Apostelgeschichte

Apg 27,11 A.Christlieb Die Reise nach Rom Apostelgeschichte 27, 11 - 32

läßt bei den Gefährten von Paul drei Fehler offenbar werden, die uns zur Warnung dienen können.

1. Der Fehler des Schiffsherrn.

Bei der an einem kleinen Örtlein in Kreta stattfindenden Beratung über die Frage, ob man weiterfahren soll oder nicht, drängten der Schiffsherr und der Steuermann trotz der ernsten Abmahnung Pauli auf Weiterfahrt bis zu einem größeren Hafenort. Was mochte sie wohl in dieser stürmischen Jahreszeit zu einer solch gefährlichen Reise bewegen? Mancherlei Vorteile hofften sie dadurch zu erlangen. Vor allen Dingen war es die Hoffnung auf äußeren Gewinn - das Schiff sollte nicht so bald schon wieder still liegen - und der Wunsch nach mehr Abwechslung und Vergnügungen, die ein größerer Hafenort bringen konnte. Auch war das Schiff dort wahrscheinlich besser zu bergen vor den Stürmen. Mögen nun die Vorzüge des besseren Hafens noch so groß gewesen sein - es war unter allen Umständen unrecht, um äußerer Vorteile und Annehmlichkeiten willen, das Leben so vieler Mitmenschen aufs Spiel zu setzen. Aber der Schiffsherr, der Steuermann und die Mehrzahl der Reisenden (Vers 12) hatten nun einmal den Wunsch ins Auge gefaßt, jenen guten Hafenort Phönix zu erreichen und schlugen alle gegenteiligen Warnungen einfach in den Wind.

Laßt uns jene Reisenden nicht verdammen! Wir sind ihnen gar nicht so unähnlich. Wollen wir nicht oft ganz genau wie jene allerlei äußere Wünsche durchaus erreichen? Wie oft spielt irgendein Vorteil oder eine Annehmlichkeit, die man erlangen möchte, eine solche Rolle in unserem Programm, daß die ruhige und besonnene Prüfung und das Fragen nach dem, was Gott gefällt, ganz zurückgedrängt wird. Ja, wie oft kann das Jagen nach Annehmlichkeit und Gewinn die Menschen gar völlig blind machen gegen die schrecklichsten zeitlichen und ewigen Gefahren, denen sie entgegenlaufen. Gott behüte uns vor dem Fehler der Schiffsleitung.

2. Der Fehler des Hauptmanns Julius

findet sich auch bei uns oft wieder. Dieser ,,glaubte dem Steuermann und dem Schiffsherrn mehr als dem, das Paulus sagte" (Vers 11). Es scheint, daß dieser Offizier kein genügend selbständiges Urteil in Fragen der Seereise hatte, und deshalb auf die Kenntnisse der geübten Schiffsmänner angewiesen war. Als er nun die entgegengesetzten Ratschläge hörte, mochte er denken: Die erfahrenen Seemänner müssen in dieser Frage doch mehr verstehen als jener Prediger. Dieser mag sonst ein ganz guter Mann sein, aber in solch praktischen Schiffahrtsfragen wird seine Meinung doch kaum maßgebend sein. Dabei übersah er aber ein Doppeltes, nämlich: 1. daß Paulus seit Jahrzehnten auf seinen Seereisen manche Erfahrung gesammelt hatte, 2. daß er gänzlich unparteiisch urteilte, während der Steuermann durch eigene Interessen in seinem Urteil getrübt war. So machte sich der Hauptmann, dessen Verhalten im übrigen viel Anerkennung verdient (Vers 3 und 43!), einer gewissen Leichtgläubigkeit schuldig, durch die er sich mitreißen ließ.

Wie oft wiederholt sich auch dieser Fehler! Gerade, gute, edle und reine Naturen lassen sich oft allzuleicht von anderen bereden, und durchschauen oft nicht die bedenklichen Ratschläge derer, die sie (um ihres eigenen Ruhmes willen) zu einer Entscheidung bewegen wollen.

Gott mache uns vorsichtig und helfe uns, treulich zu prüfen, ob wir uns anderen Menschen und ihrem Urteil anvertrauen dürfen, damit wir nicht in den Fehler des Julius verfallen.

3. Der Fehler der Matrosen

kehrt - wenn auch in anderer Form - mitten in der Christenheit wieder. Diese wollten in der Nähe des rettenden Landes den Rettungskahn für sich allein benutzen und das ganze Schiff seinem Schicksal überlassen. Wäre Paulus nicht dazwischengetreten, so hätten sie diesen Plan auch ausgeführt (Vers 30 - 32). Das war Selbstsucht, die nur auf die eigene Rettung bedacht war, ohne sich um das Heil anderer zu bekümmern.

Daß solche Selbstsucht in der Welt die wichtigste Triebfeder ist, wundert uns nicht. Hüten wir uns nur, jene schändlichen Matrosen zu verurteilen und es dabei im innersten Grunde doch ähnlich zu machen, indem wir den wichtigsten Rettungskahn, der uns an das himmlische Ufer retten soll, besteigen und die ganze übrige Menschheit ruhig dem Untergang überlassen. Wer so handelt, der gleicht jenen elenden Menschen, die alle ihre Reisegefährten zugrunde gehen lassen wollten.

Gott mache uns dem Paulus ähnlich, der für alle ein Herz hatte und sich für die Rettung aller mühte, soviel er nur konnte.