Apg 9,19
A.Christlieb
Drei Kennzeichen einer wahren Bekehrung
»Der Herr sprach zu ihm: Stehe auf und gehe hin in die Gasse,
die da heißt die gerade, und frage in dem Haus des Judas nach
einem namens Saul von Tarsus; denn siehe, er betet. - Und
Saulus stand auf, ließ sich taufen und nahm Speise zu sich
und stärkte sich. Saulus aber war eine Zeitlang bei den
Jüngern zu Damaskus. Und alsbald predigte er Christus in den
Schulen, daß derselbe Gottes Sohn sei« (Apg. 9, 11. 19. 20).
Wenn wir den neubekehrten Saulus in Damaskus beobachten,
so treten uns drei Merkmale einer echten Sinnesänderung
entgegen.
1. Eine neue Lieblingsbeschäftigung
Gott beschreibt dem Ananias die Tätigkeit des früher so
gefürchteten Saulus mit dem kurzen Wort: »Siehe, er betet.«
Dieser Ausdruck läßt uns einen tiefen Blick in die ganz neue
Bahn dieses Mannes tun.
Gewiß hat Saulus auch früher schon in seinem pharisäischen
Stand gebetet. In allen Stücken wollte er ja immer
pflichtgetreu sein. Aber was für Gebete werden es gewesen
sein? Es ist wohl möglich, daß er manchmal um baldige,
gründliche Ausrottung der Christen zu Gott gebetet hat. Aber
in jener Zeit war das Gebet nicht das eigentliche, besondere
Merkmal und Kennzeichen seines ganzen Lebens. Das ist es
erst in Damaskus geworden. Hier trat das Gebet so in den
Vordergrund seines ganzen Lebens, daß Gott selbst sein
wesentlichstes Verhalten in die zwei Worte zusammenfaßt: »Er
betet.« Man merkt, daß ihm nun erst der Umgang mit Gott die
erste, liebste und wichtigste Beschäftigung geworden ist.
Daß auch von uns das Wort gelten möchte: »Er betet«, daß das
Gebet den ersten Platz in unserem Leben bekomme, so daß wir
wie Daniel lieber das Leben preisgeben möchten als den Umgang
mit Gott (Dan. 6)! Wahre Bekehrung macht uns das Gebet zur
liebsten Beschäftigung unseres Lebens.
2. Eine neue Lieblingsgesellschaft
Als Saulus durch Ananias zum äußeren und inneren Licht
geführt war, da »war er bei den Jüngern zu Damaskus« (V.
19). Die Leute, die er vorher nicht ausstehen konnte, die
nach seiner Meinung lauter sektiererische und verkehrte
Menschen waren, die bildeten nun auf einmal seine liebste
Gemeinschaft. Diese suchte er jetzt auf, mit ihnen fühlte
er sich verbunden.
Früher fühlte er sich besonders wohl in dem Kollegium des
Hohen Rates. Aber jetzt paßte er auf einmal nicht mehr in
diese Gesellschaft hinein.
Jetzt zog es ihn innerlich hin zu der verachteten Schar,
die mit ihm denselben teuren Glauben überkommen hatte. Eine
einzige Stunde in diesem Kreis brachte ihm mehr Segen und
Erquickung als alle früheren Ratsversammlungen zusammen.
Wohin zieht es uns? An unserer Lieblingsgesellschaft kann
man unsern Herzenszustand erkennen. Wohl dem, der sich
daheim fühlt bei den mit Gott verbundenen Seelen, bei den
Jüngern des Heilandes!
3. Ein neues Lieblingsthema
Als Paulus ein neuer Mensch geworden war, da hatte er auch
eine neue Zunge. Früher wird man ihn oft klagen gehört
haben: »Wie verkehrt sind doch diese Leute, die sich zur
Anbetung Jesu versammeln! Sie kommen ja ganz von unserer
väterlichen Religion ab.« Jetzt hatte er nicht mehr zu
beklagen und zu bekämpfen, sondern zu rühmen und zu bezeugen:
»Alsbald predigte er Christus in den Schulen, daß derselbe
Gottes Sohn sei« (V. 20). Den Heiland verkündigen, das ist
sein Lieblingsthema geblieben, solange seine Zunge noch
lallen konnte. Früher mochte er seine eigenen Tugenden
rühmen können. Jetzt liebt er Christus. Von ihm war sein
Herz so voll, daß sein Mund auch von ihm überfloß. -
Wovon fließen unsere Lippen über?
Der Geizige redet am liebsten vom Gewinn, der Lüstling von
seiner Lust, der Hochmütige von seiner Ehre; aber der wahre
Christ hat kein Thema so lieb wie das von seinem Heiland.
Gott wolle auch unser aller Herz so erneuern, daß
Lieblingsbeschäftigung, Lieblingsgesellschaft und
Lieblingsunterhaltung des Paulus zur unsrigen wird!
A.Christlieb
III. Mit welchem Erfolg stellte Ananias den Saulus
vor die Entscheidung?
Apostelgeschichte 9, 19 und 20.
Unser Text nennt drei Tatsachen: 1. die Taufe des Saulus,
2. seine erste Mahlzeit, die er als Christ einnahm, 3. seinen
Anschluß an die Christengemeinde zu Damaskus. Jede derselben
soll uns beschäftigen.
1. Die Taufe des Saulus.
Eingehend auf das Wort des Ananias (Kap. 22, 16) unterzog
sich Saulus der Taufe. Was bedeutete dieselbe?
1. V o n s e i t e n d e s S a u l u s bedeutete sie ein
mutiges Bekenntnis. Er erklärte mit derselben öffentlich,
daß er Jesus angehören wolle und sich seiner Zugehörigkeit zu
ihm nicht schäme. Das war für den Pharisäer und bisherigen
Gegner Jesu ein mutiger Schritt. (1. Timotheus 6, 12 b ;
Johannes 6, 68). Dasselbe mutige Bekenntnis ist auch bei
uns nötig. Wenn wir auch im zarten Kindesalter das Zeichen
des Bundes empfangen haben, so gilt es, daß wir mit vollem
Bewußtsein sagen lernen: ,,Sollt ich dem nicht angehören, der
sein Leben für mich gab? Sollt ich dem nicht Treue schwören,
Treue bis in Tod und Grab? "
2. V o n s e i t e n d e s A n a n i a s und der durch
ihn vertretenen Christengemeinde bedeutete die Vornahme der
Taufhandlung die Aufnahme des bisherigen Feindes und
Verfolgers in ihren Bruderkreis. Man bestimmte ihm nicht
erst eine Probe- und Bewährungsfrist, sondern erkannte ihn
als zu sich gehörig an.
Mag in anderen Fällen eine solche Frist angebracht sein: Hier
wäre im Blick auf die klare Weisung des Herrn ein Bedenken
und Warten nicht richtig gewesen.
So wollen auch wir gern alle diejenigen, die der Herr in
seiner Gnade aus ihren Irrweg heraus zum Glauben an Jesus
geführt hat, als Brüder anerkennen, auch wenn ihre
Vergangenheit dunkel und befleckt sein sollte.
Weil die Taufe nach der Schrift das Zeichen des Bundes mit
Gott ist (1. Petrus 3, 21), so bedeutete diese Taufe des
Saulus
3. v o n G o t t e s S e i t e eine Zusicherung all der
Güter und Gaben, welche die Bundesstellung mit sich bringt.
Wer will die Gaben aufzählen, die der Herr in seinem
unendlichen Erbarmen in diesem schlichten Zeichen des Bundes
darbietet? Im Alten Bund wurden zuerst die Erwachsenen, dann
auch die Kindlein mit einem Zeichen des Bundes versehen
(Beschneidung; 1. Mose 17, 1 - 14). Jeder Israelit durfte
sich dieses Bundeszeichens freuen und getrösten, weil ihm
dadurch seine Bundesstellung mit Gott zugesichert war. So
darf sich auch der gläubige Christ, der sich seinem Herrn und
Heiland ganz übergibt, dessen getrösten, daß schon in der
Taufe der Herr ihn gnädig anblickte und in seinen Bund
aufnahm.
Wir dürften nie wagen, schon den kleinen Kindlein das Zeichen
des Bundes in der Taufe zu geben, wenn wir nicht das klare
Heilandswort hätten, das ihnen schon das Himmelreich
zuspricht (Matthäus 19, 14).
Wehe uns aber, wenn wir diese Gabe der Taufe zu einem
Ruhepolster machen, das eine gründliche Bekehrung überflüssig
machen soll! Wer leichtfertig auf seiner Taufe ausruht und
meint, daß durch sie schon seine Aufnahme in das Himmelreich
gesichert sei, ist auf dem Irrweg. Wer aber (in Dankbarkeit
für Gottes unaussprechliche Liebe, mit der er uns schon in
der Taufe entgegenkam und als ihm zugehörig erklärte), von
Herzen an ihn glaubt, der darf sich seines Bundes mit Gott in
der Taufe getrösten, wie es auch Luther und so viele
Gottesmänner taten.
Durch die Taufe auf den Namen Jesu wurde Saulus trotz all
seiner Irrungen in den Bund des Herrn aufgenommen. In diesen
Bund dürfen auch wir treten und darin bleiben.
2. Saulus nimmt Speise zu sich.
Der Text erwähnt es besonders, daß Paulus nach seiner Taufe
wieder Speise zu sich nahm.
1. Achten wir zunächst darauf, w a n n Saulus diese erste
Mahlzeit als Christ einnahm.. Erst n a c h der Taufe fand
sie statt. Paulus ließ also alles, auch die Stillung seines
Hungers, so lange anstehen, bis der durch Ananias ihm zuteil
gewordene Auftrag des Herrn erfüllt war.
Das ist echt paulinisch. Zuerst kommt der Gehorsam gegen den
Herrn, dann kommen die eigenen Wünsche und Bedürfnisse. Laßt
uns diese Reihenfolge nie umkehren!
2. Sodann erwähnt der Text den Z w e c k dieser Mahlzeit:
,,Er stärkte sich" (wörtliche Übersetzung: ,,Er kam wieder zu
Kräften"). Wir haben uns nicht etwa ein üppiges Festmahl zur
Feier seiner Taufe, sondern nur ein Genießen von Nahrung zur
Wiederaufrichtung seiner ohne Zweifel sehr gesunkenen Kräfte
vorzustellen.
In Zeiten besonderen Mangels und Darbens dürfen wir uns durch
diese Bemerkung des Textes daran erinnern lassen, daß die
Speise diesem Zweck dient. Salomos Rat an die Fürsten gilt
auch uns: ,,Zur rechten Zeit speisen zur Stärke und nicht zur
Lust" (Prediger 10, 17).
3. Das Genießen der Speise bedeutete die Beendigung der
besonderen Fastenzeit des Saulus. Drei Tage und drei Nächte
hatte er unter dem erschütternden Eindruck seines Erlebnisses
nichts zu sich genommen. Nun, wo er Gnade, Friede und
Vergebung hatte, wäre es unnatürlich gewesen, wenn er das
Fasten, das zugleich ein Leidtragen war (Matthäus 9, 14.
15), fortgesetzt hätte. Jetzt glich er den Jüngern, von
denen Jesus sagt: ,,Wie können die Hochzeitsleute (fasten
und) leidtragen, solange der Bräutigam bei ihnen ist?"
(Matthäus 9, 15). Dieser himmlische Bräutigam war nun auch
bei ihm. Die vorige Mahlzeit hatte er noch als ein Feind der
Christen eingenommen. Dieses Mahl genoß er als ein Freund
und Bruder mit dem Frieden Gottes im Herzen.
Wohl allen, die solches Mahl halten, das ein Vorgeschmack ist
des Freudenmahles in der neuen Welt! (Lukas 13, 29).
3. Saulus schließt sich den Jüngern in Damaskus an.
Es gibt eine gewisse Gruppe unter den gläubigen Christen, die
besonders betont, daß ein Mensch, der zum Glauben gekommen
sei, nun auch ,,seinen Platz einnehmen" müsse. Sie verstehen
darunter den Anschluß an ihren besonderen Kreis.
Auch die Schrift lehrt uns, den rechten Platz einzunehmen,
wenn wir gläubig wurden. Saulus ist ein Beispiel dafür.
Sobald er zum Glauben gelangt war, ,,nahm er seinen Platz
ein".
Nicht einer einzelnen Sondergruppe von Christen schloß er
sich an, sondern der Gesamtheit derer, die es mit Jesu
hielten und ihm folgten. ,, E r w a r b e i d e n
J ü n g e r n ". Hier war der Platz für den neubekehrten
Saulus. Wie er früher mit den Feinden der Christen verkehrte
und in ihrem Umgang seinen Haß gegen die Christusnachfolger
stärkte, so verweilte er jetzt bei denen, die er früher
verwünschte. Im Umgang mit ihnen stärkte er sein
neuentstandenes Glaubensleben.
Wo ein Mensch zum lebendigen Glauben gelangt, da zieht ihn
die Liebe zu denen hin, die mit ihm den gleichen teuren
Glauben empfangen haben (2. Petrus 1, 1). Die Jünger Jesu
sind die liebste Gesellschaft aller derer, die vom Tod zum
Leben hindurchgedrungen sind (1. Johannes 4, 7).
Fragt jemand, der zum Glauben gekommen ist, wo er sich jetzt
anschließen solle, so antwortet ihm unser Text: da, wo Saulus
jetzt seinen Platz einnahm, sei auch der deinige (Hebräer 10,
25).
4. Paulus verbindet Liebe zur Gemeinschaft der Gläubigen mit
dem Missionssinn für die verlorene Welt.
Häufig macht man gläubigen Christen den Vorwurf, sie zögen
sich zu sehr in ihre kleinen Erbauungsstunden zurück und
bewiesen zu wenig Missionssinn.
Dieser Vorwurf mag in einigen Fällen berechtigt sein; in
anderen Fällen entstammt er einer verschleierten Abneigung
gegen die Gläubigen oder dem bedenklichen Wunsch, bei
Nichtchristen Anklang und Anerkennung zu finden.
Der Vorwurf mag nun im einzelnen Falle berechtigt sein oder
nicht; eines steht fest: Gegen Saulus durfte man diesen nicht
machen. Er weilte am liebsten bei den gläubigen Christen
(11, 9). Er ging aber auch hinein in die Synagoge, um dort
seinen Heiland zu bekennen. Er verband also Liebe zur
Gemeinschaft der Gläubigen mit eifrigem Missionssinn für die
noch nicht Glaubenden. Laßt uns dies auch tun (Lukas 14,
23)!
(s.a. ,,Ananias stellt Saulus vor die Entscheidung" ->
Apostelgeschichte 22, 16.)