Apg 19,28
A.Christlieb
Was lernen wir aus dem Anblick des Aufruhrs in Ephesus?
Apostelgeschichte 19, 28. 29.
Die Hetzrede des Demetrius hatte den gewünschten Erfolg.
Die Arbeitermassen jenes Erwerbszweiges entbrannten vor Zorn.
Mit lautem Geschrei rühmten sie ihre durch Paulus gefährdete
Religion. Damit gewannen sie leicht alle diejenigen, welchen
die Predigt des Paulus unbequem war, oder die sie aus
irgendeinem Grund ablehnten. Die Bewegung verbreitete sich
wie ein Lauffeuer durch die ganze Stadt. Es war, als ob
höllische Mächte losgelassen wären, die ihr Spiel trieben.
Man stürmte zu dem Platz, auf dem die Volksversammlungen
stattzufinden pflegten. Da Paulus nicht zur Hand war, warf
sich die Wut der Heiden auf zwei seiner Genossen, die
mitgeschleppt wurden.
Was sagt uns der Anblick dieser wüsten Szene? Er läßt uns
unter anderem eine dreifache Gewalt erkennen, die heute noch
Scharen mit sich fortreißt und sich gern bis in unser
Christenhäuflein hineindrängen will.
1. Die Gewalt des Hasses.
Der ganze Tumult ist durch eine haßerfüllte Rede
hervorgerufen worden. Durch dieselbe ,,wurden sie voll
Zorns". Die Ansteckungskraft des Hasses ist groß. Laßt
uns vor diesem Gifthauch uns hüten.
2. Die Gewalt des natürlichen Herdentriebes.
Wir Menschen sind auf Gemeinschaft angelegt. Wir haben
Bedürfnis, uns anzuschließen. Dieser Trieb ist gut, wenn er
richtig geleitet wird. Aber wenn dieser natürliche Trieb
ohne jede Geisteszucht und -prüfung die Herrschaft bekommt,
so kann er Entsetzliches anrichten. Durch den Herdentrieb
kann man in Absaloms Aufruhr (2. Samuel 15, 11) und in
Korahs Höllenfahrt (4. Mose 16, 2. 32) hineingezogen
werden. Seien wir vorsichtig. Wir bemitleiden eine
Schafherde, die durch den Herdentrieb vor einen Eisenbahnzug
läuft, weil einzelne Schafe vorangehen. Wir bedenken nicht,
daß wir in der Gefahr stehen, diesen armen Tieren ähnlich zu
werden. (Epheser 5, 11; 1. Korinther 10, 20. 21; Psalm 1,
1; 26, 4).
3. Die Gewalt des Schlagwortes.
Der Ruf ,,Groß ist die Diana der Epheser!" war für jene
Scharen ein gut gewähltes, dem einfachsten Mann leicht
verständliches Schlagwort. Es knüpfte an die seit
Jahrhunderten in Ephesus bestehende Dianaverehrung an und
konnte darum an diesem Ort leicht Boden fassen. Die Menge
griff es auf und verbreitete es weiter. Dies Schlagwort trug
mit dazu bei, daß sich der Aufruhr so schnell durch die ganze
Stadt ausbreiten konnte.
Wie hat doch das Schlagwort eine Gewalt bei der Masse
derjenigen, denen selbständiges, tieferes Nachdenken
unbequem ist. Laßt uns niemals von der Gewalt menschlicher
Schlagworte uns fortreißen lassen. Schon oft haben suchende
Seelen sich von der engen Pforte und dem schmalen Pfad
zurückschrecken lassen, wenn die Welt ihnen diesen Pfad durch
ein Schlagwort (,,unnüchtern", ,,überspannt", ,,pietistisch",
,,methodistisch" und dergleichen) verdächtigte. Auch auf dem
Lebensweg wollen wir uns nie durch irgendein herrschendes
Schlagwort auf einseitige unbiblische Linie drängen lassen
(Psalm 119, 133; Matthäus 24, 23 - 26). Laßt uns selbständig
werden, indem wir uns täglich unter den Einfluß des
göttlichen Wortes und Geistes stellen. Da empfangen wir
Widerstandskraft gegen die drei Gewalten, welche den
Volkshaufen in Ephesus fortrissen.