Röm 6,5
C.O.Rosenius
So wir samt Ihm gepflanzt werden zu gleichem Tode, so werden
wir auch Seiner Auferstehung gleich sein. Röm. 6, 5.
Eigentlich heißt das: ,,Wir werden mit Ihm einsgemacht werden
zur Gleichheit Seines Todes und Seiner Auferstehung." Diese
Worte werden am besten durch ein Bild Christi erklärt, in
dem Er sich mit einem Weizenkorn vergleicht, das in die
Erde gelegt wird und ersterben muß, bevor es Frucht bringt.
Ebenso müssen auch wir aller unserer eigenen Fähigkeit und
Tauglichkeit absterben, bevor wir ein neues himmlisches
Leben erhalten und eine solche Saat werden können, die der
himmlische Säemann gutheißt und in Seine Scheunen sammelt.
Solange der Mensch noch selbst etwas zu sein und zu vermögen
meint, ist alles, was er tut, auch sein frömmstes Wesen,
,,vom Fleisch geboren" und ein Greuel vor Gott. Wenn es
am besten zu sein scheint, ist es mit dem Laster der
Selbstvergötterung und mit allerlei Greueln der vergifteten
Natur befleckt. Alle unsere eigene Kraft und Fähigkeit,
unsere Klugheit und Wirksamkeit müssen darum niedergeschlagen
und zunichtegemacht werden, wenn Gott Seine Kraft an uns
offenbaren soll. Erst wenn der Sünder ganz verloren,
ohnmächtig und ratlos daliegt, in diesem verlorenen Zustand
aber die Stimme des Sohnes Gottes von lauter Barmherzigkeit
und Gnade zu hören bekommt, erst dann fängt das wahre Leben
in ihm an.
Von diesem Geheimnis verstehen die Gesetzesklugen nichts.
Sie meinen, daß man heilig werde, wenn man sich nur recht
ernstlich anstrenge. Das Wort Christi: ,,Ohne Mich könnt ihr
nichts tun" werfen sie hinter sich oder fassen es nur so auf,
daß man beten müsse. Der Herr aber sagt nicht: Es sei denn,
daß ihr zu Mir betet. Er sagt: ,,Es sei denn, daß ihr in Mir
bleibt gleichwie die Rebe am Weinstock, so könnt ihr nichts
tun; bleibt in Meiner Liebe." Gewiß ist das Beten hier
erforderlich. Aber mit dem Beten entsteht keine wahre
Heiligung, wenn nicht auch das geschieht, was die Schrift
lehrt, daß du nämlich ohnmächtig und verloren in dir selbst
wirst und dein Leben nur in Christus erhältst und einsgemacht
wirst mit Ihm zur Gleichheit Seines Todes und Seiner
Auferstehung. Es muß nach dieser Regel gehen: ,,Es sei denn,
daß das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt
es allein; wo es aber erstirbt' so bringt es viele Früchte."
Die rechte Heilung hat in deinem Herzen dann angefangen, wenn
du aus gemachter Erfahrung sagen kannst: ,,Wie ängstlich ich
auch Gerechtigkeit und Heiligung in mir suchte, so bin ich
doch mit all meinem Tun zuschanden geworden, habe dann aber
endlich sowohl meine Gerechtigkeit als auch meine Heiligung
in einem Anderen gefunden - in meinem Herrn Christus allein.
Ich gedachte vieles zu tun, ich kämpfte, ich betete, ich
faßte Vorsätze, wurde aber immer unglücklicher, sündiger
und elender, bis ich an aller Arbeit verzweifelte und wie
verloren
dalag. Da kam der Herr und machte mich lebendig. In Seiner
Gnade allein wurde ich selig. Oft fiel ich wieder in den
alten Wahn meiner eigenen Kraft und Tauglichkeit; denn ich
meinte, es wäre wohl doch meine Sache, mich zu heiligen. Ich
begann wieder mit meiner eigenen Arbeit, als müßte ich so und
so glauben, beten, streiten, und ich meinte, selbst einige
Kraft dazu zu haben. Dann wurde ich aufs neue ohnmächtig und
verloren, konnte nicht glauben, nicht beten, nicht einmal
etwas denken, als gerade nur das, was der Herr für jeden
Augenblick in mir wirkte. Und als ich so aufs neue
niedergeschlagen, ohnmächtig und tot war, da kam der Herr
wieder mit Seinem Evangelium und führte mich zurück in die
Festung, aus der ich gewichen war, in Seine Gnade allein,
und ich erhielt wieder Lust und Kraft zum Guten." -
Sieh, wenn du das erfahren hast und so nur in Christus deine
Gerechtigkeit und deine Heiligung gefunden hast, so daß du
dich in allen Dingen und in jedem Augenblick von Ihm abhängig
fühlst, dann weißt du, was rechte Heiligung ist, dann ist
Wahrheit im Töten deines alten Menschen. Und dann werden
nicht nur seine Ausbrüche gehemmt, sondern auch das Innere,
das eigentliche Herz und Leben des alten Menschen, die tiefe,
unendliche Selbstsucht und die schnöde Einbildung eigener
Kraft und Tauglichkeit, die das eigentliche Leben und Herz
des alten Menschen ausmachen, werden getötet. Aus dieser
Quelle kommen gräßliche Sünden, als da sind Hochmut,
Gottvergessenheit, Sicherheit, Unglaube, Kälte, Ungehorsam,
Übermut, Wollust, Zorn, Ungeduld, Falschheit, Lüge und andere
Sünden und Greuel. Soll diese ganze Schlangenbrut nun
angegriffen und getötet werden, dann muß zuerst jene Wurzel
eigener Kraft niedergeschlagen werden - und dies nicht nur
einmal bei der Bekehrung, sondern unser ganzes Leben hindurch
in der täglichen Buße. Gleichwie wir das erstemal durch das
Gesetz zuschanden wurden, so müssen wir auch fernerhin
unausgesetzt niedergeschlagen und gedemütigt werden, sobald
wir etwas sein, werden und vermögen wollen, auf daß wir nie
unseren Trost und unsere Freude an uns selbst oder an etwas
in uns Vorhandenem suchen, sondern sie nur in dem Herrn
Christus haben sollen.
Damit wir aber nicht in unserem Elend liegenbleiben oder in
Knechtschaft und Ohnmacht enden müssen, sondern der neue
Mensch, ,,der Sinn des Geistes, der Leben und Friede ist",
auch beständig genährt und aufrechterhalten wird, so ist es
nötig, daß wir durch das Evangelium auch beständig getröstet
und im Gewissen aufgerichtet und froh und selig in der Gnade
werden. So kommt es immer zu einer wirklichen und lebendigen
Heiligung aus dem Geist, die nicht selbstgemacht, tot und
oberflächlich ist.
Mein Seligkeitsherzog, mein Herr Jesus Christ,
Preis Dir, der mein alles in allem nun ist!
Preis Dir, der mein eig'nes Gebäude ließ brennen,
Mich lehrte das Leben von Gnad' allein kennen!
C.O.Rosenius
So wir samt Ihm gepflanzt werden zu gleichem Tode, werden
wir auch Seiner Auferstehung gleich sein. Röm. 6, 5.
Möchte doch jeder hier das Geheimnis der wahren Heiligung
beachten! Der Apostel sagt nicht, daß wir nur nach der
Gleichheit des Todes und der Auferstehung Christi trachten
sollen, sondern er sagt, daß wir auch ,,mit Christus
gepflanzt, einsgemacht, zusammengepflanzt sind zu der
Gleichheit Seines Todes und Seiner Auferstehung." Das Wort
,,zusammengepflanzt" oder ,,zusammengewachsen" bedeutet die
innigste Vereinigung mit Christus. Was könnte eine innigere
Vereinigung darstellen als die zwischen einem wachsenden
Zweig und dessen Stamm? Sie sind doch ganz und gar ein
Körper. Dasselbe Leben und dieselben Säfte, die im Stamm
sind, sind auch im Zweig. Sie sind dem Wesen nach eins.
Welch ein Wunder der Gnade Gottes! Jesus hat die Vereinigung
zwischen sich und den Gläubigen so beschrieben; Er tat es mit
dem Bild von den Reben am Weinstock (Joh. 15). Da redet Er
von diesem ,,Zusammengewachsensein" mit Ihm und spricht:
,,Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben; wer in Mir
bleibt und Ich in ihm" usw. Am gleichen Abend sagte Er auch
zu Seinem himmlischen Vater: ,,Ich bin in ihnen, und Du in
Mir, auf daß sie vollkommen seien in eins."
Das ist gewiß ein Gnadenwunder, das alle unsere Gedanken
übersteigt. Und wie der Apostel hier diese innige
Vereinigung mit Christus, dieses ,,Zusammenwachsen" als den
Grund zur rechten Heiligung, zur Tötung des Fleisches und zum
Wandel im neuen Leben darstellt, so spricht auch Christus:
,,Wer in Mir bleibt und Ich in ihm, der bringt viele Frucht;
ohne Mich könnt ihr nichts tun. Gleichwie die Rebe kann
keine Frucht bringen von ihr selbst, sie bleibe denn am
Weinstock, also auch ihr nicht, ihr bleibt denn in Mir." Wir
müßten doch den Herrn selbst und Seine Apostel hören und
ihnen glauben. Wie viele reden von der Heiligung, indem sie
nur mit Geboten, Regeln und Antreibungen die Menschen heilig
machen wollen, ohne Rücksicht darauf, ob dieselben mit Jesus
Christus in Vereinigung stehen, ob sie ,,dem Gesetz
gestorben" sind und im Glauben leben.
Möge ein jeder sich vor dieser gefährlichen Verführung hüten,
die nur ,,übertünchte Gräber", Heuchler und Werkheilige
schafft, und die zudem in der Natur aller Menschen gegründet
ist, weil wir stets geneigt sind, zu wähnen, daß wir zur
Erfüllung des Willens Gottes selbst Kräfte hätten, wenn
wir uns nur anstrengten. Bedenke dann jeden Tag, daß der
Apostel, als er die Lehre von der Heiligung vornehmen wollte,
nicht damit anfing, uns Gebote und Regeln zu geben, auch
nicht mit bloßen Strafen, Ermahnungen und Antreibungen
zu drohen, sondern er schreibt zuerst von dem Grund
und der Bedingung aller wahren Heiligung, nämlich von
einer innigen Vereinigung mit Jesus Christus. Wir sind
,,zusammengepflanzt", sind ,,gestorben mit Christus", mit Ihm
,,begraben" und ,,auferstanden", das muß vorausgehen. Auch
in dem Brief an die Kolosser beginnt er den Ermahnungsteil
mit den Worten: ,,Seid ihr nun mit Christus auferstanden"
usw., ,,denn ihr seid gestorben" usw. Und der Herr Jesus
selbst erklärt, wie wir Frucht bringen können: ,,So ihr in
Mir bleibt. Gleichwie die Rehe von selbst keine Frucht
bringen kann."
Wann werden wir wohl endlich von der unheilvollen Torheit
befreit werden, Früchte zu erwarten, noch bevor der Baum
gepflanzt ist, und von dem tiefen Wahn, daß wir in uns selbst
Kräfte hätten, um gute Früchte zu bringen?
Wenn du noch nicht mit Christus zusammengepflanzt bist,
dann ist es unmöglich, daß du gute Früchte bringen kannst.
Dagegen ist es ebenso unmöglich, daß du ohne Frucht sein
kannst, wenn du in wirklicher Vereinigung mit Ihm bist.
Er selbst spricht: ,,Wer in Mir bleibt und Ich in ihm, der
bringt viele Frucht." Indem Er sagt: ,,Eine Rebe an Mir, die
keine Frucht bringt", spricht Er von denjenigen, ,,die den
Namen haben, daß sie leben und sind tot". Von allen aber,
die wirklich in Ihm leben, sagt Er, daß sie Frucht bringen,
etliche hundertfältig, etliche dreißigfältig. Es ist
unmöglich, daß Christus - mit Seinem Geist in unseren Herzen
wohnend - nichts ausrichten würde. Darum, wenn du nur ,,dir
selbst" nach dem Lauf dieser Welt lebst und das tust, was das
Fleisch und die Sinne gelüstet, der Gesinnung entfremdet, die
das Gesetz Gottes liebt und den alten Menschen angreift und
unterdrückt, dann kannst du daraus wissen, daß du nicht in
der Vereinigung mit Christus lebst. Daß du einst in der
Taufe mit Ihm gepflanzt warst, oder daß du jetzt deinen
Glauben und Ihm anzugehören bekennst, das hilft dir nichts,
wenn du ohne eine Vereinigung mit Christus weiterlebst. Du
hast deinen Taufbund verleugnet und bist eine von Christus
abgebrochene Rebe, die so immer verdorrter wird. Gott aber,
,,der da lebendig macht die Toten und ruft dem, das nicht
ist, daß es sei", Er tut noch immer große Wunderwerke.
Gerade, ,,da wir tot waren in den Sünden, hat Er uns mit
Christus lebendig gemacht."
,,Gott ist reich an Barmherzigkeit durch Seine große Liebe."
Auch an dir will Er dieses große Wunderwerk tun, von dem
Jesus sagte: ,,Die Toten werden die Stimme des Sohnes Gottes
hören; und die sie hören werden, die werden leben."
Was soll ein Müder laufen? Wenn dann für alle Sünden
Was soll ein Armer kaufen? Wir Jesu Gnade finden,
Was soll ein Kalter brennen? Wird unser Herz entbrennet,
Er muß erst Jesum kennen. Ist reich und lebt und rennet.