Joh 17,16
S.Keller
Joh. 17, 16: «Sie sind nicht von der Welt, gleich wie ich
auch nicht von der Welt bin.»
Daß Jesus nicht von der Welt war, steht außer allem Zweifel.
Was aber sollen wir zu der Gleichung sagen, die er zieht, daß
seine Jünger in diesem Punkt auch ihm gleichen? Das kann nur
bedeuten, daß das eine Stück neuen Lebens, das sie durch
seinen Geist empfangen haben, nicht von der Welt stammt,
sondern aus ihm. Sonst ist ihr äußeres Leben nicht viel
anders, als ordentliche, ehrbare Weltmenschen es auch unter
dem Einfluß christlicher Zucht und Sitte haben können. Der
Hauptunterschied, das total Neue, steckt unsichtbar (unser
Leben ist verborgen mit Christo) in ihrem Herzen und Willen,
in ihrer Gesinnung und ihren Trieben, in ihrem Hassen und
Lieben. Jeder muß wohl für sich selbst ganz überzeugt sein,
daß er diesen wesentlichen Unterschied von der Welt in sich
trage, aber über andere erlaube er sich nicht schnell ein
Urteil. Mancher ist in christlicher Luft erwachsen und hat
sich so die Formen der Gläubigen angewöhnt, daß man ihn auf
den ersten Blick für "nicht von der Welt" halten muß. Wenn
man aber seine Stellung zum Geld, sein Benehmen gegen
die Nächsten, seine Gesinnung betreffs Eitelkeit und
Empfindlichkeit kennen lernt, wird man sagen müssen, es sei
doch Welt - nur an manchen Stellen fromm angestrichene Welt!
Herr, erlöse uns von allem frommen Scheine, dem das innere
Wesen und die Wahrheit der Gesinnung nicht entspricht. Hilf
uns zum vollen Siege der Wahrheit in allen Stücken, damit man
an uns sehe, was wir sind, nämlich dein Eigentum. Amen.