Apg 14,11
A.Christlieb
Die Vergötterung der Apostel in Lystra.
Apostelgeschichte 14, 11 - 14.
Wir leben in einer Zeit mannigfacher Menschenvergötterung.
Man vergöttert die in Kunst, Technik, Politik und vor allem
im Sport erfolgreichen Menschen. Auch in die Arbeit des
Reiches Gottes hat sich dieses Übel geschlichen. Schon
Paulus und Barnabas erlebten solches. Unser Text zeigt uns,
wie sie in Lystra vergöttert wurden. Laßt uns bei dieser
Vergötterung der Apostel stehen bleiben und ansehen, wie sie
entstand, wie sie sich zeigte und wie sie bekämpft wurde.
1. Wie die Vergötterung der Apostel entstand.
Sie entstand durch den Anblick der wunderbaren Heilung des
Lahmen. Beim Erleben dieses Wunders begingen die Leute einen
Fehler, der oft vorkommt. Sie sahen in der Heilung nur die
Tat eines Menschen (,,das Volk sah, was Paulus getan hatte").
Das Wunder stammte von Gott. Paulus war nur sein Werkzeug
(Kap. 13, 11; 14, 3; 19, 11). Die Lystraner aber schrieben
das Heilungswunder dem Apostel zu. Hier lag ihr Irrtum.
Auch heute noch geraten viele dadurch in den Fehler der
Menschenvergötterung hinein, daß sie bei den menschlichen
Werkzeugen stehenbleiben, die der Herr zu irgendeiner
besonderen Tat gebraucht. Laßt uns lernen, in solchen Fällen
die göttliche Hand zu erkennen, und laßt uns nie den Menschen
das zuschreiben, was Gott allein zu tun vermag (Jakobus 1,
17). Dann wird ein solch schlimmer Irrtum in unserem Herzen
nicht entstehen können.
2. Wie die Vergötterung der Apostel in Erscheinung trat.
Die Einwohner von Lystra zogen aus den in der Heilung
offenbar gewordenen übernatürlichen Kräften den Schluß,
die Apostel seien übernatürliche Wesen. Sie glaubten das
Wunder nur dadurch erklären zu können, daß Götter sie in
Menschengestalt besucht und diese Tat vollbracht hätten.
Diesem Glauben entsprechend schritten sie dazu, den Aposteln
durch Darbringung eines Opfers die damals übliche göttliche
Verehrung zu erzeigen.
Wir können uns vorstellen, wie bei dem Anblick eines
solchen, noch nie geschauten Wunders eine überschwängliche
Begeisterung das Volk ergriff. In diesem Zustand, wo
sie wie berauscht waren, ließen sie sich zu solcher
Menschenvergötterung hinreißen. Laßt uns nicht mitleidig
und spöttisch auf solche Torheit herabsehen! Wenn auch die
Menschenvergötterung jetzt nicht mehr in der damaligen Weise
durch Darbringung von Opfertieren und Kränzen erfolgt, so
werden doch auch heute noch große Volksmengen von derselben
unnüchternen Begeisterung ergriffen, wenn sie irgendein
Tagesheld mit seinen hervorragenden Leistungen mit sich
fortreißt. Laßt uns achthaben, daß wir nüchtern bleiben
und nie mitgerissen werden (Apostelgeschichte 8, 9 - 11)!
Beim Anblick der unnüchternen Begeisterung jener heidnischen
Lystraner taucht die Frage in uns auf: Liegt in ihrem
falschen Glauben und in ihrem törichten Eifer nicht doch noch
irgendein Körnlein Wahrheit? Können wir aus ihrem unsinnigen
Denken und Handeln nicht doch noch etwas Richtiges lernen?
Wir antworten: Ja! Dreierlei dürfen wir bei ihrem verkehrten
Tun dennoch gelten lassen, ja sogar teilweise zum Vorbild
nehmen:
1. Sie meinten, Gott habe ihren Ort besucht. So, wie sie es
sich dachten, war das eine Torheit; und doch war es wahr.
Gott hatte ihren Ort besucht, indem er ihnen sein lauteres
Evangelium sandte. Ist es nicht für jeden Ort, jedes Haus
und Herz ein Besuch des Herrn, wenn er sein Wort dahin kommen
läßt?
2. Sie hielten Paulus für den Götterboten Merkurius. Das
war närrischer Wahn. Aber doch war er in ganz anderem Sinn
ein Bote des wahren lebendigen Gottes; denn der Herr hatte
ihn gesandt, das Evangelium zu verkünden.
Sind nicht alle wahren, treuen Verkündiger des Wortes Gottes,
auch die allerschwächsten und ungelehrtesten, seine
Friedensboten? (Jesaja 52, 7).
3. Die Lystraner wollten in ihrer Weise die Gelegenheit der
Gegenwart einer Gottheit auskaufen und sich dankbar erzeigen.
So töricht und unsinnig ihr Tun auch war, so können wir hier
dennoch von ihnen lernen. Auch bei uns gilt es (natürlich
ganz anders als dort), Gelegenheiten, wo Gott uns nahetritt,
auszunutzen und ihm in Dankbarkeit das rechte Opfer unseres
Herzens und Lebens zu bringen. Insofern sind wir bereit,
sogar von den irrenden Lystranern etwas zu lernen.
3. Die Bekämpfung der Menschenvergötterung.
Wenn man irgendwo die Apostel als echte Diener Christi
erkennen kann, so ist es hier bei ihrer Vergötterung in
Lystra der Fall. Nicht oft gerieten diese Boten Jesu in
solche Erregung, daß sie ihre Kleider vor Schmerz zerrissen
und in schnellstem Lauf hineilten, um einzugreifen.
Welch ein Schmerz, welch eine Angst und Sorge ergriff sie
beim Anblick dessen, was hier geschehen sollte! Die Erregung
und Sorge beweisen ihre Demut. Sie zitterten bei dem
Gedanken, daß Gott die Ehre geraubt und ihnen gegeben werden
könne. Als später in Athen einige Gelehrte Paulus' Ehre in
den Staub zogen, indem sie ihn einen ,,Lotterbuben" nannten
(Kap. 17, 18), regte er sich nicht auf. Als man aber ihn
und seine Mitarbeiter vergötterte, wurden beide empört.
Wie oft ist es bei uns umgekehrt! Wir geraten leicht in
Erregung, wenn unsere eigene Ehre angetastet wird, bleiben
aber ruhig und still, wenn Gottes Ehre durch falsches Rühmen
unseres Tuns beeinträchtigt wird.
Laßt uns der Apostel Demut suchen (Zephanja 2, 3) und alle
übertriebene Erhebung unserer Person mit Ernst bekämpfen
(Römer 12, 16).