Apg 14,8
A.Christlieb
Der Glaube des Lahmen in Lystra.
Apostelgeschichte 14, 8 - 10.
Von dem Lahmen, der hier die herrliche Erfahrung der
leiblichen Heilung machen durfte, heißt es: ,,Er glaubte" (V.
9). Weil dieser Glaube die entscheidende Voraussetzung aller
Segenserfahrungen ist, so laßt uns bei demselben verweilen
und seine Vorgeschichte, seine Entstehung und seinen Inhalt
näher betrachten.
1. Die Vorgeschichte seines Glaubens.
Jeder Glaube hat seine Vorgeschichte. So war es auch bei
diesem Lahmen. Die Vorgeschichte seines Glaubens war ein
langer Trübsalsweg. Von Kindesbeinen an war er gelähmt. Er
hat also seine Lähmung jahrzehntelang von frühester Jugend an
bis ins Mannesalter hinein tragen müssen. Wenn andere Kinder
munter ihre Spiele trieben, wenn andere Jünglinge und Männer
ihrer Arbeit nachgehen und ihr Brot verdienen konnten, so
mußte er stillsitzen. Immer war er auf die Hilfe anderer
angewiesen. Es konnte so scheinen, als ob der Schöpfer
diesem Unglücklichen besonders wenig Liebe und Fürsorge
entgegenbringe. Aber es war anders! Gerade dieser dunkle,
schwere Weg machte ihn empfänglich für die Botschaft, die
Paulus in jenen Tagen an seinem Wohnort verkündigte.
Wie ist doch manchmal ein schwerer Trübsalsweg die
Vorgeschichte zu herrlicher Glaubenserfahrung (1. Mose 37,
18 - 28; Apostelgeschichte 18, 2).
2. Die Entstehung seines Glaubens.
Der Glaube des Lahmen entstand beim Hören der Predigt des
Evangeliums (,,der hörte Paulus reden", V. 9; ,,sie
predigten daselbst das Evangelium", V. 7).
Gott kann allerlei Mittel gebrauchen, einen Menschen zum
Glauben zu führen. Jedoch der normale, in der Schrift immer
wieder genannte Weg zum Glauben ist das Hören des göttlichen
Wortes.
Durch das Hören der Taten Gottes entstand in der Hure
Rahab das erste Glaubenslicht (Josua 2, 9 - 11). Unter
der Auslegung von Jesaja 53 erwachte im Kämmerer aus dem
Mohrenland eine klare Glaubensüberzeugung (Apostelgeschichte
8, 35 - 37). Während Paulus redete, tat der Herr der
Purpurkrämerin Lydia das Herz auf, daß sie gläubig wurde
(Apostelgeschichte 16, 13 - 15). Während er das Wort des
Herrn hörte, wurde der Kerkermeister mit seinem Hause gläubig
(Apostelgeschichte 16, 32 - 34). So war es auch hier nach
Paulus' Wort: ,,Es kommt der Glaube aus der Predigt" (Römer
10, 17).
Diese Tatsache kann uns ermuntern, das Hören des göttlichen
Wortes nicht zu unterschätzen. Es gibt Menschen, die meinen,
man könne auch ohne Gottes Wort zum Glauben gelangen und ein
Glaubensleben führen. Das ist ein bedenklicher Standpunkt.
Laßt uns die Kräfte, die Gott in sein Wort hineingelegt hat,
dankbar benutzen und zum Hören seines Wortes immer wieder
gern Zeit nehmen (Hebräer 10, 25).
3. Der Inhalt seines Glaubens.
Der Inhalt seines Glaubens war außerordentlich einfach und
praktisch. Viele Kenntnisse und Geheimnisse des Glaubens
mochten ihm noch fremd sein. Aber eines hatte er erfaßt.
Während Paulus den großen Helfer und Retter aus äußerer und
innerer Not verkündigte, ging ihm ein Licht darüber auf, daß
dieser Retter auch ihm aus seinem Elend heraushelfen könne.
,,Er glaubte, i h m m ö c h t e g e h o l f e n w e r d e n".
Er mochte dabei besonders an die äußere leibliche Not seines
lahmen Körpers denken. Jedenfalls hatte er die eine Wahrheit
verstanden und in sein Herz aufgenommen, daß Jesus auch ihm
helfen könne. Dies war der Inhalt seines Glaubens.
Dadurch beschämt er viele Christen, die über alle
Einzelheiten der Glaubenslehre Bescheid wissen, die aber
nicht die lebendige Überzeugung und das herzliche Vertrauen
besitzen, daß der Heiland auch ihnen aus all ihrem Jammer
helfen könne. Erst wo dieses Vertrauen durch den Heiligen
Geist in ein Herz eindringt, versteht ein Mensch, was Glaube
ist. Was hilft es mir, wenn ich die besten Lehren auswendig
gelernt habe, und auf alle Fragen des Glaubens richtig
antworten kann, aber der Glaubensinhalt jenes Lahmen nicht in
meinem Herzen wohnt (2. Könige 18, 5; Matthäus 9, 28 - 30).
A.Christlieb
Das Wort von Paulus an den Lahmen.
Dieses Wort ist ein B e i s p i e l e c h t e r v o n
G o t t v e r l i e h e n e r V o l l m a c h t. Diese
hat drei Kennzeichen:
1. Sie ist frei von aller U n b e s o n n e n h e i t.
Paulus prüfte erst sorgfältig, ob die innere Voraussetzung
der Hilfe vorhanden war. Erst als er den Glauben des Lahmen
erkannt hatte, sprach er das zur Heilung führende Wort aus.
Menschen, die wahre Vollmacht haben, sind besonnen; sie
erklären nicht leichtfertig und voreilig einen anderen für
gesund.
2. Die rechte Vollmacht ist auch frei von aller U n -
s i c h e r h e i t. ,,Mit lauter Stimme" sprach Paulus.
Wäre er auch nur im mindesten unsicher und schwankend gewesen,
so würde er mit gedämpfter Stimme zum Lahmen gesprochen
haben, damit im Falle eines Mißerfolges nicht alle sein Wort
vernommen hätten. Nun aber war er seiner Sache so gewiß, daß
er mit voller Absicht die ganze Zuhörerschar sein Wort hören
ließ.
Wenn Gott Vollmacht verleiht, so nimmt er jede Unsicherheit
hinweg und gibt Mut zu freudigem und getrostem Auftreten.
3. Endlich ist die wahre Vollmacht frei von aller U n -
k l a r h e i t . Der Apostel gebot dem, der sich noch nie
auf seinen Füßen hatte bewegen können, sich zu erheben. Das
war unzweideutig. Es war aber nur möglich, wenn Gott ein
Heilungswunder tat. Gerade aber ein solches erwartete
Paulus.
Die von oben geschenkte Vollmacht braucht nicht allerlei
unklare Ausdrücke, die nachher verschiedenartigste Deutungen
zulassen. Sie ist vielmehr deutlich, klar und bestimmt
(Apostelgeschichte 13, 11; 5, 9). Gott gebe allen seinen
Knechten zur rechten Zeit ein Vollmachtswort, das diese
Kennzeichen trägt.