Römerbrief

Röm 7,19 C.Eichhorn Der innere Widerstreit Das Gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. Röm. 7, 19

Erst mit der Bekehrung trat in der Seele des Apostels der unselige schmerzliche Zwiespalt ein zwischen Wollen und Doch-nicht-können. Oder sollte er in diesem inneren Zwiespalt schon vor der Bekehrung gestanden haben? Das ist doch wohl undenkbar. Der Verfolger Saulus war kein innerlich gelähmter Mensch. Vielmehr war er von dem stolzen Bewußtsein eines gesetzeseifrigen Juden durchdrungen. - Erst als der Stachel von oben in sein Inneres gedrungen war, entstand in ihm ein innerer Aufruhr. Er erkannte nun den Willen Gottes in seiner ganzen Tiefe und in seinem ganzen Umfang. Er erkannte und wollte das Gute. Aber er konnte es nicht vollführen. Da ist sich der Mensch selbst ein Rätsel: "Ich weiß nicht, was ich tue!" Ich hasse im Grunde das Böse - und tue es doch! Ich will rein sein - und gebe mich der Unreinheit hin! Ich gebe allen Geboten Gottes recht - und übertrete sie doch! Woher kommt das? "Ich bin fleischlich, unter die Sünde verkauft." Wer an eine fremde Macht verkauft ist, muß ihr unerbittlich dienen. Wollte der Mensch der Sünde sich entziehen, müßte er sich selbst entrinnen. Sie wohnt in ihm. - Der alte Mensch muß erst sterben, zuvor müht man sich vergebens ab. Wenn der Mensch nichts Gutes, nur Böses in sich findet, hat das Gesetz seine Aufgabe erfüllt. Es kann kein neues Leben schaffen, sondern nur dem Menschen die Augen öffnen, daß er sich als Sünder erkennt. Es zeigt ihm den ganzen inneren Ruin und die Verwüstung seines Wesens. - Die Lage, in die er versetzt wird, ist um so drückender, weil er doch nach seinem inwendigen Menschen, dem "Gemüt", oder nach seinem sittlichen Empfinden und Urteil das Gute will. Durch die Erweckung von oben hat der Mensch einen besseren Zug oder ein besseres Wollen gewonnen. Er versucht es auch, den Willen Gottes durch eigene Kraft zu vollbringen. Aber je mehr er den Kampf gegen die Sünde aufnimmt, desto mehr empfindet er ihre zwingende Macht. Er sieht ein "Gesetz" als gebietende Macht in seinen Gliedern. Ihm kann er sich nicht entziehen. Es öffnen sich ihm traurige Tiefen in seinem Wesen. Er liebt das Gesetz Gottes. Er möchte das Gute. Aber gegen die Sünde als Macht in seinem Fleisch ist er ohnmächtig. Die selbstischen Triebe, die Sucht nach Ehre und Stellung, nach Geld und Besitz, nach Genuß und Sinnenlust beherrschen ihn. Wenn der Mensch durch die Erweckung von oben einen besseren Zug und Willen gewonnen hat, so setzen sich diese niederen Triebe gleichwohl durch und nehmen den Willen gefangen. Der Mensch muß ihnen nachgeben, kann nicht gegen sie aufkommen. Er spürt, daß es anders werden muß. Er will auch anders werden. Doch oft ist es noch kein ganzer Wille. So ist es ein Hin- und Hergeworfenwerden. Oft erst nach Erfahrungen immer neuer und schmerzlicher Niederlagen vertieft sich das Wollen zu einem ganzen, unabweisbaren Willen: Ich muß gerettet werden, sonst verzweifle ich elender Mensch.