Apg 12,6
A.Christlieb
Und da Herodes den Petrus wollte vorstellen, eben in
der Nacht kam der Engel des Herrn. Apg. 12, 6 f.
Bei dem wunderbaren Eingreifen Gottes zur Befreiung des
Petrus wollen wir mehreres beachten. Der Engel erschien
nicht früher, als es unbedingt nötig war. In der
allerletzten Nacht, die der geplanten Hinrichtung voraufging,
kam die göttliche Hilfe. Wir wissen nicht genau, wie lange
Petrus im Kerker gelegen hat. Aber das wissen wir genau: Die
befreiende Hilfe kam erst im allerletzten Augenblick. Bis
dahin hat Gott die gläubige Gemeinde warten lassen. Bis
dahin durfte es den Anschein haben, als achte Gott nicht auf
das vereinte Flehen seines Volkes, als sei alles Flehen und
Harren umsonst. Wie Jesus seinen Jüngern bei dem Sturm erst
in der letzten Nachtwache erschien (Matth. 14, 24 f.), so
kam er auch hier erst in letzter Stunde. Für Menschenaugen
und Menschengedanken kann solches Verziehen Gottes fast wie
eine Grausamkeit erscheinen. Unsere Vernunft ist geneigt zu
fragen: Weshalb sandte Gott, dem alles zur Verfügung steht,
seinen Engel nicht früher? Weshalb ließ er die ganze
Gemeinde bis zu allerletzt in Sorge und Angst um das Geschick
des Petrus bangen? Aber wenn auch unserer Ungeduld der
Zeitpunkt der göttlichen Hilfe als zu spät erscheint, so
war er doch der richtige. Welch ein Segen barg die Zeit des
anhaltenden Gebetes für die Gemeinde in sich! Wir werden
erinnert an die Worte des Liedes jener baltischen Märtyrerin,
das jetzt der ganzen Gemeinde Gottes vertraut ist: ,,Du
weißt, woher der Wind so stürmisch weht, und du gebietest
ihm, kommst nie zu spät!" Die Ewigkeit wird einmal offenbar
machen, wieviel heiliger Gewinn, wieviel Erstarken und
Ausreifen des Glaubens gerade in solchen Zeiten des Wartens
auf Gottes Hilfe gewirkt ist, Zeiten, wie sie auch Abraham,
der Vater der Gläubigen, bei der Opferung des Isaak
durchleiden mußte.