Joh 15,5
W.Nee
Ohne mich könnt ihr nichts tun. Johannes 15,5
Die Versuchung, es doch zu probieren, ist tief in der Natur
des Menschen verwurzelt. Dazu möchte ich etwas erzählen, was
ich in meiner Heimat in den Salzgruben gesehen habe. In
China gibt es Kulis, die eine Salzladung von 120 Kilo und
andere, die 250 tragen können. Nun kommt einer, der nur 120
Kilo zu tragen vermag, und vor ihm steht eine Last von 250.
Er weiß genau, daß sie viel zu schwer für ihn ist und daß er
sie keinesfalls tragen kann, aber trotzdem versucht er es.
Als Junge war es mir ein besonderes Vergnügen, zehn oder
zwanzig solcher Burschen zu beobachten, wie sie daherkamen
und einer nach dem anderen eine Last zu heben versuchte, von
der sie von vornherein wußten, daß sie ihr nicht gewachsen
waren, bis sie dann schließlich dem Platz machen mußten, der
damit fertig wurde. Wie oft geht es bei uns so ähnlich: erst
wenn wir über uns selbst völlig verzweifelt sind, erinnern
wir uns an Christus und überlassen die Arbeit ihm, der so
bereit und so fähig ist, sie zu vollbringen! Je bälder wir
sie an ihn übergeben, desto besser. Denn wenn wir uns darauf
versteifen, sie selber zu tun, lassen wir kaum noch Platz für
das machtvolle Wirken des Heiligen Geistes.
C.Eichhorn
Das Geheimnis der Fruchtbarkeit
Ich bin der Weinstock; ihr seid die Reben. Wer in mir
bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht. Joh. 15, 5
Der Herr Jesus ist kein Religionsstifter. Er wirkte nicht bloß
einst und gehört nun der Vergangenheit an und übt nur durch
mündliche und schriftliche Überlieferung Einfluß aus. Jesus
wirkt nicht wie große Männer durch ihre Gedanken befruchtend,
sondern "er ist unseres Lebens Leben, unserer Seele Trieb
und Kraft". Wir können und sollen mit ihm in persönliche
Verbindung treten. Immer wieder begegnet uns der Ausdruck:
"in Christus". Diese innige Lebensgemeinschaft legt uns der
Heiland ans Herz in dem Gleichnis vom Weinstock und den Reben.
- Die Rebe steht mit dem Weinstock in organischer Verbindung.
So müssen auch wir mit dem Heiland in einen Lebenszusammenhang
treten. Der Saft des Weinstocks durchdringt die Reben und Jesu
Geist die Seinigen. Sobald wir an Jesus angeschlossen werden,
durchströmt uns seine Lebenskraft. - Eigentlich ist es der
Herr Jesus, der den Anschluß vollzieht. "Ihr habt mich nicht
erwählt, ich habe euch erwählt." Er sucht Verbindung mit uns.
Seine Liebe wirbt um uns. Er bringt uns seine erbarmende Liebe
nahe im Wort. Wenn wir ihn mit uns reden lassen oder sein Wort
in uns aufnehmen, dann nehmen wir ihn selbst auf. Wenn seine
Worte in uns bleiben, bleibt er selbst in uns (Joh. 15, 7).
Seine Liebe ist eine reinigende, heiligende Liebe. Er
verschmäht zwar keinen, auch wenn er aus dem häßlichen Sumpf
heraussteigt. Aber es muß das Verlangen da sein, rein zu
werden. Es gibt nur eine Einigung mit Jesus auf Grund einer
Reinigung. - Nun entsteht in unserem toten Herzen Leben. Es
grünt und blüht und kommen Früchte. Getrennt von ihm ist es
unmöglich, Frucht zu bringen. Es fehlt das Leben. Wir können
wohl durch eigene Anstrengung allerlei hervorbringen, was
aussieht wie Frucht. Aber es unterscheidet sich von der
wirklichen Frucht wie künstlich hergestellte von den
gewachsenen Früchten. Wo der Herr Jesus wirken kann, kommt
alles ungezwungen, nicht mühsam und abgenötigt. Das Gute, was
jemand mit saurer Miene tut, kann man vergleichen mit den
sauren Herlingen, die niemanden erquicken können (Jes. 5, 2).
- Ertrag ist noch nicht Frucht. Jedes Leben hat einen Ertrag.
Der eine hinterläßt ein Kapital, das er mit Mühe, Fleiß und
vielleicht auch ehrlich erworben hat. Das ist etwas. Aber es
ist keine Frucht im Sinne Jesu. Ein anderer bringt es zu
Ansehen und Ehren. Er gilt etwas. Aber das ist noch keine
Frucht, die Ewigkeitswert hat. Frucht ist, was vor Gott
gilt, was Gott und Menschen erquickt. Ach, mancher hat
einen traurigen Lebensertrag! Er hinterläßt Schulden, weil
er mit Leichtsinn alles verpraßt hat. Ein anderer trägt
einen entnervten, zerrütteten Körper davon, weil er durch
Ausschweifungen seine Gesundheit untergraben und die edlen
Kräfte Leibes und der Seele vergeudet hat. Ein Leben, das
sich auf der Waagschale Gottes als vollwichtig ausweist,
kann sich nur aus Jesus heraus entfalten.
S.Keller
Joh. 15, 5: «... Denn ohne mich könnt ihr nichts tun.»
Warum verachten wir die einfachsten, natürlichsten
Wahrheiten, sobald es geistliche Arbeit gilt? Ohne Jesus und
den Zufluß von ihm wird unser vieles Reden von ihm so leer
und unnütz. Ehe ich merke, daß mein Reden kein Echo in den
Herzen der Hörer weckt, wird mir innerlich schwach zumut.
Ich habe alle meine Reserven an Kraft verbraucht, den letzten
Kredit erschöpft, und die Pumpe heult, aber schafft kein
Wasser an die Oberfläche. Seelisch, geistlich, gibt es kaum
etwas Elenderes als dieses Weiterreden, wenn der Zufluß
aufgehört hat. Von der Direktion wird hergeschickt: das
Wasser wird heute wegen Reparatur des Hauptrohres von drei
bis acht Uhr abgestellt. Was für eine törichte Sache ist
dann der Eigensinn, in dieser Zeit krampfhaft den Hahn zu
drehen und doch etwas Wasser erzwingen zu wollen. Das nennen
die Leute Eifer für den Herrn und großen Glauben! Nein,
sowie statt Wasser jenes heulende Pfeifen des leeren Rohres
ertönt, setze lieber das Reden aus, gehe in die Stille,
schweig vor Gott und Menschen und warte, bis die Reparatur
beendigt ist. Kommt wieder Wasser aus dem Heiligtum, so wird
in wenig Tagen alles ersetzt, was gefehlt hat, und das Glück
ist groß, viel geben zu können, ohne arm zu werden.
Lehre mich, Herr Jesus, auf deine heimlichen Winke achten,
daß ich deine Sache nicht durch mein leeres Gerede in Verruf
bringe. Fülle mich erst, und dann gib mir das Zeichen, daß
ich für dich da sein soll. Amen.
Ch.Spurgeon
"Getrennt von mir könnt ihr nichts tun." Johannes 15,5
Mein Herz sagt: "Herr, was gibt es, das ich ohne dich tun
wollte? Die Abhängigkeit von dir ist meine Freude. Wenn ich
etwas ohne dich tun könnte, so würde ich mich fürchten, solch
eine gefährliche Macht zu besitzen. Ich freue mich, daß ich
außer der Kraft, die von dir kommt, keine andere Kraft habe.
Es belebt und erfrischt meine Seele, daß du mein Alles bist.
Du hast mir mein eigenes Vermögen genommen, damit ich mir
meine Hände von dir füllen lasse."
"Ohne mich könnt ihr nichts tun." Brüder, seid ihr alle damit
einverstanden? Möchte jemand, der unseren Herrn liebt, es
anders haben? Ich bin gewiß, daß ihr es nicht wollt; denn
wenn wir etwas ohne Christus tun könnten, so würde er keine
Ehre davon haben. Alle seine Heiligen zusammen können ohne
ihn nichts tun. Die erhabene Gesellschaft der Apostel, die
edle Schar der Märtyrer, die triumphierende Schar der durch
Christi Blut Erlösten - alle zusammen können ohne Jesus
nichts tun. Ihm, der in uns das Wollen und Vollbringen
nach seinem Wohlgefallen wirkt, gebührt alle Ehre. Um unser
selbst und um des Herrn willen freuen wir uns, daß es so ist.
Als ich über den Text nachdachte, mußte ich unwillkürlich
lächeln. Ich dachte an die, welche die Lehre der Bibel in
der Welt vernichten wollten. Mehrmals ist mir gesagt worden,
daß ich der letzte Puritaner sei und daß das Geschlecht
aussterben werde. Gelehrte und Ungelehrte vereinigten sich
zu sagen: "Setzt die Nachtmütze auf, ihr guten evangelischen
Leute, legt euch ins Bett und schlaft den Schlaf der
Gerechten, denn euer Ende ist gekommen."
Wenn das Wort "Ohne mich könnt ihr nichts tun" den Jüngern
Jesu gilt, wieviel mehr dann seinen Feinden! Wenn Jesu
Freunde ohne ihn nichts tun können, so ist es sicher, daß
auch seine Gegner nichts gegen ihn tun können, was er nicht
zuläßt. Darum lache ich über ihren Spott und freue mich über
ihre Verwirrung.
C.O.Rosenius
Ohne Mich könnt ihr nichts tun. Joh. 15, 5.
Im Grundtext steht eine doppelte Verneinung, welche ausdrückt
,,durchaus nichts". Wir wollen nicht vergessen, daß der Herr
selbst hier sagt: ,,Ihr könnt durchaus nichts tun!" Und Er
hat hier noch ein Bild hinzugefügt, das aufs stärkste dieses
,,durchaus nichts" unterstreicht, nämlich in jener vom
Weinstock abgebrochenen Rebe, die auf der Erde liegt und
verdorrt. Denn es ist ja wahrlich unmöglich, daß eine Rebe
in diesem Zustand Frucht bringen kann. Von einer solchen
sagt Jesus:
,,Gleichwie die Rebe von selbst keine Frucht bringen kann,
sie bleibe denn am Weinstock, also auch ihr nicht, ihr bleibt
denn in Mir." Alles Beten, aller Ernst, aller Kampf und
Streit ist fruchtlos, bis ihr in Mich hineingepfropft seid.
Ihr könnt keine Frucht bringen, ihr bleibt denn in Mir. Und
der Apostel sagt: ,,Wir sind nicht tüchtig von uns selbst,
etwas zu denken, als von uns selbst."
Bedenke, wenn man nicht einmal seine Gedanken in der Gewalt
hat, was kann man dann tun? Derselbe Apostel sagt auch, daß
Gott uns sogar den guten, aufrichtigen Willen geben muß.
,,Gott ist es, der in euch wirket beides, das Wollen und
Vollbringen, nach Seinem Wohlgefallen." Und dieses bewirkt Er
in den gedemütigten Seelen, die aus allen ihren fruchtlosen
Bemühungen gelernt haben, daß sie gar nichts vermögen. Wenn
sie Seine Stimme hören und sich zu Jesus bekehren lassen,
dann macht Er sie lebendig in Ihm. Wenn sie aber selbst
streiten und wirken wollen, dann muß noch alles Böse über
sie herrschen.
Das hatte ein alter Christ gelernt, als er einem jüngeren
Bruder, der über seine jämmerliche Ohnmacht in den Kämpfen
klagte, die wundersame Antwort gab: ,,Es ist ja nicht
möglich, daß du siegen kannst, während du streitest." Da
dieses gar zu ketzerisch erschien, fügte der Alte hinzu:
,,Solange du streitest, meine ich, solange dein eigenes
Ich eine Kraft noch unversucht hat und durch dieselbe zu
überwinden gedenkt." Du sollst zunichte werden. Dann kommt
der Herr und fragt dich: Hast du noch irgendeine Kraft zu
versuchen? Kannst du selbst noch etwas tun? Antwortest du
nun von Herzen: ,,Nein, ich bin verloren, es ist aus mit
mir", alsdann spricht der Herr:
,,Dann kann Ich dich aus dem Schlamm ziehen und deine
wankenden Füße auf einen Felsen stellen, wo du gewisse Tritte
tun kannst."
So beruht alles Leben, alle Lust und Kraft, Frucht zu
bringen, auf dem Verbleiben in Christus. Wenn ich das selige
Geheimnis in meinem Herzen habe, daß ich in der Freundschaft
Gottes bin, der mir alle meine Sünden vergeben hat, und daß
ich von Christus einen so unaussprechlich großen Dienst
und Nutzen habe, daß mir keine Sünde zugerechnet
wird1 sondern daß ich in einem Verhältnis beständiger
Schuldenfreiheit stehe, als ob nichts Sünde wäre, als ob uns
nie ein Gesetz gegeben wäre - weder ein noch zehn Gebote -,
dann wird dieser Herr mir wahrlich lieb, und dann kümmere ich
mich wenig um die ganze Welt, dann will ich für meinen Herrn
leben, dann bekenne ich Ihn mit Wort und Beispiel und ,,tue
jetzt mit Freuden das1 was mir zuvor schwer war." Ich bin
zwar nicht von dem unreinen und widerspenstigen Fleische
befreit1 aber in dieser Glaubensvereinigung mit dem Heiland
liegt doch die eigentlich fruchtbringende Kraft. Zudem kann
ich jetzt erst recht gegen alles Böse beten, denn ich bete
jetzt im Glauben und in Jesu Namen und nicht in der
selbstgerechten Absicht, die zuvor bewirkte, daß der Herr
mich nicht erhören konnte, weil dann meine selbstsüchtige
Einbildung Nahrung erhalten hätte. Jetzt habe ich alles in
der Gnade des Herrn und blicke nur auf Sein Wohlgefallen;
und dann gilt das, was der Herr sagt: ,,So ihr in Mir bleibet
und Meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr
wollt, und es wird euch widerfahren." Was du auf diesem Wege,
nämlich durch das Bleiben in Ihm, nicht erlangst, das befiehl
Seiner Weisheit und Seinem Wohlgefallen. Wenn Er wollte,
könnte Er dich wohl ganz heilig und engelrein machen; aber
Er weiß am besten, was dir am nützlichsten ist.
Du antwortest: ,,Der Heilige kann doch nicht das Böse wollen;
gewiß muß der Fehler bei mir liegen, wenn ich diese oder jene
Kraft nicht empfange!" - Wahrlich, der Fehler liegt gewiß bei
dir, aber dann ist es ein Fehler, den Christus erwähnt hat.
Willst du z. B. in deiner eigenen Stärke, aber nicht in
Seiner Gnade leben; dann ist dies der Fehler. Wegen einer
solchen Neigung ließ Er Petrus vom Satan gesichtet und Paulus
von einem solchen mit Fäusten geschlagen werden, um ihn zu
lehren, sich nicht zu überheben. Er sprach: ,,Laß dir an
Meiner Gnade genügen, denn Meine Kraft ist in den Schwachen
mächtig." Dieses Mal war es dem Paulus heilsamer, die
Schwachheit und nicht die Stärke kennenzulernen. - Oder du
willst in Eitelkeit oder in einem zerstreuten, weltlichen
Geist leben und dich nicht dicht an den Heiland halten;
willst du dabei aber doch in deiner eigenen Kraft einen
tätigen und christlichen Wandel führen, dann ist dies der
Fehler, weil die Früchte dann sogleich schwinden, wie der
Herr spricht: ,,Gleichwie die Rebe von selbst keine Frucht
bringen kann." Und wenn du im Unglauben und in der
Knechtschaft liegst, kannst du auch keine Frucht bringen.
Hieraus folgt, daß es keinen anderen Rat gibt, als
fortwährend in Jesus zu bleiben. Denn wohin solltest du
sonst fliehen, wenn deine Kraft so schwach und jämmerlich
ist? Er ist der einzige, der alle Gewalt im Himmel und auf
Erden hat! Er ist der einzige Schlangenkopfzertreter, der
gekommen ist, die Werke des Teufels zu zerstören. Suche
darum nur noch näher mit Ihm vereinigt zu werden und zu
einem noch gewisseren Glauben zu gelangen!