Johannes

Joh 15,3 C.O.Rosenius Ihr seid jetzt rein um des Wortes willen, das Ich zu euch geredet habe. Joh. 15, 3.

Laßt uns hier den tiefen, verborgenen Grund genau beachten, aus dem Christus Seine Jünger rein nennen konnte, gerade diese schwachen Jünger, deren Geschichte mit Mängeln und Fehlern, ja, mit recht schweren Sünden behaftet war. Dennoch konnte Er an demselben Abend, an dem Er ihren Fall und ihre Sünden vorhersagte, sie zweimal rein heißen, indem Seine Worte das eine Mal diese waren: ,,Ihr seid jetzt rein um des Wortes willen, das Ich zu euch geredet habe." Seine Rede hatte den Glauben bewirkt, der Christus mit Seiner Reinheit und Seinem Verdienst umfaßt. Das andere Mal sagte Er: ,,Wer gewaschen ist (durch den Glauben im Blutdes Lammes), der ist ganz rein; und ihr seid rein, aber nicht alle". Er wußte Seinen Verräter wohl; darum sprach Er: ,,Ihr seid nicht alle rein."

Sowohl der körperlichen als auch der levitischen (kirchlichen) Reinigung gemäß war Judas ebenso rein wie die anderen Jünger. Christus redet hier aber von der verborgenen, der zugerechneten, der durch den Glauben angezogenen Reinheit, indem Er spricht: ,,Ihr seid ganz rein," und dies - noch einmal sei es gesagt - an demselben Abend, an dem sie sich so übel versündigten. Und das sagte Er, der ,,Augen hat wie Feuerflammen", und der zuletzt am Jüngsten Tag richten wird. Hätte Er auf die Frömmigkeit geblickt, die in den Jüngern wohnte, dann hätte Er nicht gesagt: ,,Ihre seid rein." Nur das Waschen und Seine Rede hatten sie rein gemacht, nicht vor ihren eigenen Augen oder denen eines Menschen, sondern vor Ihm allein, der diese Gerechtigkeit Christi recht sehen und schätzen kann. Welch ein kräftiger Beweis der Gerechtigkeit, die ewig und alle Stunden sich gleich ist!

Du fragst: ,,Gott ist doch unversöhnlich gegen alle Sünden, denn Er liebt die Gerechtigkeit. Wie kann Er mich dann für ebenso gerecht und angenehm halten in dem Augenblick, in dem ich falle und sündige, wie in dem Augenblick, in dem ich Seinen Willen tue?" Antwort: Gott hegt wahrlich einen heiligen und ewigen Zorn gegen alle Sünde; aber werden wir denn nie den wunderbaren Ratschluß der Versöhnung erkennen und preisen? Diesen Zorn ließ Er ja über den eingeborenen Sohn ergehen. ,,Der Herr warf unser aller Sünde auf Ihn; Er (der Sohn) ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen; die Strafe liegt auf Ihm." Wäre ich nicht in Seine Gerechtigkeit gekleidet, dann würde die geringste Sünde genügen, um mich zu verdammen. Nur mit dem Blick auf Christi Gerechtigkeit sagt der Apostel, daß nichts Verdammliches an denen sei, die in Christus sind. Wenn Gott aber an Seinen Kindern, mit denen Er es am genauesten nimmt, die Sünde heimsucht, so geschieht das nicht aus Zorn oder um irgendwelche Schuld der Sünde herauszufordern, sondern aus Liebe, um die Wurzeln und die Begierden der Sünde abzuschwächen und zu töten. Darum sagte Er von den Kindern Seines Sohnes: ,,Wo sie aber Mein Gesetz verlassen und Meine Gebote nicht halten, ... so will Ich ihre Sünde mit der Rute heimsuchen und ihre Missetat mit Plagen, aber Meine Gnade will Ich nicht von Ihm wenden".

Luther spricht davon in seiner Erklärung über den 51. Psalm, daß die Sünde auf zweierlei Weise betrachtet werden müsse, erstens als vergeben um der Gerechtigkeit Christi willen, mit der wir durch den Glauben bekleidet sind und um derentwillen die noch vorhandenen Sünden uns nicht zugerechnet werden; zweitens als doch in uns wohnend und Gegenstand der täglichen Reinigung ausmachend, durch die der Heilige Geist die Sünde in uns schwächt und tötet. ,,Denn", so sagt er, ,,wie auch der Kirchenvater Augustinus davon redet, bleibt das Verderben oder die Krankheit (d.h. die Sünde), die uns angeboren ist, in den Heiligen, regt sich in unserem Fleisch und ist noch nicht ganz und gar getötet und weggeräumt, aber sie ist vergeben und wird den Gläubigen nicht zur Verdammnis gerechnet; denn weil die Gnade und Barmherzigkeit Gottes über uns regieren, kann die Sünde uns nicht verdammen oder Gott erzürnen. Dennoch bleibt auch bei denen, welche fromm, heilig und gerecht sind, von der Sünde doch etwas zurück, wie Lüste, böse Begierden und andere Laster. Und um die Reinigung von diesen bittet David hier. - Darum ist es wahr, sowohl, daß ein Christ kein Sünder ist, als auch, daß alle Christen Sünder sind."

Dies ist ein hohes, himmlisches und tröstliches Geheimnis. Die Gnade und die Gerechtigkeit kommen ganz und gar nicht aus den Werken. Wir sind alle Augenblicke in Christus gleich gerecht und begnadigt. ,,Der Übeltäter am Kreuz ist in Christus ebenso heilig wie Petrus, und nichts liegt daran, daß Petrus und Paulus größere Werke getan haben als der Übeltäter, du und ich" (Luther). Dieses evangelische Geheimnis recht zu fassen und zu umfassen, das ist eine schwere Kunst. Wenn Gott uns nicht das Licht des Geistes schenkt und unsere Augen und Herzen öffnet, so ist es ganz unmöglich; denn wir sind alle von Natur ,,Toren und trägen Herzens, zu glauben alledem, das die Propheten geredet haben."

Gott Lob, daß mir mein Herr vergibt Und mich aus freier Gnade liebt; Gott Lob, daß Er mich dulden kann; Gott Lob, Er nimmt die Sünder an.