Apg 21,29
A.Christlieb
Die vermeintliche Tempelentweihung durch Paulus.
Apostelgeschichte 21, 27 - 30.
Die Feinde gaben sich nicht damit zufrieden, die
Wortverkündigung des Paulus als gefährlich zu verdächtigen.
Sie setzten auch noch ein anderes schlimmes Gerücht gegen ihn
in Umlauf. Er sollte durch Mitnahme von Heiden in den Tempel
dieses Heiligtum entweiht, sich also der Tempelschändung
schuldig gemacht haben. Hier haben wir ein Beispiel der
Entstehung, der Verbreitung und der Wirkung eines bösen
Gerüchtes gegen einen Gottesknecht.
1. Die Entstehung dieses Gerüchtes.
Die Juden aus Asien hatten in der Stadt den Paulus in
Begleitung des griechischen Christen Trophimus gesehen.
Als sie nun den Apostel im Tempel wiedersahen, argwöhnten
sie sofort, sein Begleiter sei von ihm auch in den Tempel
mitgenommen worden, was nach dem Gesetz streng verboten war.
Weil sie Paulus an anderem Ort in heidnischer Gesellschaft
gesehen hatten, zogen sie den Schluß, diese Gesellschaft
werde auch im Tempel bei ihm gewesen sein. Aus dieser
falschen, jeder Grundlage entbehrenden Folgerung jener
,,Juden aus Asien" entstand das schlimme Gerücht, das
so viel Unheil anrichtete.
Wir entnehmen daraus eine doppelte Lehre:
a) Wie vorsichtig müssen doch Gotteskinder und namentlich
Gottesknechte in der Welt wandeln, weil sie von den Feinden
des Christentums so genau beobachtet werden und so leicht
die Vermutung entsteht, daß sie etwas Ungesetzliches getan
hätten.
Tausende von Israeliten wurden in jener Festzeit in den
Straßen Jerusalems nicht beachtet. Aber Paulus wurde sofort
aufs Korn genommen und die Herkunft seines Begleiters genau
bemerkt.
b) Wie behutsam sollten wir doch alle sein, wenn argwöhnische
Gedanken in unseren Herzen auftauchen. Wie leicht entstehen
böse Vermutungen über andere Menschen, namentlich über
Gegner, die sich bei genauer Untersuchung als völlig grundlos
und falsch erweisen. Laßt uns doch lieber das Beste als das
Schlechteste denken (Sacharja 7, 10 b; Jeremia 4, 14 b).
2. Die Verbreitung dieses Gerüchtes.
Mit dem Ruf: ,,Er (Paulus) hat Griechen in den Tempel geführt
und diese heilige Stätte gemein gemacht", setzten jene Juden
aus Asien das schlimme Gerücht gegen Paulus in Umlauf. In
ihren Worten lag ein doppelter Verstoß gegen diese Wahrheit.
1. Zuerst sagten sie: ,,Er hat Griechen in den Tempel
geführt". Sie stellen also das als T a t s a c h e hin, was
nur eine V e r m u t u n g war.
2. Ferner machen sie aus dem einzelnen heidnischen Begleiter
Trophimus gleich mehrere, indem sie sagen: ,,Er hat Griechen
(Mehrzahl) in den Tempel geführt".
So pflegen die bösen Zungen auch heute noch schlimme Gerüchte
zu verbreiten. Sie erzählen bloße Vermutungen als Tatsachen,
und diese vermeintlichen Tatsachen vergrößern sie noch nach
Belieben. Es kommt ihnen nicht darauf an, aus einem Griechen
mehrere zu machen, wenn nur ihr Ziel erreicht wird, andere
gegen den verhaßten Gegner zu erregen.
Laßt uns doch niemals mit der Wahrheit spielen und ungenau
mit ihr umgehen. Wer mit Absicht die Wahrheit verdreht und
entstellt, der steht im Dienst des Lügners von Anfang
(Johannes 8, 44; 3. Mose 19, 16; Sprüche 20, 19 b; Psalm 15,
1 - 3).
3. Die Wirkung dieses Gerüchtes.
Die Folge der Verdächtigung und des durch die Juden aus Asien
verbreiteten Gerüchtes war eine allgemeine Erregung der
ganzen Stadt gegen Paulus (,,die ganze Stadt wurde bewegt").
Ein großer Volksauflauf entstand gegen ihn. Die Tempeltüren
wurden geschlossen, d. h. der Tempel wurde für entweiht
erklärt. Jede weitere gottesdienstliche Feier mußte
vorläufig unterbleiben. Der Anblick dieser gewaltigen
Wirkung jenes Gerüchtes kann uns zweierlei sagen:
1. Nicht jede Erregung ist deshalb berechtigt, weil sie von
einer ganzen Stadt oder Gegend mitgemacht wird. Deshalb laßt
uns behutsam sein, ehe wir uns vom ,,allgemeinen Unwillen"
gegen irgend jemand fortreißen lassen!
2. Laßt uns behutsam sein an jeder Mitbeteiligung am
Entstehen und Verbreiten eines ungünstigen Gerüchtes über
einen Mitbruder, wir können sonst mitschuldig werden an den
großen und schlimmen Wirkungen solches Gerüchtes (2. Mose
23, 7 a; Sprüche 10, 18).
Wer hat den Tempel entweiht?
Wir haben früher gesehen, wie des Paulus Ankläger gerade
die drei Fehler begingen, welche sie dem Apostel vorwarfen.
Noch viel mehr dürfen wir dies sagen von dem, was sie in
fälschlicher Weise über Paulus verbreiteten: Die ihm zur
Last gelegte Tempelentweihung begingen sie selbst. Wie
entwürdigten sie das Gotteshaus, indem sie es zum Schauplatz
eines gehässigen Überfalls gegen einen frommen Menschen
machten! Mit ihren Taten des Hasses und ihren Worten der
Lüge schändeten sie in Wahrheit den Tempel. Nicht Paulus,
sondern sie selbst verdienten den Vorwurf der
Tempelschändung.
Auch heute noch kann es (wenn auch in feinerer Form)
vorkommen, daß ein Raum, der zur Erbauung der Gemeinde
bestimmt ist, zu lieblosem Angriff auf einen Mitbruder
benutzt wird. Wer dies tut, macht sich in Wahrheit einer
Tempelentweihung schuldig. Laßt uns zusehen, daß wir
solches nie tun (Kap. 13, 45; Jeremia 28,10)!