Apostelgeschichte

Apg 22,18 A.Christlieb Eine aussichtslose Arbeit. Apostelgeschichte 22, 17 - 21.

Wenn wir der wunderbaren Unterredung zwischen Jesus und Paulus im Tempel zu Jerusalem lauschen, so fällt uns auf, daß - menschlich geredet - eine Meinungsverschiedenheit zwischen Jesus und Paulus entstand. Worin bestand dieselbe? Der Herr erklärte die Tätigkeit des Saulus in Jericho für aussichtslos. Saulus dagegen hielt sie für hoffnungsvoll. Bei diesem Unterschied laßt uns verweilen.

I.

Wenn wir die Einwendung des Saulus hören (,,Herr, sie wissen selbst, daß ich gefangen legte ..."), so ist das eine menschliche Berechnung. Saulus denkt, weil seine frühere feindliche Stellung gegen das Christentum stadtbekannt sei, so müsse gerade s e i n Zeugnis besonderen Eindruck machen und Frucht bringen.

Diese Berechnung schien richtig zu sein. Sollte man nicht annehmen, daß die Sinnesänderung eines solch fanatischen Christusfeindes ihre Wirkung nicht verfehlen könne? Sollte da nicht die Stellung aller übrigen Christusfeinde erschüttert werden, selbst die der Mitglieder des Hohen Rates?! Wie oft ist es späterhin auch wirklich so gewesen, daß die Bekehrung eines Hauptgegners Christi Anlaß zur Erweckung wurde! Die Berechnung von Paulus schien also richtig zu sein.

Dennoch verwirft der Herr sie. Er sagt: ,,Sie mögen noch so viel wissen von deiner früheren und jetzigen Stellung. Trotzdem wird dein Wort bei ihnen nicht angenommen werden." Hier wollen wir die erste Lehre aus dieser Mitteilung ziehen: I m R e i c h G o t t e s i s t m e n s c h l i c h e B e r e c h n u n g e t w a s s e h r U n s i c h e r e s . Wir können mit unserem Verstand noch so feine Pläne entwerfen und noch so sicher auf Erfolg rechnen. Wenn Gott einen anderen Weg geht, so nützt unsere beste und klügste Berechnung gar nichts. Darum: ,,Verlaß dich auf den Herrn und verlaß dich nicht auf deinen Verstand" (Sprüche 3, 6).

Berechnen konnte auch ein kluger Ahitophel. Berechnen konnte auch ein raffinierter Judas. Berechnen konnte auch ein gewissenloser Kaiphas. - Menschliche Klugheit aber macht Bankrott.

Wie klug berechnet ein Mose: Wenn ich als Sohn der Tochter Pharaos mich auf die Seite des unterdrückten Sklavenvolkes stelle, so werden sie das hören und mir jauchzend zufallen. (Apostelgeschichte 7, 25). Die Berechnung schien richtig. Aber es kam anders. Sie vernahmen nichts und lehnten ihn als Führer und Retter ab!

Laßt uns doch niemals allzu fest auf unsere Klugheit und unsere menschlichen Berechnungen bauen.

II.

Nicht nur eine kluge Berechnung wird zuschanden. Eine zweite Beobachtung drängt sich uns auf: Auch die richtigste und vollkommenste Arbeit kann fruchtlos bleiben. Der Herr sagt: ,,Sie werden nicht annehmen d e i n Z e u g n i s v o n m i r ."

Was ist die beste und richtigste Arbeit im Reich Gottes? Ein wirkliches Zeugnis von Jesus, wie Saulus es gewohnt war. Er hielt nichts von klugen Vorträgen, sondern bezeugte den Heiland, den er aus Erfahrung kennengelernt hatte.

War diese Arbeit nicht mustergültig? Sollte man nicht sagen: Solch ein Zeugnis von Jesus muß Frucht schaffen, weil Jesus selber gesagt hat: ,,Ihr sollt meine Zeugen sein!" (Apostelgeschichte 1, 8). Und doch! Wohl wird des Saulus Arbeit nicht getadelt und keine Änderung derselben verlangt. Der Herr aber teilt ihm mit: ,,Man wird dein Wort nicht annehmen."

Das sagt uns: Nicht jede Arbeit, ob sie auch der Vorschrift Jesu entspricht, muß Frucht schaffen. Man kann Arbeit tun, an der keiner etwas auszusetzen vermag, die Jesus zum Inhalt hat, deren Träger ein lauterer Zeuge Jesu ist, und dennoch bleibt eine Erweckung zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten aus.

Es ist sehr heilsam, seine Arbeit zu prüfen, ob sie ein wirkliches Zeugnis für Jesus ist. Es ist aber nicht gut, zu verzweifeln, falls diese Arbeit nicht das ausrichtet, was wir erhofften und wünschten.

Hat nicht auch Jesus in seiner Vaterstadt kaum etwas ausrichten können? Haben nicht Jeremia und andere Propheten das lautere Wort Gottes richtig gebracht? Und doch mußten sie betrübende Erfahrungen machen.

Nicht jede richtige Arbeit hat in jedem Falle die Verheißung des von uns gewünschten Erfolges. Trotzdem bleibt es dabei: ,, M e i n W o r t s o l l n i c h t l e e r z u r ü c k k o m m e n " (Jesaja 55, 11).

III.

Eine noch schmerzlichere Erfahrung macht Saulus. Seine Einwendung enthielt eine stille Bitte, ob ihm nicht doch ein Fruchtbringen im eigenen Volk geschenkt werden könne. Glühende Liebe zu seinem Volk legt ihm die Worte auf die Lippen. Wird er wohl erhört?

Nein! Die in seinen Worten liegende Bitte wird abgeschlagen.

Auch daraus wollen wir lernen. Nicht jede Berechnung, ob sie noch so richtig erscheint, nicht jede Arbeit, ob sie noch so gut sein mag, auch nicht jede Bitte, ob sie noch so dringend ist, erreicht das von uns gewünschte Ziel. Gewiß ist Gebet das wirksamste Mittel im Reich Gottes und hilft mehr als alle Klugheit, Begabung und Anstrengung. Wir wollen auch allzeit das Gebet als Hauptwaffe führen und uns durch nichts davon abbringen lassen.

Aber wir wollen nie meinen, daß wir durch unser Gebet gerade den von uns gewünschten Erfolg in jedem Fall erzielen müßten.

Einem Mose wird die Bitte abgeschlagen, in das Land der Verheißung zu kommen. Einem Elias wird versagt, unter dem Wacholder zu sterben. Einem Paulus wird die erbetene Wegnahme des Pfahles im Fleisch nicht zuteil. Aber der Herr hat auch einen herrlichen Trost für Paulus. Er erteilt ihm den kostbaren Auftrag, Apostel der Heiden zu werden!

Nun ist es dem Paulus nicht mehr so bitter und schmerzlich, daß Jesus ihm seine eigenen Pläne zerschlägt! Nun ist er mehr als getröstet!

Auch wir wollen uns nicht entmutigen lassen, wenn der Herr Jesus unsere Berechnungen durchkreuzt und unsere Pläne verwirft. Nimmt er uns etwas, so gibt er uns Besseres dafür wieder. Wir werden ihn treu erfinden nicht nur darin, daß er unsere Gebete, Berechnungen und Arbeiten gelingen läßt, sondern auch darin, daß er uns zuweilen auch zuschanden werden läßt. Das mag treue Jünger und Zeugen Jesu in bestimmten Lagen trösten, damit sie nicht mutlos werden.