Apg 13,1
A.Christlieb
Die leitenden Brüder in der Christengemeinde zu Antiochien.
Apostelgeschichte 13, 1.
Unser Text zeigt uns die vornehmlich am Wort dienenden Brüder
in der jungen Christengemeinde zu Antiochien. Laßt uns
aufmerksam ihre Zahl und Bezeichnung, ihre Reihenfolge und
ihre Vorgeschichte betrachten!
1. Zahl und Bezeichnung der leitenden Brüder.
Die Zahl und Bezeichnung derselben zeigt uns, wie reichlich
Gott sein Volk dort mit dem Wort des Lebens versorgte! Hätte
die Gemeinde nur e i n e n gläubigen Prediger in ihrer Mitte
gehabt, so wäre das schon eine Ursache zum Danken gewesen.
Nun gab ihr Gott fünf Zeugen der Wahrheit! Welch eine Gnade!
Dazu teilte er die Gaben unter denselben mannigfaltig aus,
wie ihre Bezeichnung erkennen läßt. Einigen schenkte er
prophetischen Gaben, indem er sie unmittelbar durch seinen
Geist erleuchtete (,,Propheten"). Anderen gab er die
Fähigkeit, Gottes Wort in verständlicher Weise auszulegen
und zu erklären (,,Lehrer").
Wer will die innere Stärkung und Bereicherung ausdenken, die
Gott seiner kleinen Herde durch solche Männer gab!
Wenn sich ringsumher von seiten der Welt Haß und Feindschaft
zeigte, so erfuhr sie in ihren Zusammenkünften immer neue
Erquickungen durch den Mund dieser Knechte. Hier war ,,des
Herrn Wort" nicht ,,teuer", wie einst in Samuels Jugendzeit
(1. Samuel 3, 1). Hier erfüllte sich vielmehr das Wort:
,,Ich will euch Hirten geben nach meinem Herzen, die euch
weiden sollen mit Lehre und Weisheit" (Jeremia 3, 15). Hier
hatte ,,Gott etliche gesetzt zu Propheten ..., etliche zu
Hirten und Lehrern, daß die Heiligen zugerichtet werden"
(Epheser 4, 11. 12).
Laßt uns die Fürsorge Gottes für die inneren Bedürfnisse
seines Volkes rühmen (Psalm 115, 12 a).
2. Die Reihenfolge der leitenden Brüder
ist nicht gleichgültig. Barnabas, der Abgesandte und
Vertreter der Muttergemeinde Jerusalem, steht an erster
Stelle. Nach dem Ansehen, das dieser Knecht Gottes damals
genoß (Kap. 4, 36; 9, 27; 11, 22 - 26), erscheint dies
gerecht und billig. Nach ihm folgen drei in der Heiligen
Schrift sonst unbekannte Männer. An letzter Stelle steht
der damals noch jüngere und erst später in die Arbeit
eingetretene (Kap. 11, 25) Saulus.
Im Reich Gottes herrscht nicht Willkür, Unordnung und buntes
Durcheinander. Wenn es in demselben auch keine Rangstufen
im Sinn der Welt gibt, wenn dort auch alle als Brüder unter
einem Meister gleichgestellt sind (Matthäus 23, 6 - 12), so
gibt es doch gottgewollte Voran- und Hintanstellungen. Nicht
umsonst heißt es im Anfang der ersten Missionsreise lange
Zeit ,,Barnabas und Saulus", später aber ,,Saulus (Paulus)
und Barnabas". Jeder wird an die Stelle gesetzt, die ihm
zukommt. So ist es auch nicht umsonst, daß Saulus in jener
Zeit unter den am Worte dienenden Brüdern an der letzten
Stelle genannt ist. Der Mann, welcher nach Gottes Rat alle
anderen an Bedeutung weit übertreffen sollte, nahm zunächst
im Kreis seiner Mitarbeiter die letzte Stelle ein! Gewiß
übertraf Saulus schon damals manchen der genannten Lehrer an
Gaben und Fähigkeiten zum Dienst im Reich Gottes. Trotzdem
übergab man ihm nicht sofort die führende Rolle unter den
dienenden Brüdern. Diese behielt Barnabas.
Sicherlich lag in der Saulus zugewiesenen Stellung eine
weise, göttliche Absicht. G o t t e r z i e h t i m m e r
z u r D e m u t . E r s o r g t d a f ü r , d a ß s e i n e
K n e c h t e n i c h t z u f r ü h d e n F ü h r e r -
s t a b i n d i e H a n d b e k o m m e n , e h e s i e
d a z u a u s g e r e i f t s i n d .
Wohl allen, die sich wie Saulus in Antiochien an den letzten
Platz im Brüderkreise stellen lassen (1. Petrus 5, 5;
Epheser 5, 21).
3. Die Vorgeschichte der leitenden Brüder
ist uns nur bei Barnabas, Saulus und Manahen bekannt und
zeigt uns die Mannigfaltigkeit der Wege, auf denen Gott seine
Werkzeuge zubereitete und an diesen Platz führte.
Erwähnt wird in unserem Text nur die Vorgeschichte Manahens.
Dieser war ein Jugendgenosse des gefährlichen Christenfeindes
Herodes, der Johannes den Täufer enthaupten ließ.
(,,Manahen, der mit Herodes, dem Vierfürsten, erzogen war").
Laßt uns bei dieser Geschichte Manahens etwas verweilen. Wer
wie Manahen an einem Fürstenhof aufgewachsen ist, wer wie
dieser Beziehungen zu den höchsten Gesellschaftskreisen hat,
der ist in der Regel mit besonders starken Fäden und Ketten
an die Welt gebunden (Johannes 12, 42. 43). Er hat es nicht
leicht, durch alle Standesvorurteile durchzubrechen und in
die Gemeinschaft der verachteten Jesusjünger einzutreten.
Manahen muß diesen großen Schritt getan haben. Wann und wie
dies geschah, wird nicht berichtet. Wir erfahren nur die
Tatsache, daß der ehemalige Spielgenosse des Herodes ein
gläubiger Christ und ein Führer der Christengemeinde geworden
ist. Manahen hätte versuchen können, seine Beziehungen zu
Herodes zur Gewinnung irdischer Ehren auszunützen. Er konnte
als Mann von Rang und Bildung nach glänzender Laufbahn in der
Welt trachten. E r m u ß s i c h b e w u ß t g e w e s e n
s e i n , daß sein Bekenntnis zu Christus ihm die Türen zu
vielen Ehren- und Rangstellungen zuschloß. Er hat ohne
Zweifel gewußt, welch ein Kopfschütteln und Spott von seiten
der vornehmen Welt entstehen würde, wenn er Christ wurde.
Dennoch betrat er den verschmähten Weg der Nachfolge Jesu.
Er verzichtete auf eine vergängliche Ehrenlaufbahn und
erwählte eine unvergängliche. Er glich Mose, der sich trotz
seiner Stellung am Pharaonenhof dem Volk Gottes anschloß
(Hebräer 11, 24 - 26).
Manahens Beispiel kann all denen Mut machen, welche durch
gesellschaftlich hohe Stellung aufgehalten werden, sich
auf Jesu Seite zu stellen. Wohl allen Nachfolgern dieses
einstigen Jugendgenossen des Herodes! (Kap. 17, 34;
Johannes 4, 47; 19, 38).