Apg 26,29
A.Christlieb
Drei Eigenschaften der rechten Seelengewinner.
Apostelgeschichte 26, 29.
Aus obigen Worten leuchten uns drei Eigenschaften eines
rechten Seelengewinners entgegen:
I.
Zuerst eine große B e s t i m m t h e i t. Wenn einer die
Worte Pauli: ,,Ich wünschte vor Gott, daß alle, die mich
hören, solche würden wie ich," sprechen will, so muß er
einen unaussprechlich großen, wichtigen Besitz haben, den er
jedermann wünschen kann. Das war bei Paulus auch der Fall.
Er hatte eine Gnade, einen Frieden, eine Kraft und einen
Trost, wovon der jüdische König und der römische Statthalter
nichts ahnten. Was Paulus durch die lebendige Gemeinschaft
mit Jesus besaß, war unendlich mehr als alles, was die
erlauchte Gesellschaft um ihn her aufzuweisen hatte.
Wenn aber ein Mensch mit solcher Bestimmtheit auftreten und
auch anderen seinen sicheren Besitz wünschen kann, so macht
das bis heute tiefen Eindruck auf die Welt. Im tiefsten
Grunde ist sie nämlich bei ihren irdischen Ehren und Gütern
weder befriedigt, noch sicher.
Gott mehre die Zahl der Christen, die so klar in der Freude
und im Frieden Christi dastehen, daß sie andern fröhlich
zurufen können: ,,Ich wünschte vor Gott, ihr würdet alle wie
ich!"
II.
Neben der Bestimmtheit zeigt unsere Antwort eine sehr weise
Zurückhaltung in der inneren Beurteilung der Menschen, welche
Paulus gewinnen möchte. Festus hatte gesagt: ,,Paulus, du
rasest!" Agrippa hatte, vielleicht etwas höhnisch, jedenfalls
aber ausweichend bemerkt: ,,Es fehlt nicht viel, du
überredest mich, daß ich ein Christ werde".
Durch diese Antworten hätte Paulus gereizt werden und ihnen
ihren inneren Zustand in scharfen Worten des Tadels vorhalten
können. Stattdessen enthält Paulus sich jedes persönlichen
Urteils über ihre innere Stellung. Ob sie fern oder nah sind
dem Reich Gottes, ob viel oder wenig fehlt am Zurechtkommen
vor Gott - diese Fragen mögen nun liegen, wie sie wollen,
Paulus urteilt nicht darüber, sondern wünscht seinen Hörern
das Beste.
Wäre diese behutsame Zurückhaltung im Urteil über andere
immer beobachtet worden, so hätte mancher Anstoß im Reich
Gottes vermieden werden können. Wie manche Seele ist dadurch
zurückgestoßen, daß man sie von oben herab als eine solche
behandelt, bei der ungeheuer viel am ,,Christ werden" fehle.
Man hätte diese Frage auf sich beruhen lassen können und nur
einen herzlichen Wunsch für die Seele aussprechen sollen.
III.
Endlich zeigt sich die wichtigste Eigenschaft des
Seelengewinners, nämlich die L i e b e in den Worten:
,,...ausgenommen diese Bande".
Seinen inneren Besitz, seine Seligkeit wünscht Paulus allen
seinen Zuhörern, aber nicht seine schweren Demütigungswege,
nicht seine Ketten und sein Gefängnis. ,,Ich wünsche Euch
alles, was ich besitze, nur mein Elend nicht," sagt er; und
so spricht - d i e L i e b e .
Statt ihnen für die oberflächlichen Antworten Gottes Strafe
anzudrohen, wünscht er ihnen nur Gutes. Männer von solcher
Bestimmtheit, Weisheit und Liebe werden immer ein Segen sein.