Apg 21,4
A.Christlieb
Gottgegebenes Licht und - eigene Gedanken.
Apostelgeschichte 21, 4.
Der Ausdruck: ,,Die (Jünger zu Tyrus) sagten Paulus durch den
Geist, er solle nicht hinauf nach Jerusalem ziehen" ist von
manchen so verstanden worden, als hätten jene Christen auf
Antrieb des heiligen Geistes Paulus von seiner geplanten
Reise abgeraten. Dann hätte Paulus natürlich dieser Bitte
folgen müssen, und es wäre ein falsches Bestehen auf eigenem
Willen gewesen, wenn er trotzdem nach Jerusalem ging.
Aber so ist es nicht. Der heilige Geist widerspricht sich
niemals. Er nötigte den Apostel nach Jerusalem zu ziehen
(Kap. 20, 22). Wie könnte derselbe Geist ihm von diesem
Weg abraten!
Dennoch lag in den Worten jener Brüder ein von Gott gegebenes
Licht. Durch Erleuchtung des heiligen Geistes hatten sie die
Gefahr, welche diese Reise für Paulus mit sich brachte,
erkannt. Insofern sprachen sie wirklich ,,durch den Geist",
als sie Paulus auf die ihm drohende Gefahr aufmerksam
machten.
(Sie stimmten hierin auch völlig überein mit allen anderen
von Gottes Geist stammenden Bezeugungen über die Zukunft des
Apostels, Kap. 20, 23). Nun fügten sie aber zu dieser von
Gott gegebenen Klarheit ihre eigenen Wünsche und Gedanken
hinzu, indem sie Paulus von der Reise abrieten. Ihre Liebe
zum Apostel trieb sie an, ihn vor dem gefahrvollen Weg zu
warnen. Wir haben also in den Worten der Christen von Tyrus
eine Vermengung wahrer, gottgegebener Einsicht mit eigenen
Wünschen und Gedanken zu sehen.
Wie oft kommt solche Vermengung vor! Wie leicht können wir
dadurch anderen zur Versuchung werden und sie von der
gottgewollten Linie abbringen! Hüten wir uns doch beim
Empfang einer göttlichen Klarheit davor, göttliche und eigene
Gedanken zu vermengen! Wir laufen sonst Gefahr, ohne es zu
wollen, unbewußt falsche Ratgeber für andere zu werden
(Matthäus 16, 22). (Sehet euch vor vor eurem Geist, Maleachi
2, 15).
A.Christlieb
Ein Blick in die Christengemeinde von Tyrus.
Apostelgeschichte 21, 4. 5.
Der Besuch von Paulus und seinen Reisegefährten bei
den Gläubigen zu Tyrus läßt uns einen Blick in die
Christengemeinde dieser Stadt tun. Wir finden die Gemeinde
beim Abschied des Apostels vollzählig am Meeresufer
versammelt. Laßt uns sie näher anschauen und fragen: Wer
gehörte zu dieser Gemeinde? Welches besondere Merkmal trug
sie? Was trieb sie?
1. Wer gehörte zur Gemeinde in Tyrus?
Wir können ihre Zahl nicht feststellen. Im Vergleich mit
der Einwohnerzahl der ganzen Stadt war es gewiß nur ein
kleines Häuflein. Aber etwas anderes wissen wir: G a n z e
F a m i l i e n haben sich dem Christentum angeschlossen.
Wir sehen nicht nur Männer und Frauen, welche die Bezeichnung
,,Jünger" tragen, sondern auch Kinder, die mit ihnen
zusammen am Gebet teilnehmen. Es gab also in dieser großen
Handelsstadt da und dort einzelne Häuser, da man vereint den
Namen des Herrn Jesu anrief. Ob die hier erwähnten Kinder
alle schon bewußtes Glaubensleben hatten, weiß niemand von
uns. Aber daß sie dahin mitgenommen wurden, wo man sich zum
Gebet vereinigte, das sehen wir klar.
Welch gesegnete Häuser mitten in der Stickluft des sie
umgebenden Heidentums! Welcher Vorzug für die hier erwähnten
Kinder, daß sie in solchen Häusern aufwachsen durften! Wohl
solchen Häusern, die wie Lichtpunkte mitten in der Finsternis
großer Weltstädte stehen! Gott mehre ihre Zahl auch in
unserer Zeit!
2. Welches besondere Merkmal trug die Gemeinde in Tyrus?
Die Christen jener Stadt trugen keine äußeren Abzeichen,
an denen sie zu erkennen waren. Ihre Tracht und ihr Äußeres
war wie bei den andern. Dennoch beobachten wir an ihnen ein
Merkmal. Worin besteht es?
Der Abschied von Paulus zeigt uns ein Liebesband der Christen
untereinander, wie man es in der Welt nicht zu finden pflegt.
Obwohl der Apostel erst seit einer Woche bei ihnen war,
begleiteten sie ihn mit ihren Familien, als ob ein naher
Verwandter von ihnen scheide. Welch eine nahe, innige
Liebesverbindung ist da in kurzer Zeit entstanden!
Bekanntlich sollen die Heiden beim Anblick der ersten
Christen oft gesagt haben: ,,Seht, wie haben sie sich
untereinander so lieb!" So mußte man auch beim Anblick dieses
Abschieds sagen. Hier ist das Kennzeichen und Merkmal der
Gemeinde Jesu. Wohl allen, die es tragen (1. Johannes 4,
16; 3, 10. 16. 17)!
3. Was trieb die Gemeinde in Tyrus?
Wir erfahren sehr wenig über das Leben und Treiben der
Christengemeinde in Tyrus. Und doch treffen wir sie in
jener Abschiedsstunde bei einer Beschäftigung, die ihre
Zusammenkünfte kennzeichnet. Bevor Paulus mit seinen
Begleitern abfuhr, knieten sie zum Gebet nieder. Hier sehen
wir eine Betätigung der Jüngerschaft, die in der Gemeinde
Jesu an erster Stelle steht (1. Timotheus 2, 1 - 4. 8).
Es ist das g e m e i n s a m e G e b e t .
Mit Gebet pflegte man die Versammlungen zu beginnen und zu
schließen. Gebet war ihre Waffe gegen innere und äußere
Feinde (Apostelgeschichte 4, 24 - 31; 12, 5). Gebet war
ihre Freude und ihre Stärke.
Die Gemeinde Jesu ist eine Beterschar und soll es bleiben.
Wohl allen, die zu ihr gehören und sich des gemeinsamen
Gebets nicht schämen.