Röm 5,3
C.H.Spurgeon
Geborgen im Kampf.
"Wir rühmen uns auch der Trübsale." Röm. 5, 3.
Die Art, wie Gott die Seinen schützt, besteht nicht darin, daß
Er ihre Feinde vom Angriff zurückhält, sondern darin, daß Er
ihnen im Kampf beisteht. Es ist nichts daran, hinter einer
Mauer zu warten, die nicht erstürmt werden kann; wohl aber,
mitten im Hagel der schwirrenden Pfeile zu stehen, wo die
Speere ringsum sausen, wo die Schwerthiebe von allen
Seiten niederschmettern; und mitten in diesem Kampfgewühl
unverwundbar, unbesieglich, unsterblich dastehen: das
heißt, ein göttliches Leben in sich tragen, das von keiner
menschlichen Macht überwunden werden kann. Dazu ist der
Christ berufen. Gott stellt uns mitten in Versuchungen und
Anfechtungen hinein. Wenn wir nicht versucht werden, so
bringt's Ihm, der uns bewahrt, keine Ehre; und wenn wir nicht
versucht werden, so wird auch Seiner Gnade, die uns aus aller
Versuchung hilft, kein Dank dafür zuteil. Der Herr setzt seine
Pflanzen nicht in ein Treibhaus, wie viele Gärtner; nein, er
setzt sie der frischen Luft aus; und kommt der Frost, so
spricht Er: "Siehe, kein Frost kann sie töten, und sie
werden durch die Winterkälte nur für die Hitze des Sommers
abgehärtet." Er schützt sie weder vor der Glut der Sonne, noch
vor dem Nachtreif. In dieser Welt müssen wir Trübsal haben, und
müssen viel davon haben, denn durch viele Trübsale müssen wir
in das Reich Gottes eingehen.
Was Gott für die Seinen tut, ist das: Er trägt sie in der
Trübsal, bewahrt sie in der Versuchung, und erlöst sie herrlich
aus allen ihren Leiden. So freue dich denn deines schützenden
Horts, lieber Christ; aber glaube nicht, daß dir kein Angriff
drohe; du bist wie ein Strom vom Libanon, der über viele
Abgründe hinabstürzt, sich an manchem starken Gestein schäumend
bricht, den manchem gewaltigen Felsen im Lauf gehemmt wird, dem
mancher mächtige gefallene Baumstamm das Bett versperrt; du
aber rauschst vorwärts mit der unwiderstehlichen Kraft Gottes,
und schwemmst alles hinweg, was dir im Wege steht, bis du
endlich deine vollkommene Ruhestatt findest.
C.O.Rosenius
Wir rühmen uns der Trübsale, weil wir wissen, daß Trübsal
Geduld bringt Röm. 5, 3.
Man muß die Worte ,,weil wir wissen" genau beachten. Denn
gerade von diesem Wissen wird es abhängen, ob jemand sich
der Trübsale rühmen kann. Kein Mensch ist ,,fröhlich in
Trübsal", es sei denn, daß er etwas mehr von ihr wisse als
das, was gesehen und gefühlt wird. An und für sich ist die
Trübsal nichts Tröstliches, und auch die Christen sind nicht
von Stein, daß sie den Schmerz der traurigen Erfahrungen etwa
nicht empfinden würden. Wie sehr zeugen besonders Davids
Psalmen von solchen Leidensgefühlen der Heiligen. Wollte ich
darum nach dem urteilen, was während der Leiden gefühlt wird,
dann könnte ich mich gewiß nicht der Trübsale rühmen, sondern
müßte immer niedergeschlagen und in Verzweiflung sein. Es
ist darum notwendig, daß wir wissen, was die Trübsal bedeutet
und was sie in uns bewirkt.
Wenn einige Christen wegen einer zeitlichen Trübsal und
Widerwärtigkeit oder wegen eines zeitlichen Unglücks ganz
mut- und trostlos werden, dann scheint es wirklich so, als ob
sie nicht mehr von der Trübsal wüßten, als was sie sehen und
fühlen. So soll es bei uns aber nicht sein. Christen sollen
Leute sein, die etwas mehr sehen als das, was vor Augen ist,
und die allein schon durch die Worte ihres Vaters etwas
wissen. Sehen wir nichts Tröstliches in der Trübsal, dann
glauben wir nicht den Worten unseres himmlischen Vaters,
die Er uns von ihr wissen läßt. Laßt uns darum bedenken,
was Gott vom Leiden sagt. Zunächst sagt der Herr Christus
ausdrücklich, daß uns nichts geschehen, nicht einmal ein
Haar von unserem Haupte fallen kann ohne den Willen unseres
Vaters. Jedes Leiden, jedes Mißgeschick, groß oder klein,
ist uns also von dem uns zärtlich liebenden, weisen Vater
zugedacht. Kann etwas tröstlicher sein?
Und was sagt der Herr von dem Sinn oder der Bedeutung all des
Bitteren, das Er uns zusendet? Er sagt: ,,Die ich liebe, die
züchtige und strafe Ich." Möchten wir dieses Wort bedenken!
Auch der Apostel sagt: ,,So ihr die Züchtigung erduldet,
so erbietet sich euch Gott als Kindern." Ja, der Apostel
macht dies Zeichen der Kindschaft so wichtig, daß er die
bemerkenswerten Worte hinzufügt: ,,Seid ihr ohne Züchtigung,
so seid ihr Bastarde und nicht Kinder." - Welch
unerschöpfliche Quelle des Trostes in allen Leiden, wenn
wir nur diese zwei Wahrheiten festhalten könnten: Alles, was
uns widerfährt, Böses oder Gutes, Großes oder Kleines, ist
uns von unserem Vater zugesendet. Alles, was uns züchtigt,
niederschlägt, erschreckt und bekümmert, uns, die wir durch
den Glauben an Christus leben, zeugt von der väterlichen
Fürsorge Gottes um uns und ist ein Zeichen unserer Kindschaft
und einer fortwährenden Erziehung für den Himmel. - Sieh,
wenn du noch nicht bekehrt bist, dann ist es nur ,,deiner
großen Bosheit Schuld", daß du so gestäupt wirst; und etwas
noch Schrecklicheres wartet auf dich, wenn keine Bekehrung
geschieht. Hast du aber die Gnade der Bekehrung und die
Gerechtigkeit des Glaubens gesucht, dann sollst du wissen,
daß in allen deinen Leiden nur väterliche Liebe ist! Welch
reiche Trostquelle ist es, solches zu wissen!
Weiter haben wir auch eine Trostquelle in den heilsamen
Wirkungen der Trübsale. Gerade von diesen sagt der Apostel:
,,Die Trübsal bringt Geduld." Das Wort ,,Geduld" darf nicht
nur von einer stillen Ergebung im Leiden verstanden werden;
das Wort des Grundtextes bedeutet vielmehr zunächst
Standhaftigkeit, Ausharren in allem Guten, Reife und
Festigkeit im Christentum und Beharren bis ans Ende. Solches
bewirkt das Leiden bei wahren Christen. Während die Welt
durch Leiden ihren Halt verliert und gegen Gott murrt und
lästert, und während diejenigen, die das Wort nur äußerlich
mit Freuden aufgenommen, darin aber keine Wurzel haben und
zur Zeit der Anfechtung abfallen, werden diejenigen, die
wahrhaftig in Christus gewurzelt sind, durch Trübsale stets
fester, vertiefter und ernster in der Gottesfurcht.
Was der Apostel hier im Auge hat, kann man oft an erweckten,
gläubigen Menschen sehen. Selbst bei einem wahren
Geistesleben im Herzen ist ein junger, ungeprüfter Christ
doch oft ganz unbeständig und wankend. Die Sinnlichkeit und
die Welt führen ihn weit ab vom rechten Wege. Dann werden
liebevolle Mitchristen besorgt und fragen: ,,Wie wird das
enden?" Doch bevor man sich's gedacht, kommt Gott mit Seiner
Hilfe, indem Er dem schwachen Christen eine schwere Last zu
tragen gibt, eine langwierige Trübsal, einen herben Verlust
für das ganze Leben, eine lang anhaltende Krankheit oder
Armut, eine demütigende und harte Versuchung; und der zuvor
Unbeständige, Wankende wird von dieser Zeit an viel
befestigter und gottesfürchtiger, forscht jetzt tiefer
im Wort, kämpft jetzt ernstlicher im Gebet und fürchtet
sich jetzt immer mehr vor seinem eigenen Herzen.
Die Trübsal bringt Standhaftigkeit, aber dadurch bewirkt
sie auch Geduld. Derselbe Mensch, der in der Zeit des
Wohlergehens voller Ansprüche und Ungeduld war, so daß er bei
der geringsten Widerwärtigkeit gegen Gott und Menschen klagte
und murrte, wird durch langwieriges Leiden so geduldig und
fröhlich gesinnt, daß schließlich sowohl Gott als auch die
Menschen ihm allzugut erscheinen. Um aber immer dem Wege
Gottes zu folgen, ist eine Geduld im höheren Sinne
erforderlich. Sollen wir in allen Prüfungen des geistlichen
Kampfes und in der wundersamen Haushaltung Gottes stets
aushalten, dann benötigen wir besondere Geduld, wie auch der
Herr Christus sagt: ,,Fasset eure Seelen mit Geduld."
Gottes Liebe nimmer endet,
Ewig ist auch Seine Macht.
Alles Er zum Besten wendet
Für Sein Kind, Er hat's gesagt.
Freilich züchtigt Er's und strafet,
Ja, Er züchtigt es gar sehr,
Doch auch Linderung Er schaffet,
Daß es nimmer wird zu schwer.