Apg 17,23
A.Christlieb
Ein dreifaches Geständnis der Athener in der Inschrift
ihres Altars.
Apostelgeschichte 17, 23.
Erstes Geständnis: Wir wissen nicht, von wem unser Leiden
kommt.
(Hosea 5, 14 - 6, 1).
Über die Entstehung der Inschrift jenes Altars gibt es
eine Überlieferung. In Athen soll einst eine große Pest
geherrscht haben. Die Athener wußten nicht, welcher Gott
über sie erzürnt sei und diese Seuche gesandt habe. Sie
opferten deshalb den verschiedenen Göttern. Dazu bauten sie
diesen Altar, falls eine fremde, ihnen unbekannte Gottheit
die Pest verursacht haben sollte.
Mag diese Überlieferung zuverlässig sein oder nicht,
jedenfalls beweisen die Athener in dieser Inschrift eine
dreifache Unwissenheit, die auch heute noch mitten in der
Christenheit vielfach vorhanden ist.
Zuerst wußten die Athener nicht, von wem alles Leid und
alles Elend ihres Lebens stamme. Sie merkten und glaubten
wohl, daß eine Heimsuchung, wie z. B. eine Pest, von einer
höheren, göttlichen Hand komme. (In dieser Beziehung standen
sie trotz all ihrer heidnischen Finsternis doch noch höher
als viele Namenchristen, die bei all den furchtbarsten
göttlichen Zuchtruten überhaupt keine höhere himmlische
Gewalt anerkennen wollen. Gott bewahre uns vor solcher
Blindheit, die unter das Heidentum herabsinkt.) Aber doch
kannten die Athener diese höhere Gotteshand nicht. Sie
hatten nicht das Licht eines Jeremia, der sprach: ,,Der Herr
hat mich also zugerichtet" (Klagelieder 1, 14; vergleiche
Hiob 1, 21).
Dies Licht fehlt auch uns oft. Wir haben im Weltkrieg
bisweilen die Grausamkeit der Feinde oder die Torheit einiger
Machthaber gesehen, aber nicht die Hand des Herrn, der einst
Israel sagen ließ: ,,Ich, Ich zerreiße sie" (Hosea 5, 14).
Auf vielen Herzensaltären steht immer das Wort: ,,Dem
unbekannten Gott", weil so wenige die allmächtige, gerechte
Hand Gottes in dem Erdenleid erkennen und sich darunter
beugen.
Zweites Geständnis: Wir wissen nicht, wen wir erzürnt haben.
Die Frage: ,,Woher stammt unser Leid?", hing bei den Athenern
aufs engste zusammen mit der anderen Frage: ,,Welche Gottheit
haben wir erzürnt, und wodurch haben wir dies getan?" Daß sie
irgendeinen Gott beleidigt hätten oder beleidigen könnten,
glaubten sie wohl. Nur fehlte ihnen die Erkenntnis
desselben. Deshalb dieser Altarbau.
Auch diese Unwissenheit findet sich mitten in der
Christenheit. Wie selten findet sich doch die Erkenntnis
eines David: ,,A n d i r a l l e i n habe ich gesündigt"
(Psalm 51, 6). Wie wenige wissen und bedenken, daß sie mit
jeder Sünde sich an Gott selbst verfehlen! Die Verdammten
im Jüngsten Gericht sind ganz erstaunt darüber, daß sie mit
ihrer Kaltherzigkeit gegen die Jünger Jesu den Herrn der
Herrlichkeit mißachtet haben (Matthäus 25, 44). Jener stolze
Heide Sanherib ahnte nicht, daß er mit seinen Hohn- und
Lästerworten gegen Hiskia ,,den Heiligen in Israel"
verspottete (2. Könige 19, 22). Goliath bedachte nicht, daß
er mit seinen prahlerischen, an das Volk Israel gerichteten
Worten den Herrn Zebaoth verhöhne (1. Samuel 17, 45).
Korahs Rotte glaubte sich nur gegen Mose zu erheben. Aber
ihr Aufruhr ging ,,wider den Herrn" (4. Mose 16, 11).
So geht es auch vielen Christen. Wer kein göttliches Licht
über seine Sünde hat, wer nicht weiß, gegen wen er sich
verfehlt, der gleicht den Erbauern jenes Altares ,,für
den unbekannten Gott".
Drittes Geständnis: Wir wissen nicht, wie wir mit der
Gottheit versöhnt werden können.
(2. Korinther 5, 19 und 20).
Was wollten die Athener mit dem Bau des Altares? Sie wollten
mit dem unbekannten Gott versöhnt werden. Sie wollten ihn
günstig für sich stimmen. Aber sie tasteten unsicher nach
der richtigen Weise, dieses Ziel zu erreichen.
Auch diese dritte Unwissenheit herrscht vielfach in der
Christenheit. Trotz Bibel und Katechismus weiß mancher im
praktischen Leben nicht, wie man mit Gott versöhnt wird.
Es bedarf eines göttlichen Lichtstrahles zur rechten
Beantwortung dieser Frage. Die Heiden quälen sich oft
selbst, opfern Tiere, ja sogar Menschen, um Gott zu
versöhnen. Und in der Christenheit will der eine durch
äußere Ehrbarkeit, der andere durch tote Rechtgläubigkeit
usw. Gott versöhnen. Paulus selbst hatte auch lange Zeit
kein Licht über diese Frage, obwohl er ein Schriftgelehrter
war, bis er in Damaskus zur Klarheit darüber kam. Jetzt
konnte er anderen, auch den Athenern, den Weg der Versöhnung
zeigen.
Wohl allen, die so die Versöhnung mit Gott im eigenen Leben
erfahren haben. Wohl allen Christenherzen, in denen der
Altar für den unbekannten Gott vertauscht worden ist mit dem
Gebets- und Dankesaltar für den in Christus bekanntgewordenen
Gott, der uns mit sich selbst versöhnt hat.