Apg 15,38
A.Christlieb
Apostelgeschichte 15, 38. 39 (Lies Lukas 9, 54. 55; Sprüche
15, 1; Philipper 4, 5).
Eine zweite Warnung gibt uns der Anblick dieses Streites,
w e n n w i r a u f P a u l u s b l i c k e n.
Wie leicht lassen sich doch bei schwierigen
Auseinandersetzungen auch solche, die gerecht und göttlich
wandeln wollen, in eine Schärfe fortreißen, die nicht aus dem
Geiste ist! Wir zweifeln keinen Augenblick daran, daß der
gesegnetste aller Reichsgottesarbeiter, Paulus, auch in
dieser Frage im innersten Herzensgrunde lauter vor seinem
Gott stand. Sein Bestreben zielte nur darauf, daß die Arbeit
für seinen Heiland so gut wie möglich ausgeführt würde. Die
Triebfeder seines Verhaltens war nicht etwa persönliche
Verstimmung oder Abneigung gegen Johannes Markus. Vielmehr
glaubte er, daß dem Werk des Herrn durch Hinzuziehung
desselben Schaden erwachsen könnte.
Aber selbst wenn Paulus noch so lauter und aufrichtig in
seinem Eifer für das Werk des Herrn war, so ist es dennoch
möglich, daß er in seiner Strenge gegen den Wunsch des
Barnabas zu weit ging. Der Ausdruck: ,,Sie kamen scharf
aneinander" deutet auf einen heftig werdenden Wortwechsel
hin. Bei diesem ist gewiß die Möglichkeit nicht
ausgeschlossen, daß die eigene Natur des Paulus, die ja vor
und nach seiner Bekehrung immer eine feurige war, ihn über
die zarte, gottgewollte Lindigkeit gegen jedermann hinauszog.
Gewiß war es für Paulus nicht leicht, hier ganz ruhig zu
bleiben, wo er die Gefahr durchschaute, die der
Missionsarbeit durch die Mitnahme des Markus erwachsen
konnte. Aber doch mag er in späteren Jahren das scharfe
Aneinanderkommen bedauert haben.
Wie manchmal hat der Eifer der eigenen Überzeugung die besten
Reichsgottesarbeiter das heilige Zartgefühl und die
gottgewollte Milde vergessen lassen, die wir dem Bruder
schulden.
Der Anblick dieses Streites mahnt zur Vorsicht im Verlassen
eines von Gott zugewiesenen Platzes.
A.Christlieb
Apostelgeschichte 15, 38. (Lies Sprüche 27, 8;
Apostelgeschichte 13, 13).
Eine dritte Warnung entnehmen wir dem B l i c k a u f
J o h a n n e s M a r k u s.
Wie peinlich muß diesem doch der ganze Zwiespalt zwischen
Paulus und Barnabas gewesen sein. Er mußte sich sagen: Ich
bin an allem schuld durch den eigenen Weg, den ich damals in
Pamphylien ging (Apostelgeschichte 13, 13). Er hatte ja
inzwischen seine Stellung geändert, denn aus der bestimmten
Forderung des Barnabas läßt sich erkennen, daß sein Neffe
nunmehr bereit war, wieder mitzugehen. Aber mit dieser
Willensänderung waren die schlimmen Folgen seines damaligen
Irrweges nicht beseitigt. Er mußte jetzt fühlen, daß er
durch seine Kreuzesflucht und seine Unbeständigkeit das
Vertrauen des gesegnetsten Zeugen gründlich verloren hatte.
Die Schärfe und Entschiedenheit, mit der sich Paulus seiner
Mitnahme widersetzte, war für Markus eine außerordentliche
Demütigung. Dazu kam, daß überall da, wo der Zwiespalt der
beiden Apostel erörtert wurde, auch sein alter Fehler und
Irrweg wieder in Erinnerung kam. So ziehen eigene Wege oft
in späterer Zeit empfindliche Demütigungen und Züchtigungen
nach sich.
Wir wollen angesichts dieser Folgen, die ein einziger
falscher Schritt eines Dieners von Paulus nach sich zog,
den Herrn um Gnade bitten, daß wir doch niemals den Platz
verlassen, an den Gott uns gestellt hat. Ein treues Bleiben
in den Linien der göttlichen Führung wird uns manche
Demütigung ersparen können.