Römerbrief

Röm 11,22 C.Eichhorn Heiliges Bangen und kindlich-getroster Sinn Schaue die Güte und den Ernst Gottes! Röm. 11, 22

Man vergißt oft, daß Gott auch ein verzehrendes Feuer ist, und denkt wohl gar, das sei eben der alttestamentliche Gott. Der Gott des Neuen Testaments sei der Allgütige, der Allvater, der gleichmäßig alle Menschen mit seiner Liebe umschließt. Aber der Apostel sagt ausdrücklich: "Auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer. Schrecklich ist es, in seine Hände zu fallen" (Hebr. 12, 24; 10, 31).

- Wie Gott mit den Völkern mitunter eine furchtbar ernste Sprache redet, so erfährt auch der einzelne den Gerichtsernst Gottes in seinem inneren und äußeren Leben. Es geht durch das Feuer äußerer Leiden. Fällt aber ein Funke von dem heiligen Zornesfeuer Gottes ins Herz, so ist es ein inneres Brennen, das niemand kennt, außer wer es erfahren hat.

- Die Kinder Gottes sind von seinen Gerichten keineswegs ausgenommen. Vielmehr "hebt das Gericht an am Hause oder an der Familie Gottes". "Euch habe ich erwählt aus allen Geschlechtern der Erde, darum will ich euch auch heimsuchen in all eurer Missetat" (Amos 3, 2). Gott nimmt es am allergenausten mit seinen Kindern und erweist sich heilig an denen, die ihm nahen (3. Mose 10, 3). Wir stehen im Anfang der Gerichtszeit, die über Gottes Volk kommt, ehe der Heiland erscheint. Es meinen manche, die Gemeinde des Herrn werde vor der letzten Trübsal entrückt. Diese Lehre läuft stracks wider die Heilige Schrift. "Der Gerechte", sagt Petrus, "wird kaum erhalten" werden, und Jesus selbst betont, daß, wenn es möglich wäre, selbst die Auserwählten in der letzten Trübsal zu Falle kommen würden.

- "Der Herr, dein Gott, ist ein verzehrendes Feuer und ein eifriger Gott." Wenige Verse nachher lesen wir: Der Herr, dein Gott, ist ein barmherziger Gott" (5. Mose 4, 24.31). Es ist beides wahr. Wenn du geängstet sein wirst und all das Schwere dich treffen wird, so wirst du dich bekehren zum Herrn, deinem Gott, und seiner Stimme gehorchen, dann wird er sich als der Barmherzige erweisen." Feuer geht vor ihm her. Gericht und Gerechtigkeit ist seines Thrones feste Grundlage. Aber Gnade und Treue sind vor seinem Angesicht. Barmherzigkeit ist sein eigentliches Wesen.

- Was Erbarmen ist, weiß nur, wer das Gerichtsfeuer gekostet hat. Wir dürfen den Ernst Gottes nie vergessen, auch wenn wir Barmherzigkeit erlangt haben. Hüten wir uns, die Güte Gottes zum Ruhepolster zu machen! Wir könnten am Ende in der Hölle erwachen. Unser inneres Leben bleibt nur dann gesund, wenn wir beides allezeit beherzigen: die Güte und den Ernst Gottes. Er selbst rüttelt uns mitunter unsanft auf, wenn wir allzu sicher unter dem Sonnenschein der Gnade werden. Haben wir wohl schon beachtet, daß die Apostel öfter die "Furcht" Gottes betonen, im Gegensatz zu einem süßlichen Christentum? "Führet euren Wandel, solange ihr hier wallet, in der Furcht!" Durch solch heiliges Bangen wird uns die Gnade immer neu erquickend und anbetungswürdig.