Röm 6,2
C.O.Rosenius
Wie sollten wir in der Sünde leben wollen, der wir
abgestorben sind? Röm. 6, 2.
Daß wir der Sünde abgestorben sind, erklärt der Apostel V.
3-11 so, daß wir in der Taufe zur Gemeinschaft und Gleichheit
des Todes und des Lebens Christi geweiht sind. Wir sind
,,samt Christus gepflanzt," sagt er, zu gleichem Tod wie
der Seinige, der ein ,,der Sünde Sterben" war. Gleichwie
Christus in Seinem Tod Abschied nahm von unseren Sünden, die
Er nicht mehr tragen wird, so sind alle Gläubigen in der
Taufe ,,gepflanzt zu gleichem Tode", haben Abschied genommen
von ihrem alten Sündenleben, so daß sie hinfort der Sünde
nicht dienen werden.
Wenn wir dies aber so verstehen würden, wie es von denen
verstanden wird, die nichts von einer neuen Geburt wissen,
nämlich, daß es nur ein Bund, ein Gelübde in der Taufe ist,
wodurch wir verpflichtet werden, der Sünde abzusterben und
Gott zu leben, dann haben wir wahrlich noch nicht die
Meinung des Apostels in den Worten ,,der Sünde abgestorben"
verstanden. Gewiß ist es auch ein Bund, aber damit ist nicht
die ganze Sache ausgesprochen. Gleichwie die Trauung und das
Gelöbnis noch nicht einen guten Ehegatten machen, sondern
dazu auch ein inneres Werk, das der Liebe, vonnöten ist, und
gleichwie die Predigerweihe und der Eid nicht einen wahren
Seelsorger machen, sondern dazu noch ein für die Seelen
sorgender Geist notwendig ist, so bewirken auch die bloße
Taufe und der bloße Bund nicht, daß man ,,der Sünde
abgestorben ist", wenn nicht ein göttliches Werk in der
Seele hinzukommt. Christus redet von einer Geburt aus dem
Wasser und dem Geist. Der Apostel redet von dem Bad der
Wiedergeburt und der Erneuerung des Heiligen Geistes. Solche
Worte erklären uns das Geheimnis und die volle Bedeutung
der Worte ,,wir, die wir der Sünde abgestorben sind". Der
Apostel redet hier nicht von falschen Christen, von einigen
Ungläubigen, die getauft waren, sondern er bezieht sich
auf diejenigen, die wahrhaftig ,,empfangen die Fülle der
Gnade und der Gabe zur Gerechtigkeit". In diesen ist ein
göttliches Leben, ein Geist, der die Sünde nicht dulden kann;
und hier wird es Wahrheit und Wirklichkeit, daß sie ,,der
Sünde abgestorben sind".
Dies ist die zweite herrliche Gabe, die uns mit dem Glauben
gegeben wird, nämlich dieses Werk des Geistes in der Seele,
daß wir aus Gott geboren sind, ein neues Herz, einen neuen
Sinn und einen neuen Geist haben, der nicht in der Sünde
leben kann. Das ist es, was am besten durch die Erfahrung
erklärt wird. Während ich nämlich unter dem Gesetz
vergeblich kämpfte, um einen heiligen Sinn zu erhalten, aber
immer erfuhr, daß in demselben Grade, wie die Sünde gehemmt
wurde, die innere Bosheit zunahm, durfte ich dagegen, als ich
an aller eigenen Arbeit verzweifelte, erfahren, wie ich durch
den Glauben mit einem Male aus lauter Gnade selig wurde; und
jetzt sah ich
mich von allen Sünden und den Urteilen des Gesetzes allein
durch Christus befreit. Zugleich empfing ich eine ganz neue,
mir zuvor unbekannte heilige Gesinnung und Lust in meinem
Herzen, einen neuen, willigen, heiligen Sinn, der jetzt das
Gesetz Gottes herzlich liebte und das Böse haßte, daß ich in
mir fühlte. Derselbe weltliche, sündliche Lebenswandel, der
zuvor meine Lust und mein Leben war, wurde jetzt meine Plage.
Dieses wunderbare Werk in der Seele erwähnt Johannes: ,,Wer
aus Gott geboren ist, der tut nicht Sünde, denn der Same
Gottes bleibt bei ihm; er kann nicht sündigen." ,,Er kann
nicht sündigen," sagt der Apostel. Das ist die merkwürdigste
Erfahrung, daß ein Christ, wenn auch die gräßlichsten
Versuchungen ihn plagen oder auch übereilen und zu Boden
werfen, doch nicht in der Sünde verbleiben kann, solange
,,der Same Gottes" bei ihm bleibt. Er kann nicht Sünde tun,
d. h., er kann nicht freiwillig die Sünde ausüben, was
Paulus hier ,,in derselben leben zu wollen" nennt; sondern,
ob er auch von derselben zu Boden geworfen wird, so fällt er
doch wie ins Feuer oder ins Wasser, worin man nicht leben
kann, sondern woraus man stets herauszukommen eilt. So
ergeht es dem, der ,,aus Gott geboren ist". Ein Fall bewirkt
nur eine neue, größere Angst und Furcht vor der Sünde, so daß
er aufs neue, nur noch wachsamer und gottesfürchtiger, den
guten Weg zu wandeln anfängt, solange der Same Gottes bei
ihm bleibt.
Ein Christ ist so beschaffen, daß ihm wohl und er in seinem
rechten Lebenselement ist, wenn er vor der Sünde in Frieden
sein und den Weg der Gebote Gottes wandeln kann. Wenn er
aber von der Sünde angefochten wird, dann wird er
erschrekken, geplagt und unruhig sein, als ob er von einem
Feinde angefallen würde. Daraus merkt man sehr wohl, daß
sein rechtes Leben Heiligkeit ist, daß er ,,der Sünde
abgestorben ist". Hierüber lauten Luthers bekannte Worte:
,,Es ist unmöglich, daß nicht der ein heiliger Mensch sei,
welcher von der Sünde (davon, daß er gegen seinen Gott
sündigt) leidet; denn der eine Teufel treibt nicht den andern
aus." Das ist dieses göttliche Werk in der Seele, welches
bewirkt - was sogar die Welt sieht und wovor sie erschrickt
-, daß diejenigen, die im Evangelium Christi zu leben
anfangen, auch von dem Wesen der Welt und von dem ganzen
früheren Sündenleben Abschied nehmen und hinfort einen ganz
anderen Weg durch das Leben wandeln. Diese Tatsache erklärt
gewiß die Worte des Apostels: ,,Wir, die wir der Sünde
abgestorben sind."
Ich bin getauft auf Deinen Namen
Gott-Vater, Sohn und Heil'ger Geist;
Ich bin gezählt zu Deinem Samen,
Zum Volk, das Dir geheiligt heißt;
Ich bin in Christi Tod versenkt
Und bin mit Seinem Geist beschenkt.