Joh 12,21
C.H.Spurgeon
,,Wir wollten Jesum gern sehen."
Joh. 12, 21.
Das beständige Verlangen des Weltkindes geht dahin: ,,Wer wird
uns sehen lassen das Gute?" Es sucht Befriedigung in irdischem
Wohlergehen, in Genüssen und Reichtümern. Aber der erweckte
Sünder weiß nur von einem einzigen Gut: ,,Ach, daß ich wüßte, wo
ich Ihn finden kann!" Wenn er wahrhaft erweckt ist und seine
Sündenschuld fühlt, und wenn ihr ihm nun auch alles Gold
Indiens vor die Füße schüttet, so spricht er doch: ,,Weg damit!
Ihn muß ich finden!" Es ist eine selige Sache, wenn ein Mensch
all sein Wünschen und Begehren auf eins gerichtet hat, und nur
nach diesem einen Notwendigen Verlangen trägt. Wenn er fünfzig
verschiedene Wünsche hat, so gleicht sein Herz einem Sumpf
stehenden Wassers, das sich zu einem Morast ausbreitet und
schädliche Dünste und Krankheiten erzeugt; wenn aber alle seine
Wünsche sich in einer einzigen Richtung vereinigen, so wird sein
Herz zu einem Strome reinen Wassers, der in sanftem Laufe
dahinwogt und die Gefilde befruchtet. Selig ist, wer nur ein
einziges Verlangen hat, wenn dies eine Verlangen auf Christum
zielt, und wäre es bis dahin auch noch nicht erfüllt. Wenn der
Herr Jesus die Sehnsucht einer Seele geworden ist, so ist es ein
seliges Zeichen, daß der Geist Gottes in derselben tätig ist.
Ein solcher Mensch begnügt sich nicht mit den Heilsmitteln
allein. Er spricht: ,,Ich brauche Christum; ich muß Ihn haben;
die Gnadenmittel allein reichen nicht aus; Ihn selber bedarf
ich; diese braucht ihr mir nicht anzubieten; ihr zeigt mir das
Gefäß, während ich vor Durst verschmachte; gebt mir Wasser,
sonst muß ich sterben. Jesus ist mein Verlangen; Ihn möchte ich
sehen!"
Steht es so mit dir, liebe Seele? ist dies deine jetzige
Stimmung? Dann bist du nicht ferne vom Himmelreich. Hegst du nur
einen Wunsch in deinem Herzen, den einzigen Wunsch, daß du
möchtest abgewaschen werden von allen deinen Sünden im Blut
Jesu? Kannst du in Wahrheit sagen: ,,Ich gäbe alles drum, wenn
ich ein Christ wäre; ich gäbe all mein Vermögen und alle meine
Hoffnung hin, wenn ich nur fühlte, daß ich teilhabe an Christo?"
Dann laß alle deine Furcht fahren, sei getrost, der Herr hat
dich lieb; du trittst hervor ins helle Licht der Sonne, und
freuest dich der Freiheit, damit uns Christus befreit hat.
S.Keller
Joh 12, 21: «Wir möchten Jesum gerne sehen.»
Das waren fremde Griechen, die so sprachen. Es sind heute
mehr, viel mehr Fremde, die dasselbe Sehnen in der Seele
bergen, aber sie sprechen es nicht aus. Nur, wenn irgendein
wirklich gläubiger Christ, der des Heilands Art mit Takt und
Liebe zu tragen und zu zeigen weiß, ihnen menschlich näher
tritt, dann kommen die feinen Fühlfäden jener Seelen hervor
und tasten zitternd und scheu nach dem Geheimnis des neuen
Bekannten, als wollten sie fragen: Ist das "Jesus"? Wir
möchten ihn so gerne sehen! Der Ernst der Verantwortung,
daß der unsichtbare Jesus keine anderen Darsteller hat als
uns, seine schwachen Schüler, kann uns in gewissen Stunden
den Atem versetzen. Mach ich's recht, wenn ich diesem die
große weltweite Sünderliebe Jesu zeige? Oder muß jener
leichtsinnige Frevler sich nicht an meinem scharfen Bußernst
das Gewissen erst blutig stoßen, damit er überhaupt Gnade
suchen lernt? Es ist nichts so schwer, als mit Seelen zu
tun zu haben! Lauter offene Seelenfenster um mich her, und
jetzt kann eine ewige Geschichte oder eine wichtige Epoche
derselben davon abhängig sein, was von Jesus durch mein
Benehmen und meine Worte in jene offenen Fenster fällt.
Wie oft habe ich's verfehlt.
Herr Jesus, du mußt ziehen. Mein Bemühen ist zu mangelhaft.
Vergib mir alle meine Fehler, die ich in Seelenbehandlung
gemacht habe. Mach mich geschickter, treuer, grader, heller,
reiner, damit ich dich besser zeigen kann. Amen.