Apostelgeschichte

Apg 19,26 A.Christlieb Die Ansprache des Demetrius. Apostelgeschichte 19, 25 - 28.

Wir leihen jetzt unser Ohr nicht einer erbaulichen Ansprache, sondern der wüsten Rede eines Volksverführers. Wir werden dabei merken, daß viele ähnliche Reden unserer heutigen Zeit genau auf den gleichen Ton gestimmt sind. Drei Kennzeichen eines Volksverführers können wir in jener Rede mit ihren Wirkungen erkennen:

1. Der Redner knüpft an die niedrigsten Instinkte des gemeinen Mannes an, nämlich an die Habsucht. Gleich im ersten Satz spielt das Wort ,,Gewinn" die Hauptrolle (,,Liebe Männer, ihr wisset, daß wir großen Gewinn von diesem Gewerbe haben".) Die Volksverführer aller Zeiten verstehen die Kunst, das Ohr der Massen zu gewinnen. Wer sich an die Gewinnsucht der Menge wendet, dem wird es an Aufmerksamkeit nicht fehlen. Er wird leicht fesseln und Beifall erreichen. Wer aber die natürlichen Triebe der Habsucht und Selbstsucht stärkt, statt davon frei zu machen, ist Verführer der Leute.

2. Ein weiteres Kennzeichen ist die Unlauterkeit dieses Redners. Demetrius fühlt ganz klar, daß er vor der Öffentlichkeit nicht den geschäftlichen Nutzen als Beweggrund des Kampfes gegen Paulus angeben darf. Das würde vor den Mitbürgern schlecht aussehen und ein ungünstiges Licht auf sein Tun werfen. Also muß ein anderer Grund als Vorwand dienen: die althergebrachte Religion der Väter, der berühmte Dianadienst in Ephesus, wird als gefährdet hingestellt. Damit wird der religiöse Fanatismus und die nationale Leidenschaft der Epheser entfesselt. Der Redner sucht in Wirklichkeit seinen persönlichen Nutzen und kämpft für seinen eigenen Vorteil. Dabei gibt er sich aber den Anschein, als ob er für das gemeinsame Interesse des ganzen Volkes und seiner Religion eifere.

Solch unlauteres Spiel ist das Kennzeichen eines Verführers. Von Gott gesandte Redner sind lauter und wahr. Sie haben keine selbstsüchtigen Hintergedanken bei ihren Reden (1. Könige 12, 26 - 28; 1. Thessalonicher 2, 3 - 5).

Das dritte Kennzeichen sehen wir in der Wirkung der Rede: Die Gemüter werden mit Haß erfüllt (,,Als sie das hörten, wurden sie voll Zorn"). Wilde Leidenschaft erfaßte die Zuhörer. Wenn ein Volksredner das unreine Feuer des Hasses in den Herzen entzündet, so ist er ein Verführer.

Gott gebe uns Wachsamkeit, wenn die Töne jener Hetzrede von Ephesus auch in unsere Häuser und Herzen dringen wollen.