die
Sünden auszufegen und zu töten. Aber Gott der Herr spricht:
,,Ich will Mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn
schreiben." ,,Ich will ihnen Meine Furcht ins Herz geben, daß
sie nicht von Mir weichen." Und der Apostel sagt: ,,Gott ist
es, der beides in euch wirkt, das Wollen und das Vollbringen,
nach Seinem Wohlgefallen." ,,Wir sind nicht tüchtig von uns
selbst, etwas zu denken; sondern daß wir tüchtig sind, ist
von Gott." Alle uns zuteil werdenden Bestrafungen und
Ermahnungen sollen uns also lehren, daß wir ,,nichts nehmen
können, es werde uns denn vom Himmel gegeben" -, sie sollen
lehren, alle Gnade zu begehren und Ihn dafür zu preisen.
Du kauftest mich mit Blut und Tod,
Ich glaub's, denn es ist wahr;
Du löstest mich aus ew'ger Not
Und liebst mich immerdar.