Röm 4,4
C.O.Rosenius
Dem, der mit Werken umgeht, wird der Lohn nicht aus Gnaden
zugerechnet, sondern aus Pflicht. Röm. 4, 4.
Im Grundtext heißt es eigentlich: ,,Dem aber, der wirkt,
der arbeitet", so daß Luther es treffend wiedergibt, wenn
er sagt: ,,Der mit Werken umgeht." Daß das Wort ,,wirken"
in unserem Texte die Vertröstung des Herzens auf die Werke
bezeichnet, sehen wir aus dem, was der Apostel als das dem
Entgegengesetzte ausdrückt, indem er sagt: ,,Dem, der da
nicht wirkt, sondern glaubt an den, der die Gottlosen gerecht
macht" usw. Da merken wir, daß das Wort ,,wirken" hier
bezeichnet, daß das Herz seine Hoffnung aufs Wirken gesetzt
hat. Wenn das Herz frei, dem Gesetz getötet und an Christus
gläubig ist, dann ist das Wirken kein Hindernis für die
Gerechtigkeit vor Gott, sondern vielmehr eine Frucht und ein
Beweis derselben. Die Sache ist diese: Wie dein Verständnis
und dein Bekenntnis auch sein mögen, so kann das Herz doch
nicht umhin, seine Hoffnung auf eines dieser beiden Dinge zu
setzen; entweder auf dein eigenes Wirken, dein Sein, dein Tun
- oder aber auf den, der die Gottlosen gerecht macht. Unser
eigener Werkverdienst und die Gnade Gottes durch Christus
stehen sich schnurstracks entgegen. Wenn ich nun meine
Hoffnung auf mein eigenes Wirken habe, kann ich sie
unmöglich auf Christus haben. Dann ist mein Wirken immer die
Hauptsache in meinem Herzen und in meinen Gedanken, was der
Verstand und der Mund auch sagen mögen, und dann werde ich
hier ein Wirker genannt und erhalte von Gott nur nach meinem
Verdienst, nur das mir Zustehende.
,,Dem wird der Lohn nicht aus Gnaden zugerechnet, sondern
aus Pflicht." Beachte! Wer da wirkt, erhält ,,Lohn" -
nicht Gnade, sondern ,,Lohn". Wenn er in allen Teilen das
erfüllte, was der Hausherr forderte, dann erhält er den
ausbedungenen Lohn und braucht nicht wie für eine Gnadengabe
zu danken, sondern es ist jetzt sein eigener Verdienst. Wenn
dagegen etwas an der Erfüllung seiner Schuldigkeit fehlt,
wird er bestraft, er erhält nichts aus Gnaden. So will es
das Gesetz. Wer mit den Bedingungen des Gesetzes umgeht, der
wird auch nach ihnen gerichtet. So haben wir es schon den
Herrn Jesus an den Arbeitern im Weinberg erklären sehen; und
in dieser Regierung Gottes ist eine unerschütterliche
Bestimmtheit. Da ist keine Schonung. Wer mit den Werken
umgeht, der wird nach seinen eigenen Werken belohnt und
erhält nichts aus Gnaden. Wenn ein solcher vielleicht viel
mehr Werke getan hat als derjenige, der Gnade sucht und
empfängt, so scheint dies sehr hart zu sein. Aber hier hilft
nichts. Es liegt hierüber ein strenger, unbeweglicher Ton in
den Worten der Schrift. Als einer der Arbeiter murrte, war
keine Nachgiebigkeit bei dem Hausherrn; er gab dessen Murren
nicht einen Augenblick nach, sondern antwortete: Bist du
nicht mit mir eins geworden um einen Groschen? Nimm, was
dein ist und gehe hin." Dieselbe zerknirschende Sprache führt
der Apostel auch in Röm. 9, Bekümmert über die hartnäckige
Selbstgerechtigkeit der Juden und über ihre davon
unzertrennliche Verdammnis redet er dort in diesem Ton: Euer
Arbeiten und Laufen, um gerecht zu werden, hilft euch nichts.
Ihr habt die Erwählung Gottes gegen euch. Gott hat nur die
erwählt, die da glauben, und Er hat die verworfen, die mit
Werken umgehen. Das ist Gottes eigene Sache. ,,So liegt es
nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes
Erbarmen", wer selig werden wird. Die nach der Gerechtigkeit
getrachtet haben, haben sie nicht erlangt; die aber nicht
nach derselben getrachtet haben, die haben sie erlangt.
Warum das? Darum, weil die ersteren die Gerechtigkeit aus
den Werken suchten - sie erhielten sie nicht; die anderen
dagegen, die sie durch den Glauben annahmen, erhielten sie.
In gleicher Weise redet der Apostel in Gal. 4, wo er die
Seligkeitssuchenden in zwei Klassen teilt, indem er sie mit
den zwei Söhnen Abrahams bezeichnet, dem Sohn der Magd und
dem der Freien, also Knechte und Kinder, welch letztere er
auch ,,Söhne der Verheißung" nennt. Und er sagt, daß es den
ersteren ohne Schonung nach den Worten ergehen wird: ,,Stoß
die Magd hinaus mit ihrem Sohn; denn der Magd Sohn soll nicht
erben mit dem Sohn der Freien." Wie hart scheint dies zu
sein! Wenn sie lange gearbeitet und geknechtet haben, dann
sollen sie zuletzt hinausgestoßen werden! Menschen, die hier
auf Erden Gäste der Hochzeit des Himmelreiches waren und
sich so sehr der Werke im Wandel befleißigt haben, aber
schließlich keine ,,hochzeitlichen Kleider" anhaben, sollen
,,in die äußerste Finsternis hinausgeworfen werden." So groß
ist der Eifer des Herrn um die Gerechtigkeit Seines Gesetzes
und um die Ehre Seines Sohnes! Ach, daß alle Menschen, die
Christen sein wollen, dies doch recht bedächten! In dieser
Sache geht es nicht, mit seinen Gedanken hierhin und dorthin
zu schweifen und einen Seligkeitsweg nach eigenem Wahn zu
bestimmen, sondern hier besteht ein unerschütterliches
Urteil, das kein Mensch fällte und darum auch kein Mensch
ändern kann, weil es der eigene feststehende Rat und Beschluß
des allmächtigen Gottes ist: Derjenige, der selig werden
will, muß ein armer und verlorener Sünder sein, der an all
seiner eigenen Gerechtigkeit und Kraft verzweifelt und allein
in Jesu Christi Gerechtigkeit seine Errettung sucht.
Wohlan, so fahre hin
Du eitles Bessermachen!
Es ekelt meinem Sinn
Vor allen eignen Sachen;
Die Ruhe muß allein
In Jesu Wunden sein.