Apg 20,35
A.Christlieb
Geben ist seliger denn Nehmen.
Apostelgeschichte 20, 35.
Dies köstliche Heilandswort kann vielen Christen über einen
schwierigen Punkt hinweghelfen. Die heikle Stelle ist bei
vielen das Geben. Unser natürlicher Sinn ist vielmehr auf
das Nehmen gerichtet. Nehmen wollte der verlorene Sohn das
ihm zustehende Teil der Güter (Lukas 15, 12). Nehmen wollte
Gehasi, als er die Silberzentner Naemans sah (2. Könige 5,
19 - 21). Die Menschen gleichen alle von Natur den hungrigen
Einwohnern Samarias nach dem Verschwinden des syrischen
Belagerungsheeres: Alle strömten zu den Toren hinaus, um
zu nehmen (2. Könige 7, 15 - 17).
Ganz anders sieht es mit dem Geben aus. Als die Leute
von Sukkoth dem verfolgenden Gideon ,,etliche Brote" geben
sollten, war ihre Vaterlandsliebe bald zu Ende. Sie hatten
Bedenken und Ausflüchte (Richter 8, 4 - 9). Das Geben fiel
ihnen offenbar schwer. Solche Gesinnung findet man nicht nur
in Sukkoth. Sie steckt tief in unserem natürlichen Herzen.
Als der reiche Nabal bei seiner Schafschur David eine Gabe
geben sollte, glaubte er alles für seine eigenen Knechte
nötig zu haben (1. Samuel 25, 11). Solcher Nabalsinn ist
in unserer Brust. (Matthäus 19, 21; 1. Mose 31, 41;
Apostelgeschichte 5, 1 ff.; 1. Timotheus 6, 10). Nun
aber kommt Jesus und ändert unsern Sinn.
Bei w a h r e r S i n n e s ä n d e r u n g kommt ein ganz
anderes Nehmen an die Stelle des alten. Man nimmt jetzt
,,Gnade um Gnade" (Johannes 1, 16). Man nimmt aus Gottes
Wort und aus der Gemeinschaft mit Jüngern Jesu innere Kraft
und himmlisches Licht. Dieses neue Nehmen verdrängt das
alte. Es wird uns zum Bedürfnis und zur Freude, geben zu
dürfen. Rechte Christen sind immer gebende und darum auch
immer selige Leute. Auch wenn sie mit Petrus sprechen:
,,Silber und Gold habe ich nicht" (Kap. 3, 6), so gehören
sie doch zu den ,,Armen, die viele reich machen" (2.
Korinther 6, 10).
Pastor Engels hatte den Grundsatz: ,,Ich will keinen Tag
vorübergehen lassen, wo ich nicht jemand eine Freude mache".
Auf seinem Antlitz las man die Bestätigung des Wortes:
,,Geben ist seliger denn Nehmen". (5. Mose 15, 11; Jesaja
58, 7; Johannes 12, 3 - 8; Hebräer 13, 5. 16).