Röm 2,4
C.O.Rosenius
Verachtest du den Reichtum Seiner Güte, Geduld und
Langmütigkeit? Weißt du nicht, daß dich Gottes Güte zur
Buße leitet? Röm. 2, 4.
Dies ist ein Spruch, der alle Menschen zu ernster Besinnung
erwecken sollte. Wer kann wohl alles aussagen, was in den
Worten ,,Güte, Geduld und Langmütigkeit" liegt? Eine ganze
Welt von Gottes Wohltaten und Gnadenbeweisen, einst im Lichte
der Ewigkeit erklärt, - welch eine gewaltige Felsenlast auf
der Seele, die sich trotzdem nie zur Buße bewegen ließ! Güte
ist die Gesinnung des Wohltuns, wodurch jemand beständig den
Menschen dienen will, auch den unbekannten und unwürdigen.
Ein Gegenstand der Güte kann sehr unwürdig sein, ein
Gegenstand der Liebe zu sein; denn die Güte will nur Gutes
tun, ohne Rücksicht auf die Würdigkeit oder Unwürdigkeit des
Gegenstandes. Gottes Güte ist die Eigenschaft, durch die
,,Er Seine Sonne aufgehen läßt über die Bösen und über die
Guten und regnen läßt über Gerechte und Ungerechte". Gottes
Güte ist die unerschöpfliche Quelle, aus der alle Seine
Wohltaten gegen uns unaufhörlich fließen. Geduld besteht
darin, daß man auch Undankbarkeit und anderes Böse erträgt,
ohne sofort zu zürnen. Langmütigkeit bezeichnet eine lange
geübte Geduld. Gottes Langmütigkeit bezeichnet, daß Er sich
sehr langsam dazu entschließt, zu zürnen und zu strafen;
sie wurde gegen die Juden dadurch bewiesen, daß Er viele
Menschenalter hindurch Geduld an und mit ihnen übte. Während
Seine Geduld sich mit ihnen darin bewies, daß Er täglich und
stündlich ihre Undankbarkeit und Sünden ertrug, bezeichnet
die Langmütigkeit, daß Er eine lange Zeit, ja, Jahrtausende
hindurch sie noch ertrug, und daß Seine Geduld durch die
fortgesetzten Sünden des Volkes nicht erschöpft werden
konnte. Hierüber sagt der Herr selbst: ,,Ich recke Meine
Hände aus den ganzen Tag zu einem ungehorsamen Volk."
Nun sagt der Apostel, daß Gott nicht nur Güte, Geduld und
Langmütigkeit hat oder übt, sondern daß Er auch reich an
diesen Eigenschaften ist. Er spricht von dem ,,Reichtum der
Güte, Geduld und Langmütigkeit Gottes" und bezeichnet damit
die Größe, die Ausdehnung und den Überfluß derselben, die Er
in Seinem Herzen hegt und auch dadurch recht beweist, daß Er,
der Allmächtige, der unendlich erhaben über uns ist, sich
dennoch so lange Zeit hindurch für uns ungerechte, undankbare
und hartnäckige Menschen bemüht und arbeitet, nur um uns
Gutes tun zu können. Ja, der Reichtum Seiner Güte, Geduld
und Langmütigkeit ist so groß, daß der Verstand ihn nicht zu
fassen vermag. Das wird am besten damit bewiesen, daß man
oft geneigt ist, geradezu zu bezweifeln, daß es einen Gott
gibt, der die Sünde haßt, wenn Er die Bosheit der Menschen
so lange Zeit hindurch unbestraft läßt.
Solche Zweifel kommen nur daher, daß man die Größe der Geduld
und Langmütigkeit Gottes nicht zu fassen vermag. Hier müßte
man bedenken: So groß und reich, wie Gott sich in Seiner
Schöpfung, Seiner Allmacht und Weisheit erwiesen hat, so groß
und reich ist Er auch in Seiner Gnade und Barmherzigkeit.
Blicke zum Himmel empor! Kannst du die Sterne, diese
großen Weltkörper, zählen? Kannst du das Wasser des Meeres
ausmessen oder die Tropfen eines großen Stromes zählen?
Darum noch einmal: So groß Gott in Seinen erschaffenen Werken
ist, so groß und reich ist Er auch in Seiner Güte, Geduld und
Langmütigkeit. Dies ist auch die Ursache dafür, weshalb Er
in Seiner strafenden Gerechtigkeit eine Welt, die so voller
Sünde und Undankbarkeit ist, noch nicht zunichte machte.
Und was sollen wir nun tun, wenn Gott so groß in Seiner Gnade
und Barmherzigkeit ist? Wollen wir ihm umso dreister trotzen
und um so mehr gegen ihn sündigen? Möchte der Herr uns
gnädig davor bewahren! Der Apostel fragt: ,,Verachtest du
den Reichtum Seiner Güte, Geduld und Langmütigkeit? Weißt du
nicht, daß dich Gottes Güte zur Buße leitet?" -,,Verachtest
du?" Dies geschieht, wenn du Seine Güte mit fortgesetztem
Sündenleben lohnst oder wenn du gedankenlos alles Gute
vergißt, das du von Gott empfängst, daß es dich nicht im
Laufe aufhält und zur Buße leitet. Bedenke: Wenn die Güte
und Freundlichkeit Gottes nur mäßig wären, könnte es eine
geringere Gefahr sein, Ihn so zu verachten; ein sehr mildes
und sehr gnädiges Wesen aber zu verachten, nimmt gewiß ein
schreckliches Ende. Denn was ist die eigentliche Meinung
Gottes und Sein ernstlicher Wille, wenn Er uns so große Güte
erweist? Der Apostel sagt: ,,Dich zur Buße zu leiten." Deine
Buße hat Gott im Auge mit seiner Güte und Langmütigkeit,
Buße, Sinnesänderung, daß du bereust, gegen einen so gnädigen
Gott so sehr gesündigt zu haben, bereust, Ihn so lange
verachtet zu haben, und daß du jetzt von deinen Sünden und
Irrwegen umkehrst, Gnade und Versöhnung mit Ihm suchst und
von nun an für dein ganzes Leben Sein eigen wirst. Das ist
Buße. Wenn dies nun nicht geschieht, was tust du dann? Der
Apostel sagt: ,,Du verachtest Gott und Seine große Güte, und
du weißt nicht" - dein Sinn ist so verfinstert, bezaubert und
verkehrt, daß du weder bedenken kannst noch weißt -,
,,daß dich Gottes Güte zur Buße leitet".
Wo bist du? Wo bist du? Wie wagst du es noch
Zu frönen der Sünd' und dem Tande?
Verachtest du den, der dich liebet so hoch,
Der dir naht im blut'gen Gewande?
Ach, eile, ja, eile zum Heiland!