Apg 22,23
A.Christlieb
Wie das Toben der Feinde der Sache Jesu dienen mußte.
Schadenfreude ist etwas Schlechtes und Verwerfliches. (Hiob
31, 29; Psalm 22, 18 b; 35, 15. 21; 69, 27; Klagelieder 1,
21; 2, 16; Sprüche 17, 5; Hesekiel 25, 6. 7; Obadja 12, 13).
Eine andere Freude aber ist erlaubt und stärkt den Glauben,
die Freude im Blick darauf, daß den Feinden des Wortes Gottes
ihre Pläne gegen die Sache des Herrn nicht nur mißlingen,
sondern ins Gegenteil umschlagen (Apostelgeschichte 11, 19 -
21; Philipper 1, 12 - 14).
Der natürliche Mensch freut sich, wenn er recht behält, wenn
seine eigenen Pläne durchgeführt und seine eigenen Interessen
befördert werden. Der neue Mensch freut sich, wenn J e s u s
recht behält, wenn Jesu Pläne gefördert werden. Dies
letztere war hier der Fall.
I.
Paulus hatte soeben das Wort Jesu erwähnt: ,,Sie werden nicht
aufnehmen dein Zeugnis von mir" (Vers 18). Nun beweist ihr
wütendes Verhalten, wie richtig und wahr der Herr geredet
hatte. So mußten sie, ohne es zu wissen, die Wahrheit des
Wortes Jesu bestätigen.
II.
Auch mußten sie gegen ihren Willen den P l a n J e s u
b e f ö r d e r n helfen. Nach Jesu Plan sollte Paulus den
Namen Jesu vor Könige und Fürsten tragen und auch in Rom von
ihm zeugen (Kap. 23, 11). Das Toben der Feinde hat dazu
beigetragen und den Weg bahnen müssen, daß diese Gedanken
Jesu verwirklicht wurden.
Laßt uns den Herrn rühmen, der sich seiner wütenden Gegner
bedient, um seine heilsamen Gedanken hinauszuführen. ,,Er
herrscht mitten unter seinen Feinden" (Psalm 110, 2).
III.
Endlich mußte dieses Wüten der Feinde d e m K n e c h t
J e s u allerlei Segen und neue Glaubenserfahrung bringen.
Zunächst war es natürlich ein Leidensweg, den sie ihm
verursachten. Dennoch bekam der Apostel jetzt nach langer,
anstrengender Reisetätigkeit Tage der Ruhe und Stille,
Gelegenheiten zum Zeugen vor hohen und höchsten Machthabern
und Erfahrungen von gnädiger Bewahrung vor den Mordplänen der
Feinde. Alles mußte ihm zum Besten dienen.
Laßt uns freuen und fröhlich sein, daß das Toben der Feinde
den Jüngern Jesu nicht Schaden, sondern Nutzen einbringen
muß!
A.Christlieb
Finden sich die Sünden der gegen Paulus tobenden Menschen
in uns wieder?
Apostelgeschichte 22, 22. 23.
Bei der Betrachtung der gegen Paulus tobenden Volksmasse
könnte der stolze Gedanke in uns auftauchen: Ich danke dir,
Gott, daß ich nicht bin wie jene wutentbrannte Menge! Ich
liebe und verehre den Apostel, den jene haßten, und ich
fördere das Werk der Heidenmission, das jene bekämpften. Mit
solchen Gedanken wären wir auf dem Weg des Beters von Lukas
18, 11.
Stattdessen wollen wir den Anblick jenes fanatischen Haufens
als Spiegel benutzen und fragen: Findet sich in unserem
Innern nicht auch etwas von dem, was wir bei jenen tadeln
müssen?
I.
Die Ursache für den Zorn der Juden war der Neid auf die
Völker, denen sie das Vorrecht der Heilsbotschaft nicht
gönnen wollten. Ist von solchem Neid nichts in uns?
Wenn wir auch gewiß der ganzen Welt das Evangelium gönnen und
seine Verbreitung befördern, so müssen wir doch bekennen, daß
da, wo in anderen Gemeinschaften, Vereinen oder Gemeinden
eine gesegnete Verkündigung des göttlichen Wortes stattfand,
sich in uns der schlimme Gedanke regte: Dieser Segen hätte
sich eigentlich nur in meinem Verein, in meiner Gemeinschaft,
in meiner Kirche und nicht bei jenen einstellen sollen. Da
zeigt sich der Keim jener Giftpflanze, die dort so üppig
emporschoß.
II.
Wenn wir über einen Bruder, der ganz anders geführt ist als
wir, ein Urteil abgeben, so haben wir ihn zwar nicht gleich
als todeswürdigen Verbrecher hingestellt, wie jene es taten;
aber wir wurden ihm doch nicht gerecht in unseren Worten.
Weil er nicht genau in unseren Bahnen ging, glaubten wir,
ihn verurteilen zu müssen (Markus 9, 38).
Wie oft ist es in früheren Jahren vorgekommen, daß ein
Lutheraner seine reformierten Glaubensgenossen oder der
Reformierte seine lutherischen Glaubensgenossen als
minderwertige oder gar als gefährliche Menschen hinstellte.
Hier liegen aber die Anfänge des Irrweges jener ungerecht
über Paulus urteilenden Massen. Weg mit solchem Fanatismus!
III.
Wir entsetzen uns darüber, daß jene Menschen dem Apostel, der
ihnen untragbar erschien, den sofortigen Tod wünschten. Aber
müssen wir nicht bekennen, daß auch wir schon bei gewissen
Menschen, die unsern Unwillen auf das heftigste erregten und
unsere Arbeit störten und schädigten, den stillen Wunsch im
Herzen trugen, daß sie doch nicht mehr lange leben möchten?!
Wir sind oft ähnlicher den Donnerssöhnen gewesen, die Feuer
vom Himmel fallen lassen wollten, als dem David, der den Saul
in der Höhle verschonte! (Lukas 9, 54; 1. Samuel 24; 26).
Darum wollen wir uns nicht über jene gegen Paulus schreiende
Menge erheben, sondern demütig bekennen, daß ihr Fehler auch
in uns steckt.
Nicht zu anderen Mitmenschen, sondern zum Pharisäerstolz im
eigenen Herzen wollen wir sagen: ,,Hinweg mit diesem! Denn
es ist nicht billig, daß er leben soll."