Johannes

Joh 20,17 W.MacDonald »Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater.« Johannes 20,17

Eines der beliebtesten Kinderlieder lautet: »lch denke, wenn ich diese wunderbare alte Geschichte lese, wie Jesus hier unter den Menschen war, wie Er kleine Kinder als Lämmer in Seine Herde berief, daß ich damals gerne bei Ihm gewesen wäre.« Wahrscheinlich haben die meisten von uns zum einen oder anderen Zeitpunkt diesen sentimentalen Wunsch gehegt. Wir denken daran, wie schön es doch gewesen wäre, die persönliche Gemeinschaft des Sohnes Gottes während Seines irdischen Dienstes zu genießen. Aber wir sollten uns klarmachen, daß es besser ist, Ihn heute zu kennen, so wie Er durch den Heiligen Geist mittels des Wortes geoffenbart ist. Wir sind den Jüngern gegenüber nicht im Nachteil, im Gegenteil, wir haben größere Vorrechte als sie. Betrachten wir es einmal so! Matthäus sah Jesus durch Matthäus' Augen, Markus durch Markus' Augen, Lukas durch Lukas' Augen und Johannes durch die Augen von Johannes. Aber wir sehen Ihn durch die Augen aller vier Evangelisten. Und, um noch einen Schritt weiterzugehen, wir haben im Neuen Testament eine vollkommenere Offenbarung des Herrn Jesus als sie irgendeinem der Jünger auf der Erde zuteil wurde. In einem weiteren Sinn sind wir privilegierter als die Zeitgenossen des Herrn Jesus. Als Er in Nazareth unter den Volksmengen war, war Er notwendigerweise einigen näher als anderen. Im Obersaal lehnte Johannes an Seiner Brust, während die anderen Jünger in unterschiedlichem Abstand zu Tische lagen. Aber all das ist jetzt anders. Der Erlöser ist allen Gläubigen gleich nahe. Er ist nicht nur bei uns, Er ist sogar in uns. Als Maria den auferstandenen Herrn traf, wollte sie sich so an Ihn hängen, wie sie Ihn früher gekannt hatte. Sie wollte Seine physische, leibliche Gegenwart nicht verlieren. Aber der Herr Jesus sagte zu ihr: »Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater« (Johannes 20,17). Er sagte damit praktisch: »Maria, hänge dich nicht an mich in einer irdischen, physischen Weise. Wenn ich zu meinem Vater auffahre, wird der Heilige Geist auf die Erde kommen. Durch Seinen Dienst wirst du mich auf eine vollkommenere, deutlichere, vertrautere Weise kennenlernen, als du mich je zuvor gekannt hast.« Die Schlußfolgerung ist also diese: Anstatt zu wünschen, daß wir mit Jesus während Seines Dienstes auf der Erde zusammengewesen wären, sollten wir uns mit Freude klarmachen, daß es weit besser ist, Ihm jetzt anzugehören und in Seiner Gegenwart leben zu dürfen.





C.O.Rosenius Gehe hin zu Meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu Meinem Vater und zu eurem Vater, zu Meinem Gott und zu eurem Gott. Joh. 20, 17.

Diese Worte waren das erste, was der auferstandene Heiland nach der Vollendung Seines großen Werkes sprach. Wir merken darin Seine augenfällige Fürsorge, die Aufmerksamkeit auf das Wort Brüder zu richten, da Er dasselbe so ausführlich betont, indem Er spricht: ,,Mein Vater und euer Vater, Mein Gott und euer Gott!" Bedenken wir zudem, daß Christus Seine Jünger vor Seinem Tod nicht mit dem Brudernamen anzureden pflegte. - Er hatte sie wohl vorher Freunde genannt und ihnen alle Liebe bewiesen sowie in allgemeinen Worten erklärt, daß, wer Seinen Willen tue, Sein Bruder, Seine Schwester und Mutter wäre", aber sie doch nicht so bestimmt mit dem Namen Bruder angeredet. Erst jetzt, als das große Versöhnungswerk vollbracht war und als der Sündenfall gutgemacht, der Kopf der Schlange zertreten, die Sünde versöhnt und die ewige Gerechtigkeit gebracht und also die ursprüngliche Kindschaft der Menschen bei Gott wiederhergestellt war, - erst jetzt fängt Er an, den Namen Brüder zu gebrauchen und spricht: ,,Mein Vater und euer Vater, Mein Gott und euer Gott."

Gewiß ist dies bedeutungsvoll, gewiß muß man stillhalten und es bedenken! Und das dies das erste war, was der Herr nach Seiner Auferstehung sprach, wird zu einer Besonderheit, wenn wir bedenken, daß dies gerade das große Ziel der Versöhnung Christi war, nämlich unsere durch den Fall verlorene Kindschaft bei Gott wiederherzustellen. Denn alles, was sonst ausgerichtet wurde, z.B. daß die Sünde versöhnt, daß der Fluch des Gesetzes entfernt und die ewige Gerechtigkeit gebracht wurde, dies alles sind ja nur Teile eines einzigen, großen Werkes, eben eine Wiederherstellung unserer verlorenen Kindschaft. Denn dies ist die Hauptsache, daß der Mensch am Anfang zum Kind und Erben Gottes erschaffen war. Und weil diese Kindschaft durch den Sündenfall verlorenging, sollte ,,der Weibessame" sie wiederherstellen. In der Kindschaft bei Gott vereinigt sich alle Seligkeit, denn sind wir Kinder, so sind wir auch Erben! Die Wiederherstellung derselben war also das Ziel und die Summe alles dessen, was Christus als unser anderer Adam ausrichten sollte.

Wer dies versteht, der hätte nach der vollbrachten Versöhnung Christi von selbst fragen können: ,,Ist denn unsere Kindschaft bei Gott jetzt wiederhergestellt? Sind wir jetzt wieder in das durch den Fall verlorene Verhältnis zu Gott gebracht? Und nun kommt hier der auferstandene Herr Christus und sagt so bestimmt, daß man es merken muß: ,,Meine Brüder - Mein Vater und euer Vater - Mein Gott und euer Gott - Mein und euer! Mein und euer!" - Christus, der Herr vom Himmel, Gottes ewiger Sohn, kam, um wie wir Mensch zu werden. Er hat das Werk vollbracht und sagt nun von armen, gebrechlichen Jüngern: ,,Meine Brüder - Meine - Brüder - Mein Vater und euer Vater!" So hat der Herr nun die Scheidewand niedergebrochen, so sind nun Gott und Mensch wieder vereinigt, so ist nun das Verlorene - die Kindschaft bei Gott - wiederhergestellt. So ist nun der Sohn Gottes, wie der Apostel sagt, ,,der Erstgeborene unter vielen Brüdern" geworden; wir wiederholen, ,,der Erstgeborene unter vielen Brüdern." Hier ist eine Tiefe und eine Höhe, die alle unsere Kräfte weit übersteigt. Die Gabe ist allzu groß, und unsere Herzen sind allzu eng. ,,Von Tiefe zu Tiefe im göttlichen Rat erblickt der Seraph doch kein Wunder der Gnad', so groß und so selig wie dieses." Ja, wahrlich: Gottes Liebe ist groß!

Würde aber jemand sagen: ,,Ja, die Jünger, diese mit Jesus Vertrautesten und Ihm am nächsten Stehenden, die Ihm mehr als drei Jahre hindurch gefolgt und die fromm und heilig waren, sie nannte Er Brüder - was hat aber das mit uns zu tun?" Antwort: ,,Hast du noch nicht verstanden, daß diese Bruderschaft mit Christus dasselbe wie unsere Kindschaft bei Gott ist, und daß sie der Hauptzweck der großen Versöhnung Christi war, die ja nicht nur für einige wenige Freunde, sondern für die ganze Welt geschah? Gewiß ist es der Vernunft und dem Gefühl gar zu ungereimt, daß wir armen Sünder an die Teilhaftigkeit dieser großen Ehre und Gnade, Christi Brüder zu sein, denken sollten. Was aber sagt die Schrift? Und hat Christus wohl auf die Person Bezug genommen? Gott, der Schöpfer und Heiland aller Menschen, blickt nicht auf die Person, sondern auf den Menschen. Nicht einmal die eigene Mutter Christi bekam hier einen Vorzug, sondern alles, was Mensch heißt, war vor Ihm gleich. Nur der Mensch ist teuer vor Seinen Augen, nicht diese oder jene Person, mit dem Unterschied allein, daß die Gläubigen in Seinem Schoße liegen, Seine Lust und Freude sind, während die Ungläubigen Trauerkinder sind, fern von Seinem Schoß.

So gilt also diese Bruderschaft nicht nur den ersten Jüngern, sondern auch uns allen, die wir durch ihre Worte an Ihn glauben. O, welche Herrlichkeit, O, welch ewige Freudenquelle! Ein jeder unter uns, der durch ihre Worte angefangen hat, an Ihn zu glauben, hat denselben Anteil wie sie an dieser lieblichen Zusage: ,,Meine Brüder - Mein Vater und euer Vater - Mein Gott und euer Gott."

Du ewiger Abgrund der seligen Liebe In Jesu Christo aufgetan; Wie brennen, wie flammen die feurigen Triebe, Die kein Verstand begreifen kann! Wen liebst Du? Sünder, die schnöde Zucht. Wen segnest Du? Kinder, die Dir geflucht. O großes, gutes, freundliches Wesen, Du hast Dir was Schlechtes zum Lustspiel erlesen.